Drei Gandersheimer Schulen am Freitagmorgen bewacht: Amok-Gerücht sorgt für Polizeieinsatz

Gefahr soll zu keiner Zeit bestanden haben

Bad Gandersheim. Manche Eltern erfuhren es bereits am Donnerstagabend, andere erst Freitagmorgen, nicht wenige auch gar nicht: Aufgrund von Gerüchten, die bis hin zu einer sogenannten „Todesliste“ mit konkret darin benannten Schülern und Schülerinnen gingen, sind Polizeikräfte am Freitagmorgen präventiv tätig geworden, um einen möglicherweise geplanten Amoklauf verhindern zu können. Wie Sandra Schwerdtner als Leiterin des Polizeikommissariates Bad Gandersheim dem GK sagte, waren Kräfte in Zivilfahrzeugen am Freitagmorgen vor Schulbeginn an allen Gandersheimer Schulen aufgefahren und beobachteten die Lage.

Nach umfangreichen Recherchen des Gandersheimer Kreisblattes stellte sich die Lage am Ende so dar: Auslöser des Polizeieinsatzes war am Donnerstag ursächlich die Leitung der Oberschule. Petra Dröge berichtete gegenüber dem GK, dass sie am Donnerstag davon Kenntnis erhalten habe, wie Bus-Schüler auf der Heimfahrt von einer eventuellen Amokdrohung gegen die Oberschule hörten. In Telefonaten sei diese Erkenntnis konkretisiert worden.

Daraufhin hatte die Oberschule die Polizei kontaktiert und Maßnahmen besprochen. Zudem waren die Eltern am Donnerstagabend noch durch die Schule grundlegend informiert worden, dass es am Freitagmorgen eine Vorsorgemaßnahme geben werde.

Nicht bekannt war der Schulleitung dabei, dass gleichartige konkrete Drohungen bereits im Laufe der Vorwoche im Umfeld des Roswitha-Gymnasiums aufgetaucht waren. Sie machten sich an einer Person fest und waren sowohl der Schuldirektion wie auch der Polizei bekannt. Diese Drohungen richteten sich hier aber gegen das Gymnasium und speziell in Listen aufgeführte Schülerinnen und Schüler, für die konkrete Gewaltandrohungen ausgesprochen und in sozialen Netzwerken oder Chats auch dokumentiert waren. Die betroffene Schülerin ist schon seit Tagen nicht mehr in der Schule, hieß es außerdem.
Nach bisherigen Erkenntnissen war dieser Vorgang, der aber als gebannt galt, wohl Auslöser sich verselbständigender Gerüchte. Die Amokdrohung gegen das Gymnasium wurde so wohl auch zu einer gegen die Oberschule.

Tatsächlich bezogen am Freitagmorgen Polizeikräfte, vor allem in Zivilfahrzeugen, vorsichtshalber Position an der Oberschule. Aber nicht nur dort, sondern auch am Gymnasium und an der Grundschule sowie dem Kindergarten „Kunterbunt“ auf dem Gelände des Schulzentrums wurde vorsorglich Streife gefahren.
Nach Momenten größter Unsicherheiten und Sorgen am frühen Freitagmorgen konnte die Lage dann aber offenbar völlig geklärt werden. Sowohl aus dem Roswitha-Gymnasium selbst – wo der Schulbetrieb zwar dezimiert, aber ansonsten normal weiterlief, als auch aus der zuständigen Schulbehörde und dem Polizeikommissariat wurde bereits am frühen Vormittag übereinstimmend gemeldet, dass es keine Gefahrenlage mehr gebe, teilte auch Bianca Trogisch vom

Regionalen Landesamt für Schule und Bildung mit

Aus dem Kreis der Eltern hatte es am Freitagmorgen vor allem teils heftige Kritik gegeben, weil sich Eltern zu spät oder gar nicht über die mögliche Bedrohung informiert sahen, sondern dies zum Teil erst aus Medienveröffentlichungen erfuhren. Umfassend informiert hatte allein die Oberschule ihre Eltern, dass sie eine Vorsichtsmaßnahme aufgrund des Verdachtes auslösen werde. Dazu war den Eltern freigestellt worden, ihre Kinder daheim zu behalten.

Noch vor dem Mittag meldete sich auch das Roswitha-Gymnasium bei den Eltern mit einer Mail. Direktor Kilian Müller bestätigte nochmals, dass aufgrund der Erkenntnisse der Polizei keine Gefahrenlage gegeben habe. Diese habe nach Einschätzung der Polizei auch nie bestanden. Die Schulleitung habe sich deshalb und auch in Abstimmung mit der Polizei und dem Regionalen Landesamt in Braunschweig (Schulaufsicht) entschlossen, keine Informationen an die Eltern und Schülschaft herauszugeben, um unnötige Aufregung zu vermeiden. Das Kollegium sei aber informiert gewesen.

Warum dann der Polizeieinsatz? Die Frage beantwortet die Polizei selbst so: Obwohl es nach polizeilichen Ermittlungen keine Hinweise auf eine reale Gefahr gab, entschied sich die Polizei, in Abstimmung mit der Schulleitung, im Umfeld der beiden Schulen polizeiliche Präsenz zu zeigen, für den Fall, dass besorgte Eltern einen polizeilichen Ansprechpartner benötigten. Intensive Ermittlungen zur Nachverfolgung des Gerüchtes führten zu dem Ergebnis, dass eine Gefahrenlage zu keiner Zeit bestand. Mit den erschienenen Schülern und Schülerinnen führte die Schule einen gemeinsamen Unterricht am Freitag durch, um die Geschehnisse des Morgens zu thematisieren.

Kernthema „Mobbing“

Hinter all dem steht natürlich die Frage nach dem auslösenden Grund. Dass es einen Mobbingfall im Zentrum der Amokgedanken gegeben hat, ist unstrittig. Ob es eine Aufarbeitung geben werde, ist nicht bekannt. Für das Landesamt äußerte sich Pressesprecherin Bianca Trogisch dazu so:

„Dem Roswitha Gymnasium Bad Gandersheim werden nur sehr vereinzelt Fälle von Mobbing zugetragen. Die Schule nimmt alle Hinweise sehr ernst und geht professionell damit um. Wie alle Schulen in Niedersachsen hat auch das Roswitha-Gymnasium ein Präventionskonzept, in dem auch das Thema Mobbing (auch Cyber-Mobbing) eine Rolle spielt. So gibt es regelmäßig Veranstaltungen des Vereins smiley e.V. zum Umgang mit sozialen Medien. Zudem werden Schülerinnen und Schüler zu Busscouts ausgebildet, die an Haltestellen und Bussen durch rechtzeitiges Eingreifen für ein besseres Miteinander sorgen. Auch gibt es in der Schule speziell ausgebildete Streitschlichterinnen und Streitschlichter. Seit 2014 hat das Roswitha Gymnasium ein Mobbing-Interventions-Team, das sowohl präventiv mit den Schülerinnen und Schülern arbeitet als auch in konkreten Fällen unterstützt (Anlaufstelle für Betroffene). Von Mobbing Betroffene können sich zudem an den Beratungslehrer oder die Vertrauenslehrerin wenden.

Die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung unterstützen die Schulen bei Bedarf sowohl präventiv (zum Beispiel durch Aus- und Weiterbildung der Mobbing-Interventionsteams oder der Beratungslehrkräfte) als auch in konkreten Fällen (vor allem schulpsychologisch).

Wir bitten um Verständnis, dass wir uns aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes nicht zu konkreten Fällen äußern können. Seien Sie aber versichert, dass die Schule sich weiter mit der Thematik befassen und den Fall – soweit möglich – aufarbeiten wird. Erste Überlegungen dazu laufen bereits in der Schule, für die Benennung konkreter Maßnahmen ist es aber noch zu früh. Bei Bedarf steht das Regionale Landesamt für Schule und Bildung Braunschweig der Schule beratend und unterstützend zur Seite.“rah