Die Tummelburg: Ein besonderes Kapitel

Über Jahrhunderte lagen an dieser Stelle die Bürger mit dem Stift im Clinch / Neues Stromkastenbild

Der neu dekorierte Stromkasten in der Tummelburg mit dem Bild von Familie Thieme.

Bad Gandersheim. Die Stiftskirche überstrahlt die Altstadt mit ihren imposanten Türmen des Westwerks. Die sich anschließende Abtei gehört neben der Stiftskirche zu dem prägendsten Gebäude inmitten des historischen Stadtkerns. Die Abtei mit den Wirtschaftsgebäuden erstreckte sich weit in die Straße „Tummelburg“.
Dieser seltsame Name stammt von einem Gebäude, das einst gegenüber der Abtei stand, wo sich seit 1925 das Ehrenmal für die Kriegsgefallenen erhebt. Die Straße Tummelburg wurde früher auch „Vor dem Hagen“ beziehungsweise später auch als „Damm“ bezeichnet. Der heutige Name geht zurück in das Jahr 1452, als sich die wahlberechtigten Mitglieder des Stiftskapitels nicht auf eine Äbtissin einigen konnten.

Die Mehrheit des Gremiums wählte die Gräfin Walburg von Spiegelberg, eine Minderheit favorisierte die Prinzessin Sophie von Braunschweig. Der Papenkrieg brach aus und die Unstimmigkeiten schwächten das Stift. Die Herzöge setzten die Wahl mit Waffengewalt durch und nahmen die Abtei ein, die Kanoniker wurden vertrieben und ihr Besitz geraubt.

In diesen unruhigen Zeiten nutzte der Stadtmagistrat die Gelegenheit und baute gegenüber der Abtei ein städtisches Gebäude, die Tummelburg. Die Bürger „tummelten“ sich fortan unter den Fenstern der Abtei, konnten sogar in die Gemächer der erbosten Äbtissin schauen. Der Papst wurde zur Klärung des Streites eingeschaltet.

Die Bürger bauten unbeirrbar weiter. Auch der über Gandersheim verhängte Bann 1469 schüchterte die Bürger nicht ein. Zwei Jahre wurden keine Glocken geläutet, weder Messen gelesen, noch kirchliche Bestattungen durchgeführt. Erst nachdem man 1471 zustimmte, das Gebäude innerhalb der kommenden vier Jahre abzureißen, wurde der Bann aufgehoben.

Die Frist verstrich, das Gebäude wurde weiter als „Stadtschreiberei“ genutzt. Der Magistrat ignorierte die Proteste der Äbtissin. Als sich der Stadtschreiber 1616 im Fenster der Tummelburg erhängte und sein Leichnam am Strick vor den Augen der Äbtissin im Wind baumelte, war die Aufregung groß. Der Leichnam wurde entfernt und ein neuer Stadtschreiber zog ein.

Im 17. Jahrhundert zog die Armenschule in die Tummelburg. Der Kinderlärm führte zu erneuten Streitigkeiten zwischen der Äbtissin und dem Stadtmagistrat. Erst nach der Auflösung des Stiftes im Jahre 1821 wurde das Gebäude wegen Baufälligkeit abgerissen.

Auf der östlichen Seite der Straße in Richtung Stadtmauer wurden seit dem 16. Jahrhundert immer wieder Häuser errichtet, die aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zur Abtei nach erfolgreichen Protesten des Stiftes abgerissen wurden. Am Ende der Tummelburg, in der Mündung der Petristraße lag ein Stadtmauerturm. Auch ein Wohnhaus versperrte den Zugang zur heutigen Petristraße.

Auf der südlichen Seite der Tummelburg sind von fünf Hausstellen nur noch zwei bebaut. In dem Buch von Kurt Kronenberg wird auch ein Haus als „Bademutterhaus“ bezeichnet.

Das neueste Bild auf dem Versorgungskasten in der Tummelburg dokumentiert bauliche Veränderungen im Bereich des weiteren Verlaufs der Tummelburg. Die Wirtschaftsgebäude der Domäne wurden zum Teil abgerissen oder umgebaut. Das Haus auf der Ecke Tummelburg/Hagen wurde 1955 abgerissen und durch ein Gebäudekomplex im Stil des Wiederaufbaues errichtet. Nur der Schwellbalken aus dem 17. Jahrhundert, der von dem Haus Hagen Nr. 2 stammt, erinnert noch an die alte Bebauung. Die Straße hat sich in den zurückliegenden Jahrhunderten stark verändert. Sie gehört allerdings zu den gepflegtesten in der Kernstadt.

Der Kur- und Verkehrsverein bedankt sich bei der Familie Thieme für die Übernahme der Kosten. Auch in den Wintermonaten geht die Planung für die Umgestaltung der Versorgungskästen weiter. Interesierte wenden sich bei Bedarf an Liane Goslar, 2. Vorsitzende des Kur- und Verkehrsvereins.red