Der neue Rat wird bunter und offener

Keine der beiden größten Fraktionen kann direkt auf eine Mehrheit bauen: Die Einzelratsmitglieder werden zu den „Entscheidern“

Die Sitzverteilung im neuen Rat ab November: Insgesamt zu vergeben waren 20 Sitze (der 21. wird vom Bürgermeister besetzt). Die SPD reduziert sich von neun auf acht Sitze, die CDU von bisher sieben auch sechs. Die Grünen gewinnen ein Mandat hinzu, FDP sowie die beiden Einzelkandidaten sind neu im Stadtrat.

Bad Gandersheim. Nicht nur bei der Wahl zum Bürgermeisteramt ging es bis ins letzte Wahllokal eng zu. Auch die Stadtratswahl gestaltete sich am späten Sonntagabend nach dem gleichen Muster: Erst mit dem letzten Wahllokal stand die neue Sitzverteilung im Rat fest, das war erst nach 23.30 Uhr. Und wieder gab es dabei auf den „letzten Metern“ noch einige Überraschungen.

Die vielleicht Unerwartetste: Im Endergebnis schaffte es die FDP tatsächlich noch, einen Sitz im Rat zu erringen. Bis nach 23 Uhr war sie noch nicht im Rat, die Auszählung der zweiten Hälfte der Stimmen in den drei Innenstadtwahllokalen brachte dann die restlich nötigen Stimmen, um Torge Gipp tatsächlich zu seinem Ratsmandat zu verhelfen.

Weniger unerwartet, aber mindestens im Falle von Einzelkandidat Florian Porde bis ganz zum Schluss immer wieder mal in Frage gestellt, war der Einzug der beiden Einzelkandidaten Gerry Klein und Florian Porde in den Rat. Klein machte die Sache dann in der Kernstadt mit einem enormen Stimmenschub – sehr wahrscheinlich aus dem Glaubenszentrum – sicher. Porde folgte ihm, beide sind im Rat und beabsichtigen nach vorheriger Ankündigung, dort auch als Gruppe aufzutreten.
Ebenso nicht unerwartet, aber bis zum Ende unsicher war das Abschneiden der Grünen. Sie hatten vorab auf einen dritten Ratssitz spekuliert, der aber lange Zeit nicht sicher war. Ebenfalls erst im Schlussspurt der drei Innenstadtwahllokale stand dann fest, dass neben Heinrich Hohls und Oliver Brzink nun auch Dr. Trude Poser in den Rat einziehen wird.

Im Umkehrschluss bedeuteten diese Entwicklungen, dass es bei den beiden großen Fraktionen Abstriche gegeben haben muss. In der Tat standen SPD und CDU lange Zeit während der Auszählung auf Höhe ihrer Mandate von 2016, also neun bei der SPD und sieben bei der CDU. Durch die Verschiebungen zu den Grünen und den Einzelkandidaten büßten beide Fraktionen am Ende jeweils einen Sitz ein, die SPD reduziert sich also auf acht Sitze und die CDU auf sechs Sitze. Die neue Sitzverteilung im Rat ab November ist der Grafik oben rechts zu entnehmen.

Hier zunächst die Übersicht, wie in den einzelnen Wahllokalen des Stadtgebietes gewählt wurde:

Gesamtergebnis Stadt Bad Gandersheim: Wahlbeteiligung: 63,43 %. SPD 41,80 %, CDU 31,70 %, FDP 2,86 %, Grüne 14,05 %, Linke 2,40 %, EB Klein 3,94 %, EB Porde 3,27 %.
Feuerwehrhaus: Wahlbeteiligung: 59,05 %. SPD 41,13 %, CDU 31,46 %, FDP 4,03 %, Grüne 14,94 %, Linke 2,55 %, EB Klein 1,68 %, EB Porde 4,20 %.

Bürgerbüro (Martin-Luther-Haus): Wahlbeteiligung: 57,94 %. SPD 36,56 %, CDU 31,51 %, FDP 4,14 %, Grüne 17,01 %, Linke 3,34 %, EB Klein 3,09 %, EB Porde 4,35 %.

Gymnasium: Wahlbeteiligung: 52,67 %. SPD 31,02 %, CDU 31,24 %, FDP 0,99 %, Grüne 13,83 %, Linke 3,06 %, EB Klein 15,77 %, EB Porde 4,09 %.

Ackenhausen: Wahlbeteiligung: 77,84 %. SPD 22,30 %, CDU 71,62 %, FDP 0,90 %, Grüne 4,28 %, Linke 0,00 %, EB Klein 0,68 %, EB Porde 0,23 %.

Altgandersheim: Wahlbeteiligung: 70,06 %. SPD 57,04 %, CDU 33,47 %, FDP 1,26 %, Grüne 3,91 %, Linke 0,42%, EB Klein 2,37 %, EB Porde 1,53 %.

Clus: Wahlbeteiligung: 89,74 %. SPD 43,78 %, CDU 32,84 %, FDP 1,00 %, Grüne 20,40 %, Linke 0,50%, EB Klein 0,50 %, EB Porde 1,00 %.

Dankelsheim: Wahlbeteiligung: 80,33 %. SPD 62,92 %, CDU 23,02 %, FDP 2,64 %, Grüne 8,26 %, Linke 1,23 %, EB Klein 0,53 %, EB Porde 1,41 %.

Dannhausen: Wahlbeteiligung: 65,38 %. SPD 48,45 %, CDU 25,91 %, FDP 1,30 %, Grüne 16,06 %, Linke 2,85 %, EB Klein 0,78 %, EB Porde 4,66 %.

Ellierode: Wahlbeteiligung: 78,76 %. SPD 58,85 %, CDU 23,08 %, FDP 6,54 %, Grüne 3,85 %, Linke 1,54 %, EB Klein 0,38 %, EB Porde 5,77 %.

Gehrenrode: Wahlbeteiligung: 74,58 %. SPD 44,27 %, CDU 29,01 %, FDP 4,07 %, Grüne 14,76 %, Linke 2,29 %, EB Klein 0,51 %, EB Porde 5,09 %.

Gremsheim: Wahlbeteiligung: 78,83 %. SPD 45,45 %, CDU 41,07 %, FDP 1,88 %, Grüne 3,13 %, Linke 5,64 %, EB Klein 0,31 %, EB Porde 2,51 %.

Hachenhausen: Wahlbeteiligung: 67,72 %. SPD 33,33 %, CDU 35,32 %, FDP 0,40 %, Grüne 26,59 %, Linke 3,57 %, EB Klein 0,40 %, EB Porde 0,40 %.

Harriehausen: Wahlbeteiligung: 70,28 %. SPD 54,61 %, CDU 29,72 %, FDP 3,40 %, Grüne 9,22 %, Linke 0,90 %, EB Klein 0,63 %, EB Porde 1,52 %.

Heckenbeck: Wahlbeteiligung: 72,44 %. SPD 38,82 %, CDU 12,18 %, FDP 3,08 %, Grüne 39,76 %, Linke 4,02 %, EB Klein 1,74 %, EB Porde 0,40 %.

Helmscherode: Wahlbeteiligung: 79,65 %. SPD 27,10 %, CDU 57,63 %, FDP 0,38 %, Grüne 8,78 %, Linke 3,05 %, EB Klein 0,76 %, EB Porde 2,29 %.

Seboldshausen: Wahlbeteiligung: 71,74 %. SPD 41,78 %, CDU 39,16 %, FDP 2,09 %, Grüne 9,14 %, Linke 0,26 %, EB Klein 4,70 %, EB Porde 2,87 %.

Wolperode: Wahlbeteiligung: 82,35 %. SPD 48,43 %, CDU 30,66 %, FDP 1,39 %, Grüne 8,36 %, Linke 1,74 %, EB Klein 4,18 %, EB Porde 5,23 %.

Wrescherode: Wahlbeteiligung: 65,52 %. SPD 51,09 %, CDU 28,10 %, FDP 4,01 %, Grüne 10,83 %, Linke 1,58 %, EB Klein 1,34 %, EB Porde 3,04 %.

Briefwahl I: SPD 41,54 %, CDU 34,34 %, FDP 2,68 %, Grüne 13,48 %, Linke 2,85 %, EB Klein 1,17 %, EB Porde 3,94 %.

Briefwahl II: SPD 37,64 %, CDU 34,10 %, FDP 3,75 %, Grüne 15,85 %, Linke 1,56 %, EB Klein 3,23 %, EB Porde 3,86 %.

Briefwahl III: SPD 41,80 %, CDU 31,70 %, FDP 2,86 %, Grüne 14,05 %, Linke 2,40 %, EB Klein 3,94 %, EB Porde 3,27 %. (Alle Angaben ohne Gewähr!)

Ergebnisanalyse

Im Überblick: Die Wahlbeteiligung war mit 63,43 Prozent gut, wenn auch nicht überragend. Davon kann allenfalls, wie üblich, in einigen Ortsteilen gesprochen werden. Spitzenreiter war wieder Clus mit fast 90 Prozent! Dahinter folgen aber noch eine Reihe von Ortsteilen mit Mitte 70 bis über 80 Prozent. Schlusslichter leider auch diesmal wieder die Stadtwahllokale, die alle unter der 60-Prozent-Marke blieben.

Der SPD gelang es damit, in 16 der 21 Wahllokale die Mehrheit zu gewinnen. Da dies in den Ortsteilen auch mit dem Anspruch verbunden ist, den Ortsvorsteher vorzuschlagen, fällt dies in elf der 15 Ortsteile der SPD zu. In nur noch drei Ortsteilen, Ackenhausen, Hachenhausen und Helmscherode, hat die CDU die Mehrheit erringen können, und in Heckenbeck ist es wiederum knapp den Grünen gelungen, die Mehrheit der Stimmen im Dorf auf sich zu vereinen. Sie dürfen den Ortsvorsteher vorschlagen, wobei eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass der bisherige Vorsteher, Niklas Kielhorn, sein Amt weiterführen kann, wie Äußerungen aus dem Kreis der Grünen im Vorfeld der Wahl nahelegten.

Für den neuen Rat hat die aus den Prozenten resultierende Sitzverteilung bedeutsame Verschiebungen mit sich gebracht. Wie bereits angedeutet reduziert sich die SPD-Fraktion von neun auf acht Sitze. Auch die CDU verlor aufgrund der niedrigeren Prozente einen Sitz. Die Grünen wuchsen auf drei Mandate, hinzu kommen ein Sitz für die FDP sowie jeweils die Einzelbewerber Klein und Porde. Der 21. Ratssitz geht bekanntlich an den Bürgermeister/die Bürgermeisterin.

Sollte sich in zwei Wochen Franziska Schwarz als stärkste Kandidatin aus der Vorrunde auch in der Stichwahl durchsetzen, stünde sie zusammen mit ihrer bisherigen Mehrheit aus der SPD nun vor neuen, schwierigeren Verhältnissen. Die Unterstützung durch die aus dem Rat gefallenen Linken fehlt, zusammen sind von SPD und Bürgermeisterin nur noch neun Stimmen gebündelt, zur Mehrheit sind also immer mindestens zwei weitere Stimmen nötig. Es ist dem Wähler mit der Entscheidung, drei Ratssitze an andere Parteien oder Bewerber zu vergeben, gelungen, diese tatsächlich zum „Zünglein an der Waage“ zu machen. Die Ansage, die größte Ratsfraktion werde sich künftig bemühen müssen, andere Ratsmitglieder zu überzeugen, um ihre Stimmen für Beschlüsse zu gewinnen, ist real geworden.

Das gilt indes auch in umgekehrter Richtung: Zwar verfügt die CDU nur noch über sechs Ratsmandate, kann sich aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre eher sicher sein, die Grünen an ihrer Seite zu wissen, als umgekehrt die SPD darauf setzen könnte. Das versetzt die CDU, mit so zusammen auch neun Mandaten (CDU plus Grüne), in eine gleiche Lage, mit Überzeugungskraft Mehrheiten für eigene Lösungsvorschläge und Beschlüsse auf die Beine zu bekommen.
Kurzum: Die bisherige „Blockbildung“ im Rat ist komplett aufgebrochen und es stehen dem Stadtrat interessante wie chancenreiche fünf Jahre ins Haus.rah