„Die Leitidee der SPD muss auch im Erneuerungsprozess erhalten bleiben“

SPD-Ortsvereinsvorsitzende Anja Görlach mit klaren Aussagen beim Neujahrsempfang

Bis auf den letzten Platz besetzt, das Forum des Roswitha-Gymnasiums, beim traditionellen Neujahrsempfang des SPD-Ortsvereins Bad Gandersheim.

Bad Gandersheim. Traditionell lädt der SPD-Ortsverein Bad Gandersheim in den ersten Wochen des Jahres zu einem Neujahrsempfang ein. Im Mittelpunkt stehen Ausführungen der Vorsitzenden Anja Görlach zur politischen Lage und von einem Gastredner zu einem aktuellen Thema. In diesem Jahr war der Intendant der Gandersheimer Domfestspiele Achim Lenz zu Gast, denn die Festspiele feiern ihr 60-jähriges Jubiläum. Verbunden ist das Ganze mit einem Spendenaufruf, in diesem Jahr für die Jugendarbeit der Domfestspiele.

Musikalisch umrahmt wurde der Neujahrsempfang von der Jugendband „Alive“, die viel Beifall bekam.

Ein große Zahl an Ehrengästen war am Sonntagvormittag im Forum des Roswitha-Gymnasiums dabei. So konnte die Vorsitzende unter anderem Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz, den Staatssekretär im Niedersächsischen Umweltministerium Frank Doods, 1. Kreisrat des Landkreises Northeim Dr. Hartmut Heuer und den ehemaligen Intendanten Prof. Johannes Klaus begrüßen.

Vor ihrer beeindruckenden Rede gedachte die SPD-Vorsitzende Anja Görlach dem kürzlich überraschend verstorbenen stellvertretenden Vorsitzenden Uwe Basse. Sie würdigte den Verstorbenen als einen streitbaren, aufrichtigen und liebenswürdigen Menschen, der sich in der Politik stets um das Wohl der sozial Schwächeren bemüht habe. „Uwe packte lieber an, statt zu diskutieren. Ich mache das, du brauchst dich nicht darum zu kümmern“, sei ein Satz den man oft gehört habe.

Anschließend ging Anja Görlach auf die aktuelle politische Situation ein und brachte es gleich auf den Punkt. „Die nächsten elf Monate stecken voller Herausforderungen an uns als Sozialdemokraten, als Europäer, als Bad Gandersheimer, als Menschen und Teil dieser Gesellschaft.

Der Parteivorstand der Bundes-SPD stecke mitten in den Koalitionsverhandlungen. In diesem Zusammenhang wolle sie offen zugeben, dass sie kein Freund davon sei, möglicherweise vier weitere Jahre den Steigbügelhalter von Angela Merkel zu spielen. Die schaffe es seit Jahren wie niemand vor ihr, sozialdemokratische Politik als ihre Leistung zu verkaufen. Das dürfe aber nicht ständig die Ausrede der Partei sein. Das Ergebnis der Bundestagswahl müsse sich die Partei auch selber zuschreiben.

Sie finde es richtig, dass der Parteivorsitzende in der Wahlnacht den Gang in die Opposition angekündigt habe. Sie finde es aber auch richtig, dass er nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen plädiert habe. Es sei kein Wortbruch, sondern die einzig richtige Reaktion in einer veränderten Situation.

Im Rahmen der aktuellen Debatte innerhalb der SPD, und zum anstehenden Mitgliedervotum über einen Koalitionsvertrag, habe sie erlebt wie Mitglieder der Partei tagesaktuell über die verschiedenen Entwicklungen diskutiert hätten. Das Ganze persönlich, leidenschaftlich und zeitgemäß, auch über moderne Kommunikationswege. Nichts habe mit einer zerrissenen oder zerstrittenen Partei zu tun. Ganz im Gegenteil sei das Demokratie, lebendige Demokratie. Sie sei stolz Mitglied einer streitfreudigen Partei zu sein und lasse sich nicht einreden, dass man sich selbst zerlege beziehungsweise demontiere. Wenn nur halb so gerne und offen in unseren Parlamenten diskutiert werde, müsste man sich über Politikverdrossenheit keine Gedanken machen.

Den bevorstehenden Mitgliederentscheid verteidigte sie gegen Kritik. „Wir hier vor Ort sind es, die der Partei ein Gesicht geben und sie lebendig machen. Die Mitglieder wählen die Personen, die dem Parteivorstand angehören und dort die Entscheidungen treffen. Es ist legitim und es ist beispielhaft, dass sie nach ihrer Meinung gefragt werden.“

Und Anja Görlach weiter: „Aber ganz unabhängig von den Entwicklungen in Berlin müssen wir uns als Partei erneuern. Wir müssen daran arbeiten, dass uns wieder deutlich mehr Menschen vertrauen. Ich bin zuversichtlich, dass der Dialog von unten nach oben gewünscht ist und gefestigt werden kann.“

Die SPD habe den Mut, sich den Aufgaben zu stellen. Man drücke sich nicht. Das sei eine Frage von Haltung, und Haltung hätten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer gezeigt, ganz gleich wie schwierig die Zeiten gewesen seien.

Die Leitidee der Sozialdemokratie – das seien: Respekt, Toleranz, durch Gemeinschaft den Einzelnen zu stärken und seine Rechte zu sichern. Einigkeit mache stark. Und das sei auch die Leitidee für den Erneuerungsprozess als Partei. Es sei gut, wenn die Ortsvereine das Herz der Partei seien und bleiben. Dieses Herz müsse schlagen für die Mitglieder aber vor allem für die Menschen im Land. Für Bad Gandersheim könne sie sprechen: „Wir machen hier bereits einen guten Job“.

Man brauche ein starkes Europa, die Zukunft der Arbeit im digitalen Zeitalter, eine Bildungsrevolution, Umweltschutz und Industriepolitik, eine menschliche, vielfältige Gesellschaft, einen starken Staat, der die sozialen Netze aufrechterhalte und die Würde im Alter garantiere.

Die Frage sei, wie Sozialdemokraten das durchsetzen können. In welcher Form, das müsse jetzt in Berlin ausgelotet werden. In allen Entscheidungen erwarte sie Reformwillen, Mut und Weitsichtigkeit von ihrer Partei. Das könne zu neuem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Parteien führen. Kein Weiter so, kein Verwalten des Status Quo. Sie machte keinen Hehl daraus, dass an diesen Versprechungen die Partei sich messen lassen müsse, wenn sie den Koalitionsvertrag vorstelle.

Zum Abschluss ihrer mit viel Beifall aufgenommenen Rede die Parteivorsitzende. „Die SPD hat binnen kürzester Zeit 30.000 neue Mitglieder aufgenommen. Und wir haben Hunderttausende erfahrene Genossinnen und Genossen in unseren Reihen. Gemeinsam werden wir den Erneuerungsprozess der SPD organisatorisch und politisch vorantreiben. Machen wir etwas daraus und nehmen die Menschen in diesem Land auf unserem Weg mit. Sorgen wir für Zusammenhalt und neues Vertrauen. Wir haben viel Arbeit vor uns.“.

Anschließend gab der Intendant der Gandersheimer Domfestspiele Achim Lenz einen interessanten Einblick in die Festspiele und die Probleme von Theater im ländlichen Raum. Dabei ging er auch auf die finanziellen Notwendigkeiten ein.

Jugend und Theater demonstrierte dann der Jugendclub der Domfestspiele die „DOMinos“ unter Leitung der Theaterpädagogin Indra Schiller mit einem Ausschnitt aus „DAS NACH DEM TAG DIE NACHT KOMMT“. Anschließend gab es einen Spendenscheck in Höhe von 2.665 Euro (GK berichtete bereits).ic