„Die Beweggründe sind so vielfältig wie die Zahl der Betroffenen“

Citymanager Alexander Rudnick über Hintergründe, warum die Transformation der Innenstadt komplex ist

Citymanager Alexander Rudnick.

Bad Gandersheim. Wie Corona nur einem Prozess von vielen, die aktuell in und um die Stadt laufen, das Leben schwer machen kann, erlebt das Citymanagement zu wiederholten Male. Kaum gestartet, kam Alexander Rudnick Corona in die Quere. Damals noch beim Prozess der Bildung einer sogenannten Standortgemeinschaft. Die gibt es inzwischen (GK berichtete jüngst) und für Anfang der letzten Woche war auch ein neuerliches Treffen geplant. Natürlich in Präsenz, weil es nach die vor immer noch der beste und direkteste Weg ist, sich untereinander auszutauschen und eine Problemstellung zu bearbeiten. Doch einmal mehr wurde durch Corona ein Strich durch die Rechnung gemacht. Mindestens in Teilen: Das Treffen konnte zwar abgehalten werden, aber eben nur als Videokonferenz. Und das macht die Dinge nun mal nicht einfacher.

Die Erfahrung ist indes eine beinahe typische für den gesamten Prozess des Citymanagementes. Laut Alexander Rudnick hat dieses so viele Gesichter wie Beteiligte. Die individuellen Verhältnisse seien so verschieden, wie die Vorstellungen der Menschen, wie etwas ist, und wie es vielleicht weitergehen soll.

Das mache es zu einer großen Herausforderung, zu gemeinsamen Handlungsschritten zu kommen.
Der Prozess des Wandels verursache manchen regelrechte Schmerzen. Beispielsweise, wenn darüber eine Auseinandersetzung erfolgen müsse, dass ein einst als Altersabsicherung gedachtes Immobilienengagement nicht mehr funktioniere und nun eine Neuorientierung erfolgen müsse. Oder wenn sich Eigentümer von generationenlang gehaltenem Familienbesitz trennen müssten, um Entwicklungen möglich zu machen. Das falle verständlicherweise oftmals sehr schwer, so Rudnick.

Der Citymanager nannte auch Beispiele für Hemmschuhe, wie sie ihm beim Prozess in Bad Gandersheim begegnen – wie auch andernorts. Viele private Hausbesitzer, deren Innenstadtimmobilie einst ein Geschäft beherbergte, hätten sich mit den Leerständen schon längst arrangiert. Anders, als es die Öffentlichkeit immer wieder verlange und von ihnen erwarte, seien sie gar nicht mehr daran interessiert, den Leerstand wiederzubeleben oder anderweitig zu verwenden.

Rudnick spricht in solchen Fällen von „Gewohnheits-Leerständen“. Die dienen inzwischen zum Beispiel als Abstellfläche oder Lagerraum, manchmal sind sie sogar bereits an im Haus wohnende Mieter zu solchen Zwecken weitervermietet, ein neues Engagement in diesen Flächen ist dann so einfach gar nicht mehr möglich.

Diese Eigentümer seien auch ganz schwer dazu zu bringen, sich ihre Immobilie wieder aktiv in einem Wandlungsprozess in der Innenstadt vorzustellen. Zu Teilen wirkt an ihrer Überzeugung nun die Standortgemeinschaft mit.
Rudnick betonte auch bei dieser Gelegenheit nochmals, man möge sich doch bitte endlich von dem Gedanken verabschieden, Laden-Leerstände durch neue Geschäfts­engagagements zu beheben. Der Zug sei endgültig abgefahren. Auch eine weitere Reduzierung des aktuell noch vorhandenen Einzelhandels sei nicht mehr aufzuhalten.

Was aber kann in einer Innenstadt wie der Bad Gandersheims noch geschehen? Rudnicks Auffassung dazu: Wohnen und Dienstleistungen werden vornehmlich Leerflächen wieder auffüllen können. Grundlage dazu ist aber zuvorderst die Bereitschaft zum Umdenken bei den Immobilienbesitzern und nach grundlegender Bereitschaft die Mitwirkung am Umformungsprozess.

Doch Rudnick und die Standortgemeinschaft treffen nicht nur auf individuelle Lagen, bei denen es zahllose Widerstände zu überwinden gibt, um neue Bewegung zu schaffen. Sie müssen auch mit widrigen Rahmenbedingungen kämpfen. Zum Beispiel sogenannten „blockierten Lagen“. Womit Immobilien gemeint sind, wo Verhältnisse unklar, Eigentümer nicht vor Ort und deren Pläne nicht bekannt sind oder bewusst vorenthalten werden.
Ein solcher Komplex liegt mitten in der Stadt zwischen Moritzstraße und Bleichwiese. Er lässt sich unter derzeitigen Gegebenheiten praktisch nicht in Pläne des Citymanagementes einbinden. In anderen Fällen scheitert Fortschritt am Unwillen zur Mitwirkung einzelner Hauseigner. Oder Projekte scheitern am Denkmalschutz, weil der auf Erhalt des gesamten Gebäudes besteht, und nicht nur der Fassade, hinter der etwas Neues hätte entstehen können.

Kurzum: Es gibt bündelweise Gründe, warum es nicht so schnell, nicht in der gewünschten Richtung oder schlimmstenfalls gar nicht voran kommt. Und doch versuchen Rudnick und die Standortgemeinschaft jeden kleinen positiven Ansatz aufzugreifen und damit den Wandel der Innenstadt voranzutreiben. Und ein paar Erfolge durften auf dem, nun etwas mehr als zweijährigen Weg ja auch schon gefeiert werden.

Die Stadt, so Rudnick auf Nachfrage, begleite den Prozess im Übrigen gut mit. Er bekomme Unterstützung, wo es möglich sei. Im Bauamt liegt dabei eine zentrale Verantwortung. Die Turbulenzen in der Leitung sind dabei sicher – wie Corona – nicht so förderlich gewesen, der Prozess aber immer weitergegangen. Inzwischen steht mit Franziska Vogt die Nachfolgerin für Stefan Mittwoch fest, der die Bauamtsleitung bald verlassen will. Die neue Leiterin wird den Mobilisierungsprozess dann hoffentlich genauso positiv begleiten, wie es die beiden letzten Vorgänger getan haben.rah