EcoBus: Die Zukunft des Nahverkehrs?

Pilotprojekt in Kernstadt Bad Gandersheim und Gemeindegebiet Kalefeld während der acht Festspielwochen soll Antworten geben

Pressekonferenz in Brunshausen: von links die Bürgermeisterin Franziska Schwarz, Landrätin Astrid Klinkert Kittel, Michael Pascheke, Alice Gebauer und Christoph Brügge vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation

Bad Gandersheim. Dass der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in unserem ländlichen Raum verbesserungswürdig ist, daran besteht seit Längerem kein Zweifel. Nicht umsonst kamen im Zuge der Konzepterstellung für das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) zahlreiche Wünsche und Anregungen zu diesem Thema vor. Nun stehen Bad Gandersheim (mindestens zu Teilen) und die Gemeinde Kalefeld vor einem Pilotversuch, der bei positivem Ausgang mittelfristig daran etwas ändern könnte.

EcoBus heißt das Projekt, das am vergangenen Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Das EcoBus-System wird vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen zusammen mit dem Zweckverband Verkehrsverbund Südniedersachsen (ZVSN) und dem Regionalverband Großraum Braunschweig im Rahmen eines von der EU und dem Land Niedersachsen geförderten Forschungsprojektes „Physik eines integrierten ÖPNV-Systems“ entwickelt.

Zusammengefasst verbindet das Projekt die Vorteile von Buslinien und Taxis. Als Rufsystem fahren die EcoBusse auf Anfrage, wobei der Unterschied zum reinen Taxi darin besteht, dass versucht werden soll, mehrere Fahranfragen sinnvoll zu bündeln. Dafür sind Algorithmen entwickelt worden, die nach Annahme der Fahranfragen in der Lage sind, die ökonomische Route auszurechnen. Die bekommt der Fahrer dann für sein Navigationsgerät übermittelt.

Vorteile gegenüber Linienbus und Taxi sind für das EcoBus-System, dass die Haltestelle da ist, wo der Fahrgast abgeholt werden möchte, der Bus flexibel eingesetzt wird und im Preis – mindestens im Pilotprojekt – an dem gemessen wird, was im Linienverkehr auch fällig wäre. Womit der EcoBus deutlich günstiger ist, als ein Taxi. In Kauf nehmen müssen Fahrgäste andererseits dafür, dass unter Umständen die Fahrt ein wenig länger dauert, wenn die Route mehrere Absetzstellen beinhaltet. Das wäre beim Bus aber auch nicht anders.

Für das Pilotprojekt haben die Beteiligten ein Gebiet gesucht, dass besonders nachholbedürftige Verbindungen hat. Da boten sich die Kernstadt Bad Gandersheims und die Nachbargemeinde Kalefeld geradezu an, denn außer mit dem Schulbus gibt es hier praktisch keine Linienanbindungen. Bad Gandersheim konnte zudem mit den Domfestspielen einen weiteren Anreiz setzen, so dass die Pilotprojektszeit auch genau in den Zeitraum der 60. Festspiele gelegt wurde, also vom 10. Juni bis 5. August.

Sinnigerweise wurde dafür das Projektgebiet um den Bahnhof Kreiensen erweitert, um eine gute Anbindung für Festspielbesucher an den Schienennahverkehr zu ermöglichen. Und neben der Kernstadt Bad Gandersheim ist hier auch noch der Ortsteil Heckenbeck in den „Piloten“ eingebunden worden.

Das übrige Stadtgebiet leider nicht, was die Projektbeteiligten in der Pressekonferenz begründeten. In der Kürze der Zeit – das Projekt sollte unbedingt im Sommer dieses Jahres durchgeführt werden – sei es nicht möglich gewesen, eine Abstimmung mit dem vorhandenen Linienverkehr vorzunehmen. Da dieser kommerziell fährt, hätte es durch das Pilotprojekt eine Konkurrenzsituation gegeben, die weiter vorab geklärt oder durch Ausgleichszahlungen hätte aufgelöst werden müssen. Das sei so kurzfristig nicht möglich gewesen. In den anderen Bereichen gebe es diese Konkurrenzlage mit bestehendem ÖPNV eben nicht.

Trotz der „freiwillig-erzwungenen“ Gebietbeschränkung, die ohne Zweifel Einfluss auf Annahme und Erfolg haben wird, versprechen sich alle Beteiligten aber aufschlussreiche Erfahrungen aus dem Flächenexperiment. Die Domfestspiele, aber auch der Umstand, dass in Bad Gandersheim im Sommer dieses Jahres das Freibad nicht öffnen wird, in Düderode aber ein solches zur Verfügung steht, geben Anlass zur Hoffnung, der EcoBus werde vielfach angefordert werden.

Das kann im Übrigen von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 6 bis 22 Uhr geschehen, am Freitag und Sonnabend dann sogar bis 2 Uhr nachts, am Sonntag immerhin noch bis Mitternacht. Vorteil auch: EcoBus fährt auch in den Schulferien, wo sonst auch die Schulbuslinien ruhen.
Wer den EcoBus nutzen will, kann dies grundlegend auf drei Wegen: Am komfortabelsten mit einer eigenen, kostenlosen App auf dem Smartphone, wo es dann auf die Anforderung auch schnelle eine Rückmeldung gibt, wann der Bus kommt. Dann natürlich per Telefon und zu guter Letzt auch über die EcoBus-Webseite im Internet.

Zur Abholung, für die man an seiner eigenen „Haltestelle“ bereit stehen muss, kommt dann einer der fünf Kleinbusse, die für den Versuch angeschafft werden. Die achtsitzigen Sprinter sind speziell als Busse ausgebaut und können für Verreisende auch Gepäck aufnehmen. 20 Fahrer werden für diesen Versuch tätig, um die Zeiten und den erwarteten Bedarf abdecken zu können.

Reaktionen und Justierungen soll es schon während des Versuches geben. Spannend aber wird es natürlich danach in der Auswertung, denn das Pilotprojekt soll ja zeigen, ob der EcoBus das Zeug hat, als Ergänzung oder Ersatz bestehenden Personennahverkehrs im größeren Rahmen, zum Beispiel kreisweit oder sogar darüber hinaus, zum regulären Einsatz kommen. Beste Bedingung dafür wäre eine starke Annahme des Busses im Pilotprojekt. Alle mit einem Interesse an einem besseren – und günstigen – Nahverkehr haben es damit ein stückweit selbst in der Hand, die Zukunft jetzt mitzugestalten.

Um sie noch stärker einzubinden, haben die Beteiligten Workshops im Angebot. Je einen in Bad Gandersheim und einen in Kalefeld. Der Workshop in Bad Gandersheim findet bereits am kommenden Sonnabend, 14. April, von 10 bis 12 Uhr im Forum der Oberschule statt. Er ist – wie der später folgende in Kalefeld – offen für alle Interessierten. Neben der Vorstellung des Systems, Diskussion und Anregungen gibt es einen Fragebogen, der aber auch noch haushaltsabdeckend verteilt werden soll.

Die beiden Bürgermeister der beteiligten Kommunen, Franziska Schwarz aus Bad Gandersheim und Jens Meyer aus Kalefeld, zeigten sich auf jeden Fall jetzt schon glücklich, für das Pilotprojekt ausgewählt worden zu sein. Beide versprechen sich viel davon und sehen einer spannenden Erprobungsphase entgegen. Insbesondere die Frage des gegenseitigen Austausches zwischen Freibad Düderode und Hallenbad Bad Gandersheim ist darin schon ein interessanter Aspekt.rah