Statt Festumzug gab’s Kanonenschüsse

Schützenbrüderschaft Willershausen erinnerte mit Bölleraktion an das nicht stattfindende Schützenfest

Zündung! Ein mächtiger Knall hallte durchs Tal der Aue. Und rundherum antworteten die Böllerschützen.

Willershausen. Am Wochenende wäre Schützenfest gewesen in Willershausen. Wäre, wenn nicht Corona dazwischen gekommen wäre. So ganz trostlos vorbeigehen lassen wollten die Willershäuser dieses Wochenende dann aber doch nicht und überlegten sich, wie sie für sich und das Dorf ein Zeichen setzen könnten. Gefunden wurde es in einem orchestrierten Böllerschießen zu der Zeit, wo sonst der Umzug der Schützen am Sonnabendnachmittag durchs Dorf marschiert wäre.
Gegen 16.30 Uhr trafen sich die Böllerschützen der Schützenbrüderschaft an einer Scheune am Lerchenberg. Dort steht die Kanone der SB Willershausen, genaugenommen, eine von zweien, die zweite befindet sich zur Zeit in Überholung. Die Kanone wurde vom Schießtrupp auf eine anliegende Wiese gefahren und dort postiert. Zwei Mann blieben zur Bedienung hier zurück.

Zehn weitere Schützen machten sich auf den Weg an vorher festgelegte Punkte im ganzen Dorf. Zum Beispiel am Braukampring, am Schützenhaus, dem Koppenbergblick, der Weglange zweimal und Hinter den Höfen sowie an der Hinteren Dorfstraße und der Ecke Schlange. Ausgestattet worden waren alle Teams mit Funkgeräten, über die sie die Feuerkommandos von der Feuerleitstelle bekamen.

Die Schützenbrüderschaft Willershausen ist weithin einer der wenigen Schützenvereine, der noch über einen eigenen Kanonentrupp verfügt. Das hat in Willershausen zwar Tradition, die aber ist nach Worten des Vorsitzenden Matthias Heiligenstadt heute immer schwerer zu erhalten.

So muss das technische Gerät, also die Kanone selbst, alle fünf Jahre dem „Waffen-TÜV“ vorgestellt werden. Dazu wird sie an dessen Sitz nach Bayern gebracht und dort „beschossen“, wie es in der Fachsprache heißt. Damit wird die Sicherheit der Kanone festgestellt, damit diese nicht irgendwann den Kanonieren um die Ohren fliegt. Die genutzte Kanone hat den fünf Jahre gültigen Prüfstempel wieder eingeschlagen bekommen.

Bedienen dürfen sie aber nur eingewiesene Schützen vom Schießtrupp. Der ist bei der SB immerhin zehn Personen groß, genug, um bei festlichen Gelegenheiten mit beiden Kanonen an den Start zu gehen, was die Willershäuser in der Vergangenheit in Dorste oder Förste zum Beispiel des öfteren schon getan haben.

Geladen wird die Kanone mit Schwarzpulver. Rund 80 Gramm im Beutel je Schuss. Das Pulver heute zu bekommen, sei aufgrund der Verschärfungen wegen des Terrorismus’ deutlich aufwändiger geworden, sagte Heiligenstadt dem GK. So werden nur noch begrenzte und genau nummerierte Chargen gegen Quittung herausgegeben, um die Nachverfolgbarkeit zu sichern, falls das Schwarzpulver tatsächlich mal in die falschen Hände gelangen sollte. Aufbewahrt werden muss es bei der SB unter gleich scharfen Sicherheitsvorkehrungen wie die eigenen Waffen.

Am Laden der Kanone hat sich wohl seit Zeiten des 30-jährigen Krieges nicht viel geändert: Zuerst das Pulver im Beutel ins Rohr. Wo dann das Geschoss käme, ersetzt dies hier eine ans Rohr angepasste Korkplatte. Die wird mit dem Stempel dann ins Rohr gedrückt und der Pulverbeutel so am Rohrende komprimiert. Durch eine kleine Öffnung wird die Zündladung eingesetzt und diese heute ganz modern elektrisch gezündet.

Als Kanoniere am Lerchenberg fungierten am Sonnabendnachmittag die Gebrüder Matthias und Henry Radtke. Sie waren Schützenteam drei von den zehn im Dorf verteilten.

Vier Durchgänge sollten beginnend ab 17.15 Uhr geschossen werden. In der ersten Runde wurden nacheinander alle zehn Stationen abgefeuert, wobei die Kanone fraglos den weithin hörbarsten Rumms machte. Das dürfte ohne Zweifel auch noch in Westerhof, vielleicht sogar Düderode wahrnehmbar gewesen sein.
Für die zweite Runde war ein gemeinschaftliches Feuern aller vorgesehen, was leidlich gut klappte. Funkaussetzer brachten die dritte Runde ein wenig durcheinander, in der eigentlich immer zwei Standorte gleichzeitig feuern sollten. Die Kanone schwieg, weil kein Feuerbefehl zu hören war. Der Schuss beendete dann einzeln diesen Durchgang. Die Abschlussrunde vollzog sich von ein bis zehn dann wieder mit Einzelschuss, was am Kanonenstandort jedes Mal nicht nur mit einem mächtigen Wumms, sondern auch einer beeindruckenden Rauchwolke begleitet wurde.

Viele Dorfbewohner beobachteten das Treiben an verschiedenen Plätzen und wurden damit daran erinnert, dass eigentlich jetzt im Dorf groß gefeiert würde. Nicht alle fanden die Form des Festgedenkens toll, ein Nachbar des Kanonenstandortes wies nach dem letzten Schuss darauf hin, dass sein Hund auf das– vorher angekündigte – Geknalle doch sehr verschreckt reagiere. Diese Aufnahme der Aktion war aber wohl die deutliche Ausnahme, so die Rückmeldungen an die Schützen.

Bei einem Getränk, das am schwülwarmen und in dieser Region von Gewittern verschonten Nachmittag überaus gut mundete, endete die Aktion. Von der Wiederaufnahme des Schießbetriebes, so Vorsitzender Matthias Heiligenstadt, habe die SB in Abweichung vom Vorgehen anderer Vereine bislang abgesehen. Das mache angesichts des nicht nutzbaren geselligen Teils, den man unter den aktuellen Umständen nicht durchführen könne, wenig Sinn.
Zur Zeit gehen die Willershäuser vorsichtig davon aus, vielleicht ab September den Vereinsbetrieb wieder aufzunehmen.rah