Der Fronhof und die verschwundenen Häuser auf dem Domänenhof

Jüngstes Bild der KVV-Aktion „Stromkästen erzählen Geschichte(n)“ am Domänenhof eingeweiht

Kerstin und Antonio Signore am jüngsten Stromkastenbild.

Bad Gandersheim. Möchte man die kürzeste Verbindung zwischen Marktplatz und Plangarten nehmen, wählt man den Weg über den Domänenhof. Dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass die Häuser an der Westseite des Domänenhofes die Straßenbezeichnung „Fronhof“ tragen. Eine Straße kann hier also nicht in früherer Zeit entlang geführt haben.

Der Domänenhof hat sich in seiner Erscheinung und seiner Nutzung im letzten Jahrhundert sehr verändert. Im Mittelalter war der Platz vollständig mit Gebäuden bebaut. Nur zwei schmale Gassen im Westen und Osten führten zu den einzelnen Häusern. Hier lagen die Kreuzgänge mit dem aus der romanischen Zeit stammenden Schlafhaus (Dormitorium), das leider 1934 abgerissen wurde. Nach Auflösung des Stiftes im Jahre 1810 wurde durch den späteren Pächter der Domäne in diesem Gebäude 1848 eine Brennerei eingerichtet. Auf dem Gelände des heutigen Busparkplatzes lagen auch einige Kurien (Wohnhäuser mit Höfen und Stallungen) der Kanonissen.

Urkundlich erscheint der Name Fronhof erstmalig im Jahre 1350, später veränderte sich die Deutung in „Frauenhof“, weil die Kanonissen hier ihre Kurien hatten.

Eine weitere Deutung, die Bauern, wenn sie Hörige eines Herrn waren, leisteten Frondienste, der Hof, wo sie fronen mussten, heißt der Fronhof. Der Wirtschaftshof des Stiftes muss sich westlich bis zu der Häuserreihe erstreckt haben, die heute von den Häusern der Burgstraße gebildet werden. Das alte Stift war, bevor die Stadt entstand, von einer Mauer umgeben, die Stiftskirche, Kreuzgänge, Abtei und Wohnräume der Kanonissen sowie einen Wirtschaftshof umschloss.

Das Bild auf dem Stromkasten am Fronhof zeigt den Blick vom Plangarten auf das Stiftskalkhaus, im Hintergrund ragt das alte Bauamt hervor. Das Stiftskalkhaus stand dort, wo sich heute das Martin-Luther-Haus befindet. Es diente als Lehrerwohnhaus, zuletzt wohnte die Familie des Kirchenmusikers Klemeyer in diesem Gebäude.

Das Gebäude wurde 1958 abgerissen. Das Baumaterial wurde für die Errichtung des Gemeindezentrums, das 1960 eingeweiht wurde, wiederverwendet. Das alte Bauamt wurde im selben Jahr abgerissen. Ursprünglich als Stiftskurie der Kanonisse Magdalene Sybille von Schwarzenburg-Rudolfstadt errichtet, diente es von 1828 bis 1929 als Knabenschule und anschließend bis zum Abriss als Bauamt. Das neu errichtete Pfarramt der evangelischen Stiftskirchengemeinde wurde bewusst nach Norden zurückgesetzt, um für die seit 1959 gegründeten Domfestspiele ausreichend Platz für die Bühne und die Zuschauertribüne zu bieten.

Seit 2015 bietet das Restaurant von Antonio Signore „Osteria d´Antonio“ ein umfangreiches kulinarische Angebot am Fronhof allen Gästen und Bürgern unserer Stadt. Antonio Signore ist seit 1985 in Deutschland und seit 1987 Gastronom. Seine Erfahrungen in Bad Gandersheim sammelte er seit 1995 mit dem Lokal Gino II in der Neustadt.

Der Kur- und Verkehrsverein bedankt sich ganz herzlich bei Familie Signore, die die Kosten für den Stromkasten übernommen haben. Des Weiteren möchte sich die Initiatorin der Aktion „Stromkästen erzählen Geschichte(n)“, Liane Goslar ganz besonders bei Brigitte Reuter-Smidt für die Unterstützung bei den Recherchen zum Stiftskalkhaus bedanken und bei Manfred Kielhorn, der bei einer Ebay-Aktion diverse Bilder aus den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts erworben hat und somit überhaupt den Grundstein für die Gestaltung dieses Versorgungskastens gelegt hat.

Wer einen Versorgungskasten gestalten lassen möchte, melde sich beim Kur-und Verkehrsverein. Ganz besonders liegen dem Verein die Gestaltung der großen Einfahrtsstraßen am Herzen. „Sponsern Sie einen Versorgungskasten und tragen Sie dazu bei, dass Bürger und Gäste mit historischen Aufnahmen an der Entwicklung unserer Stadt teilhaben können“, so Liane Goslar. Bildmaterial ist im städtischen Museum reichlich vorhanden. Gern nimmt der KVV auch historische Aufnahmen entgegen, um diese vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt an geeigneter Stelle veröffentlichen zu können.red