Clusberg: Ein Wald im „Umbau“

In diesen Tagen finden Holzerntemaßnahmen im Cluswald statt / Bitte Absperrungen beachten

Der für die Landesforsten im Bereich Bad Gandersheim zuständige Förster Jan Fischer und Betriebsdezernentin Jella Rebentisch-Weikert, im Cluswald.

Clus. Den Buchen geht’s nicht gut. Spaziergänger, die es im Cluswald reichlich gibt, können dies sogar als forstliche Laien feststellen, wenn sie einmal den Blick vom Weg hinauf in die Kronen derzeit unbelaubter alter Buchen schweifen lassen. Auch der forstliche Laie erkennt, dass da etwas nicht stimmt: Die Kronen bestehen überwiegend aus nackt wirkenden dickeren Ästen. Es fehlen die vielen kleinen Zweige, die in den Kronen gesunder Bäume zu finden sind.

Bäume mit dieser offensichtlichen Schädigung sind eine ganze Reihe zu finden. Vor allem auf den Kammlagen des Clusberges. „Wir sind auch überrascht, wie schnell die Buchen auf den Klimawandel und die Trockenjahre reagiert haben“, sagt Förster Jan Fischer aus Greene, der für die Landesforsten diesen Bereich und weitere Forste rund um Bad Gandersheim betreut. Die Buchen des Cluswaldes stehen vor allem auf dem Kamm aber auch auf einer eher dünnen Bodenschicht. Die Wurzeln der großen Altbäume reichen bis hinab in den porösen Kalksteinuntergrund. Das macht sie anfälliger für Trockenheit, denn das Gestein speichert kein Wasser. Weiter unten am Hang ist die Bodenschicht dicker und finden sich daher auch weniger geschädigte Bäume.

Die Schädigungen sind ein Grund, warum Jan Fischer und die Landesforsten in diesen Tagen im Cluswald handeln und eine Holzerntemaßnahme durchführen. Dabei gehe es in weiten Teilen nicht um die reine Holzgewinnung zur Vermarktung, sondern um Verkehrssicherungsmaßnahmen, erklärt Fischer. Vor allem Bäume entlang der Forststraßen und von Waldbesuchern genutzten Wege können bei erkennbarer Schädigung zur großen Gefahr werden. Aber sogar Buchen, die am Stamm keine äußerliche Schädigung erkennen lassen, brechen unvermittelt bei stärkerem Wind ab. Manchmal in zehn oder 15 Metern Höhe, weil ein Pilz den geschwächten Baum befallen und seinen Stamm bereits teilweise zersetzt hat. Beispiele solcher Brüche sind einige im Cluswald zu finden.
Sie bleiben dort auch stehen oder liegen. So wie dem aufmerksamen Waldbesucher auffallen kann, dass Wald heute schon lange nicht mehr so „aufgeräumt“ aussieht, wie dies vor Jahrzehnten teilweise noch der Fall war. Heute liegen hier größere Asthaufen, dort einzelnen Stammstücke im Wald und rotten. Abgebrochene Bäume bleiben stehen, manch umgestürzter wird nicht aus dem Unterholz gezogen. Dies mit guter Absicht, so Jella Rebentisch-Weikert, Betriebsdezernentin des Niedersächsischen Forstamtes Seesen in den Landesforsten. Fester Bestandteil der heute praktizierten naturnahen Forstbewirtschaftung ist, die Ganzheit des Waldes mit seiner Schutz- Nutz- und Erholungsfunktion im Blick zu haben. Und dazu gehört eben auch, durch Altholz anderen Waldbewohnern von Kleinstlebewesen bis großen Wildtieren Biotope zu bieten, die ihnen eine Existenz ermöglichen. Davon profitiere letztendlich wieder der ganze Wald.

Einzelne Bäume tragen sogar Markierungen – früher noch mit der Motorsäge eingeschnittene Kreuze, heute werden sie mit Farbe aufgesprüht -, die sie als immer wieder in die Waldfläche eingestreute Biotopbäume ausweisen. Das heißt, sie werden nicht zur Holznutzung herangezogen, sondern dürfen ein ganzes Baumleben bis zum natürlichen Zerfall durchleben.

Dass es früher anders war, hatte auch mit einer viel intensiveren Nutzung des Rohstoffes Holz zu tun. Der heute eher dichte Cluswald sei in früheren Jahrhunderten vermutlich ebenso kahl gewesen wie die meisten Höhenzüge der Region, deren Holz man zum Bauen, dem Bergbau im Harz, als Brennstoff und so vielen anderen Zwecken verwendete. Dieser „Raubbau“ am Wald dauerte durch die Mängel bis nach dem 2. Weltkrieg noch an. Heute sei man in der deutschen Forstwirtschaft in der guten Lage, über viel Wald zu verfügen, der schon zwei oder drei Generationen alt ist, und der trotz der Nutzung des Rohstoffes Holz weniger Entnahme verkraften muss, als pro Jahr an neuen Bäumen nachwächst, so Rebentisch-Weikert.
Nun ist Forstwirtschaft eine sehr langfristig angelegte Angelegenheit. „Selbst bei schnell wachsenden Bäumen wie Fichten vergehen von der Pflanzung bis zur Ernte ausgewachsener Bäume in der Regel 80 Jahre. Bei Buchen sind es 120 bis 140 Jahre und im Falle von Eichen über 200“, erklärt Jan Fischer. So wird der Wald zum Generationenvertrag. „Was die heutige Generation anpflanzt, werden erst unsere Enkel oder Urenkel ernten können“, sagt Jella Rebentisch-Weikert.

Gleichzeitig aber muss sie heute mit ihren Kollegen in den Forsten schon Entscheidungen treffen: Wie soll er aussehen, der Wald der Zukunft? Vor den Herausforderungen eines Klimawandels, dessen weitere Entwicklung niemand genau vorhersagen kann? „Das macht die Sache nicht einfach. Wir können da nur auf eine gute Basis an Erfahrungen aus der Vergangenheit bauen und mit denen der Gegenwart gemischt Entscheidungen für einen widerstandsfähigen Wald der kommenden Jahrzehnte und Jahrhunderte bauen“, sagt Rebentisch-Weikert dazu.

Sicher ist dabei eines: Er wird breit aufgestellt sein, der Wald der Zukunft. Soll heißen, auf vielfältige Baumformen setzen, darunter vielleicht auch solche, die an sich in Mitteldeutschland bislang nicht direkt als heimische Arten angesehen wurden. Die Mischung der Gehölze sorge für halbwegs Sicherheit, dass darunter Bäume sein werden, die auch mit weiteren Verschärfungen des Klimawandels klarkommen.

Welche Bäume aus vor allem südlicheren und damit wärmeren und trockeneren Regionen vielleicht einmal im Cluswald heimisch werden könnten, weiß man heute noch nicht. Die Schwarznuss, Roteiche oder Douglasie ist ein solcher Kandidat, andere werden von forstlichen Versuchsanstalten getestet, um ihre Tauglichkeit für unsere Breiten zu testen. Es werden nicht gerade Exoten wie der Mammutbaum oder Eukalyptus sein, sagt Rebentisch-Weikert. Aber, dass neue Baumarten bei uns heimisch werden und bei fortgesetztem Klimawandel gute Zukunftschancen haben, ist mehr als wahrscheinlich.

Einen „Verlierer“ gibt es bereits: die Fichte. Die erschreckenden Zustände großer Waldflächen im Harz zeigen den Umbruch. Die Fichte als dominierender Baum norddeutscher Wälder hat wenig Zukunftschancen. Gleichwohl wird sie weiter angepflanzt, wie zum Beispiel auf Windwurfflächen, die Sturm Friederike vor Jahren im Umfeld Bad Gandersheims verursacht hat. Und auch dort, wo sie eigentlich aus Forstsicht nicht unbedingt als standortgerechter Baum angesehen wird.

Das sei letztendlich eine Entscheidung der Waldbesitzer. Und wenn die den schnellen Holzernteertrag im Blick hätten, gebe es zur Fichte nur wenig Alternativen. Nach Baumsterben im Harz und enormen Sturmschäden wisse aber jeder heute um das Risiko.
Andererseits wird die Fichte als Bauholz weiterhin erst einmal unverzichtbar sein. „Ihr Holz ist vor allem als Konstruktionsholz bislang fast unersetzbar“, sagt Jan Fischer. Es gebe, fährt er fort, aber inzwischen auch schon Holzwerkstoffe aus anderen Baumarten. Diese könnten dann vielleicht einmal wegfallende Fichtenanteile ersetzen.

In den Wäldern, die unter Regie der Landesforsten stehen, wird es auch weiterhin Fichtenanteile geben, ergänzt Jella Rebentisch-Weikert. Aber nicht mehr in geschlossenen Flächen, sondern als Mischwald. Fichtenwald hat ohnehin den Nachteil, dass er unter dem dichten Nadeldach so dunkel ist, dass am Boden außer Moos oder Farnen nichts anderes mehr nachwächst. Ganz anders im Buchenwald wie oberhalb von Clus. Hier, wo große Bäume stehen, wächst darunter bereits der nächste Wald automatisch nach. Die neuen Buchen müssen gar nicht angepflanzt werden, wie dies auf vielen abgestorbenen Fichtenflächen nötig ist, sie samen sich von selbst ein, der Wald verjüngt sich auf natürliche Weise.

Aufgabe der Landesforsten sei dann, so Jan Fischer, den nachwachsenden Wald bei der optimalen Entwicklung zu begleiten. Aus dem dichten Jungunterholz werden so immer wieder Bäume entfernt, um anderen genug Platz für eine gute Entwicklung zu bieten. Ausreichend Lichtraum ist wichtig, dazu braucht es bestimmte Abstände, die freigehalten werden. Dies im Übrigen auch rund um andere Bäume, die sich im Cluswald befinden. Ahorn, Esche, Kirschen, Lärche, Douglasie oder vereinzelte Eichen zum Beispiel.

Zu dieser Pflege gehören auch die in diesen Tagen stattfindenden Arbeiten im Cluswald. Neben der Verkehrssicherung werde dabei regionalen Kooperationsopartnern auch Nutzholz zugeführt. Immerhin sind die Landesforsten ja auch ein Wirtschaftsbetrieb. Die Einnahmen aber kommen dem Wald direkt auch wieder zugute, sogar den Spaziergängern, denn davon werden unter anderem auch Wegarbeiten bezahlt.

Eine dringende Bitte haben Jan Fischer und Jella Rebentisch-Weikert abschließend: Forstarbeiten wie diese sind gefährlich. Wenn also der Wald in den kommenden Tagen stellenweise abgesperrt sein wird, sollten Spaziergänger dies bitte unbedingt beachten. Größere Bäume werden gefällt, da sollte niemand, der nichts mit den Arbeiten zu tun hat, in der Nähe sein. Als im Dezember in der Clusgasse Arbeiten an der Baumallee vorgenommen wurden, hat sich die Mehrheit der Waldbesucher an die Absperrungen gehalten. Das Forstamt bittet auch hier um Verständnis für die Waldarbeiten und Absperrungen.rah