Bücherei: Zukunft nach 2019 offen?

Seit 2007 ehrenamtlich geleitete Einrichtung steuert möglicherweise auf die nächste große Hürde zu

Manfred Schultzki am Stand mit den Hörbüchern: Die gehören zwar auch zum Ausleihprogramm, haben dem ganz konventionellen Lesen aber bislang nicht den Rang streitig machen können.

Bad Gandersheim. Sicher ist gar nichts – außer, dass nichts sicher ist. In dieser fast alles im Leben bestimmenden Unsicherheit leben auch die Ehrenamtlichen, die bereits seit 2007 in Bad Gandersheim dafür sorgen, dass es überhaupt noch ein eigenes Büchereiangebot gibt. Nach ruhigeren Jahren sorgen die Umbrüche im Vitalpark nach dessen Wechsel zu einem privaten Gesellschafter für die aktuellen Unsicherheiten, was nach 2019 mit der Bücherei wohl geschehen mag.

Rückblende ins Jahr 2007: Im Zuge der massiven Finanzprobleme der Stadt Bad Gandersheim geriet auch die Stadtbücherei – damals noch im einstigen AOK-Gebäude in der Marienstraße zuhause – in die Mühlen der Abwicklungen und Ausgliederungen. Die Stadt sparte die Stelle der Büchereileiterin ein, womit an sich auch das Ende der Stadtbücherei gekommen gewesen wäre. Das aber wollte eine Reihe Gandersheimer nicht einfach so hinnehmen und erbot sich, mit ehrenamtlichen Engagement Pflege und Ausleihbetrieb sicherzustellen. Nach einigen Beratungen wurde ihnen dies versuchsweise zugestanden.

Das Vorhaben klappte, und eine, die von diesen Zeiten an dabei war, musste sich nun im Frühjahr dieses Jahres aufgrund anderer beruflicher Prioritäten aus der Arbeit zurückziehen: Claudia Mehrländer-Konang (GK berichtete). Hinter ihr stand und steht aber ein Team, das die Fortsetzung der in den letzten elf Jahren geleisteten Arbeit gut garantieren kann.

Nach Überwindung der ersten Hürde kam die zweite, als die Immobilie in der Marienstraße geräumt werden musste und der Umzug in – zudem ganz anders strukturierte – Räumlichkeiten im seinerzeit noch städtischen Vitalpark anstand. Mittlerweile hat die Bücherei aus dem vermeintlichen Nachteil sogar einen Vorteil gemacht: „Die kleineren Räume boten gute Gelegenheit, thematische Unterteilungen vorzunehmen. Und die Nutzer finden die kleinen Räume eher anheimelnd als eine große Büchereihalle, so unsere Erfahrung“, sagt Manfred Schultzki, der seit rund eineinhalb Jahren zum Büchereiteam gehört und neben Wilfried Schreiber der einzige Mann im sonst von Frauen bestimmten Team ist. Schreiber ist schon so lange dabei wie es Claudia Mehrländer-Konang war.

Wechsel hat das Team immer wieder mal gehabt, in Gefahr geraten sei die Arbeit aber eigentlich zu keiner Zeit, so Wilfried Schreiber. Neben Mehrländer-Konang verließ jüngst mit Frau Tesche eine weitere langjährige Mitwirkende das Team im März. Aktuell umfasst die Gruppe sieben Personen, die sich um alle Notwendigkeiten des Büchereibetriebes kümmern.

Da wären zuvorderst die rund 12.000 Bücher, die allesamt computererfasst und katalogisiert worden sind, eingeschlagen und in die richtigen Ausleihregale gestellt werden mussten. „Klingt nach einer großen Zahl, aber schon im Vergleich mit Stadtbüchereien in Einbeck oder Northeim ist das vielleicht nur ein Zehntel des dort vorhandenen Bestandes“, macht Wilfried Schreiber Dimensionen deutlich.

Trotzdem kann die Gandersheimer Bücherei, die das Zusatzwort „Stadt“ im Namen schon länger abgelegt hat, für sich in Anspruch nehmen, den Lesern auch immer wieder aktuelle Titel anbieten zu können. „Und das, obwohl wir gerade mal ein Jahresbudget von 700 Euro haben“, so Schreiber weiter. Angesichts bekannter Buchkosten eine Minipulle. Größeren Schluck kann man dann schon mal nehmen, wenn Spender wie zum Beispiel das Bündnis für Familie der Bücherei unter die Arme greifen und aus Erlösen – wie von „Literatur und Wein“ – weitere Buchkäufe möglich werden.

Womit ein weiteres Problem angetickt ist: Die Bücherei ist nicht gemeinnützig und kann damit für Spenden keine entsprechende Bescheinigung geben. Wodurch ihr, da sind sich Schreiber und Schultzki sicher, so manche mögliche Zuwendung entgehen mag. Der Grund für diesen Mangel ist, dass die Bücherei beim Wechsel aus der städtischen Obhut in die des Vitalparks auch Teil der GmbH wurde, und es auch heute noch ist. Die wiederum als kommerzielles Unternehmen mit Gewinnstreben kann nicht gemeinnützig sein.

Mit der GmbH ist dann auch der nächste Grund für aktuelle Unsicherheiten angesprochen. Mit der Übernahme des Vitalparks durch einen privaten Alleingesellschafter hat die Bücherei noch weniger mit der Stadt zu tun als vorher. Die Vitalpark GmbH wiederum hat bekanntlich große Pläne, was mit dem bestehenden Kern und einem Großprojekt drumherum an dieser Stelle entstehen soll. Ohne klare Perspektive für ein Ob und Wann sei bereits in Gesprächen davon die Rede gewesen, dass der Fitnessbereich des Vitalparks möglicherweise irgendwann die Flächen der heutigen Bücherei in Beschlag nehmen soll.

Zudem rückt mit dem Ende des Jahres 2019 auch das Ende der städtisch vertraglich zugesicherten Unterstützung näher. Bis dahin erhält die Vitalpark GmbH einen mit rund 350.000 Euro nicht ganz unbedeutenden Jahreszuschuss. Im Gegenzug sichert die Vitalpark GmbH zu, dafür das für einen Kurort geforderte „Haus des Gastes“ und auch die Bücherei zu beherbergen. Niemand weiß, was nach dem Ende dieser Zahlungen die Vorstellungen der Geschäftsführung sein könnten, die ab 2020 möglicherweise auf eine andere Nutzung des Hauses angewiesen sei, um den Wegfall des Zuschusses zu kompensieren.

„Die Bücherei bringt der GmbH ohne Zweifel keinen Gewinn, von daher rechnen die Ehrenamtlichen damit, dass sie in den nächsten eineinhalb Jahren mit neuen Entwicklungen konfrontiert werden. Die möglicherweise darauf hinauslaufen, dass sich die Stadt wieder Gedanken machen muss, wo sie gegebenenfalls nach Ende 2019 eine Bücherei in anderen oder eigenen Räumlichkeiten unterbringen kann, wenn es sie weiter geben soll.

Noch ist das alles Theorie und die Ehrenamtlichen der Bücherei lassen sich davon nicht beirren, ihren wöchentlichen Ausleihebetrieb am Laufen zu halten. Der ist allerdings früher auf höherem Niveau gewesen, müssen Schultzki und Schreiber aus der Statistik zugestehen. Vom Beginn der Übernahme in ehrenamtliche Tätigkeit 2007 bis 2018 ging die Jahresausleihe von 7500 auf 2000 Vorgänge zurück. Ein allgemeiner Bundestrend.

Wenn es dabei etwas Positives zu bemerken gibt, dann den Umstand, dass viele jüngere Leser unter den aktiven Ausleihern sind. Das Lesen hat also auch bei Kindern und Jugendlichen noch ein „Standing“ – aber nur, wenn es über das Vorlesen und häusliche Anregung angelegt wurde, wissen die Büchereimitarbeiter aus vielen Erfahrungen. Nicht umsonst ist das Engagement zum bundesweiten jährlichen Vorlesetag im Herbst in Bad Gandersheim wesentlich aus diesem Team heraus getragen und organisiert worden.

Für weitere Aktionen allerdings sei die Mannschaft zu begrenzt. Leseabende oder Ähnliches hätten in der Regel viel Aufwand verursacht, mancher Autor stellt auch unerfüllbare Kostenforderungen. So bleiben nur andere Wege der Leseförderung, wie sie Manfred Schultzki zum Beispiel auch über sein Engagement im Verein „Deutsch für alle“ im Bereich Flüchtlinge und Migrationskinder betreibt.

Und dann ist da ja auch noch die „digitale Gefahr“. Natürlich wird heute auch schon mehr auf E-Readern gelesen oder ein Buch gehört. Das aber habe dem ganz konventionellen Lesen bislang jedenfalls den Rang in keiner Weise streitig machen können. Hörbücher, wenngleich in kleinerer Zahl gehören im Übrigen auch zum Ausleihprogramm der Bücherei. E-Books werden von großen Büchereien ebenfalls schon „ausgeliehen“, der Aufwand dahinter sei aber so groß, dass er sich für die Gandersheimer nicht lohne.

So bleibt erst einmal alles, wie es war: Dienstag 14 bis 17, Donnerstag 10 bis 12 und 15 bis 18 Uhr sowie Sonnabend von 10 bis 12 Uhr hat die Bücherei für Ausleihe und Rückgabe geöffnet. Telefonisch kann man sie unter der Nummer 05382 / 955-4816 zu diesen Zeiten auch erreichen, und E-Mails werden unter bibo.bad-gandersheim@gmx.de ebenfalls beantwortet.rah