Ein ganz sicher unvergessliches Fest der Konfirmation: Sei, wie Du bist!

„The greatest Show“: Sonnabend wurde ein ganz und gar ungewöhnlicher Konfirmationsgottesdienst gefeiert

Übergabe der Konfirmationsurkunden mit individueller Widmung zum ausgewählten Konfirmationsspruch.

Bad Gandersheim. „Die Konfirmation sollte ein Tag sein, der unvergesslich ist.“ Diesen Satz sagte Pfarrer Thomas Ehgart am Sonnabendnachmittag in der Stiftskirche. Das Ungewöhnliche daran: Er sprach ihn Mitte September aus. Konfirmationen finden indes normalerweise im Frühjahr statt – nur eben nicht 2020, dem Jahr als Corona alles anders werden ließ. Auch die Konfirmation, die im April ausfallen musste. Verschoben zunächst, wobei vor fünf Monaten niemand wusste, auf wann.

Umso größer die Freude und Spannung, als es in den letzten Wochen klar war, dass sie an dem gerade vergangenen Wochenende nun nachgeholt werden könnte. Spannung, die bis zum Ende auch dadurch aufrecht erhalten wurde, weil noch immer wieder etwas hätte dazwischen kommen können. Und wie knapp das war, offenbarte das Pfarreehepaar Ehgart und Bräuer-Ehgart am Sonntag, das bis einen Tag vorher auf den Corona-Test eine Pfarrerkollegen warten musste, um das endgültige OK für den Sonnabend-Gottesdienst zu haben.

Alles gutgegangen. Und noch viel mehr. Angesichts des Umstandes, dass in der Kirche das Kontingent der Menschen, die die Konfirmanden begleiten durften, begrenzt werden musste, hatte die Kirche in einem Kraftakt eine Live-Übertragung des Gottesdienstes auf den Kirchvorplatz möglich gemacht. Die Firma „Sound & Vision“ besorgte die Technik und stellte die Mitarbeiter, die mit mehreren Kameras das Geschehen im Auge behielten. Es war vor der Kirche für eine nochmal so große Zuschauerschaft auf einer Videowand zu sehen, die im Kirchenportal aufgestellt war. Besser ging’s eigentlich gar nicht, um dabei zu sein.
Auch in der Kirche gab es eine Videoleinwand, auf der das Geschehen mitverfolgt werden konnte. Sie hatte aber am Sonnabend auch noch eine ganz andere Rolle, denn der Samstag-Konfirmationsgottesdienst war wohl der außergewöhnlichste, den es je gegeben hat.

Das begann schon damit, dass vor Beginn auf der Leinwand zu lesen war „The greatest Show“. Die Konfirmation als „größte Show“? Wie passt das zu diesem Anlass, mag sich mancher gefragt haben, bevor der Zusammenhang im Verlaufe klar wurde. Ein bisschen mag die Doppeldeutigkeit auch so zutreffend gewesen sein. Ja, dieser Tag war wie eine große Show. Schon durch den ungewöhnlichen Einzug zu lauter Pop-Musik, die – und da waren die Filmkenner dann im Vorteil – dem Kinofilm „The greatest showman“ entstammte. Und dieser sollte noch weiter eine zentrale Rolle im Gottesdienst spielen.
Für alle, die den Film nicht kennen oder nie gesehen haben: Kurz zusammengefasst geht es darin um Menschen, die aufgrund irgendwelcher Besonderheiten ausgegrenzt, verspottet, verletzt werden. Ob wegen der Größe, des Damenbartes, als Albino oder mit anderen Sonderheiten ausgestattet, sie alle wollen eins: Als Menschen gesehen und einfach nur anerkannt werden.

Bekanntester Song aus dem Film ist vielleicht das anrührende „This is me“ („Das bin ich!“) als selbstbewusster Aufschrei gegen die Missachtung und Aufbruch in die eigene Freiheit. Das Video mit deutscher Übersetzung wurde auf der Videowand gezeigt und schlug in ebenso beeindruckender wie gelungener Weise die Brücke zum Anlass der Konfirmation. Es symbolisierte etwas, was junge Menschen im Konfirmationsalter auch gut kennen: Mit dem, was man ist, zufrieden und mit sich und der Welt im Reinen zu sein.

Gerade im frühen Jugendalter sei es oft mit viel Überwindung verbunden, man selbst zu sein, so Meike Bräuer-Ehgart. In jedem Menschen gebe es aber auch eine andere Schönheit, als die, welche so oft im Spiegel betrachtet und an äußere Vorgaben angepasst werde. Jeder habe etwas Besonderes in sich. „Du bist schön, und ich sehe das!“, rief sie den Jugendlichen zu.

Mit dieser Einstellung ließen sich die Gitterstäbe des Gefängnisses aus Ängsten zerbrechen. So befreit zu sein, heiße aber nicht, nur für sich selbst frei zu sein. Gefangener und Wärter befänden sich schließlich im selben Gefängnis, wirklich frei sei man nur, wenn die anderen es auch seien. Die beiden Pfarrer wollten mit diesen Worten die Konfirmanden ermuntern, sich zu so zeigen, wie sei seien, und dabei auch für andere einzustehen, die das vielleicht noch nicht können.
Sie formulierten dies auch in einem Konfirmationsversprechen, in dem die Konfirmanden laut bekräftigten, nach dieser Einstellung handeln zu wollen. Mehr noch, auch die Beschützer und Begleiter, die Erwachsenen wurden gebeten, sich ihrerseits als Vorbilder dem Versprechen anzuschließen, was gemeinsam geschah.

Durch Corona erfolgte die Ausgabe der Konfirmationsurkunden und kleinen Kreuze diesmal nicht an alle Konfirmanden als Gruppe vor dem Altar. Statt dessen war die Sitzordnung so gewählt worden, dass die Konfirmanden im Mittelschiff am Gang saßen. Das Pfarrerpaar und zwei Begleiterinnen aus dem Kirchenvorstand kam so zu jedem einzelnen Konfirmanden und lasen den Konfirmationsspruch vor, zu dem es dann individuelle Widmungen gab. Gab es schon während der vorangegangenen Ansprachen hier und dort kleine Träne, rührte dies viele noch einmal mehr an, als in manch früheren Jahren.
Drei Elternvertreter gaben den nun Konfirmierten ihre Segenswünsche mit auf den Weg. Warum einer solcher Aufwand?, lautete eine Frage. Weil es ein schönes, unvergessliches Fest werden solle. Weil die Kirche die Konfirmierten nun als Erwachsene betrachte, auch wenn sie es für die Eltern noch lange nicht sein würden.

„Macht Euch keinen Sorgen, vor allem nicht zu viele, über das, was alles passieren könnte“, so ein Wunsch. Die Jugendlichen sollten statt dessen auf ihre Stärken vertrauen, Erfahrungen sammeln und aus diesen lernen.

Steine hatte die Vertreterin des Kirchenvorstandes, Christina Hoffmann-Gräsche, in den Mittelpunkt ihres Grußwortes gestellt. Sie machte das an verschiedenen Sprüchen fest, die es mit Steinen gebe, wie den Tropfen auf den heißen Stein oder einen Stein ins Rollen zu bringen. Einen kleinen Stein als Andenken an diesen Tag gab es dazu für alle Konfirmierten am Ende.

Und noch einen zweiten Konfirmationsabschnitt am Sonntagmorgen, mit einer anderen Ausrichtung und anderem Ablauf, aber nochmals der wieder gern in Anspruch genommenen Videowand. So oder so: Dieses Konfirmationsfest wird allen, die dabei waren, ganz gewiss unvergesslich bleiben.rah