Ein Luther-Theaterstück zum Nachdenken

„Evangelio“ – der Beitrag der Domfestspiele zum Lutherjahr lief am Wochenende in der St. Georgskirche

Eine zentrale Szene des Stücks ist der symbolische Anschlag der 95 Thesen in Wittenberg.

Bad Gandersheim. Natürlich wollten auch die Domfestspiele sich dem Wunsch, einen Beitrag zum Lutherjahr zu liefern, nicht verschließen. In den Sommer habe das aber nicht mehr gepasst, sagte Intendant Achim Lenz, so übernahm das erst im Januar dieses Jahres neu gegründete ExtraEnsemble, eine Gruppe schauspielbegeisterter Laien, die von Theaterpädagogin Indra Schiller geleitet werden, die Aufgabe.

Keine einfache, wie sich zeigte, denn „Evangelio“ ist ein sogenanntes Chortheaterstück.
Damit werden Inszenierungen bezeichnet, die das chorische Sprechen als prägendes Element einsetzen. Genau das aber muss entsprechend trainiert und synchronisiert sein. Eine wahre Herausforderung vor dem Hintergrund, dass die Proben seit Januar nur einmal wöchentlich für zwei Stunden stattfanden. Kurz vor der Premiere dann natürlich etwas intensiver.
In der Auseinandersetzung mit Texten von und über Martin Luther entstanden so die Szenen zu „Evangelio“, die eine Inszenierung der Gruppe im Mittelpunkt haben sollten. Das ExtraEnsemble sollte dabei wie „in schwarmartiger Erzähler, Akteur und Figur in einem“ fungieren.

„Evangelio“ dreht sich um Luther. In Szenenabschnitten beschäftigt sich das Stück mit seiner Person, der Haltung zum Ablass, was ein sehr zentrales Anliegen des Stückes zu sein schien, zu Tetzel, seinem Widerpart und Auslöser des „Lutherschen Lärmens“, zu falschen Reliquien und seiner Sicht auf Evangelium und Götter. Auch die Thesen finden natürlich ihren Platz, symbolisch werden sie im Stück an die Kirchenwand geklatscht und einige von ihnen auch zitiert.

Die Kirchenwand hat zudem noch eine weitere Rolle: sie ist Leinwand für Projektionen, die szenenunterstützend großflächig dort abgespielt werden. Mit dem Problem für manche Zuschauer im vorderen Bereich des als Sitzplätze verkauften Mittelschiffs, dass sie von den seitlich auf die Wand geworfenen Projektionen nicht viel oder nur schwer etwas mitbekamen, weil man dazu den Kopf weit drehen musste.

Die 13 Mitwirkenden des Stückes – Katharina Abeler, Lothar Germer, Magnus Heitmann, Caroline Linke, Kristin Mössinger-Germer, Charissa Müller-Hedt, Karin Renneberg, Rolf Renneberg, Jeanette Schmitz, Carsten Schneck, Hartmut Stüber sowie Gustav und Manuela von der Ehe – nutzten ebenfalls die ganze Spielfläche der Kirche. Da waren die Mitspieler auch mal direkt in den Bankreihen, im hinteren Bereich, auf der hohen Kanzel oder im Schlussbild sogar dem Hohen Chor, so man diesen in der St. Georgskirche so nennen kann, zu finden.

Insgesamt darf von einem gelungenen Erstlingswerk des ExtraEnsembles gesprochen werden. Zwar mag es manchem Zuschauer anfangs schwer gefallen sein, sich in Inhalt und Iszenierungsstil hin­einzufinden, doch am Ende wurde die Aussage deutlich und Luther war im Stück greifbar geworden.

Am Freitag war die Premiere gefeiert worden, Sonnabend und Sonntag gab es noch zwei weitere Aufführungen, das war es dann auch schon wieder mit „Evangelio“. Weitere Aufführungen sind zur Zeit zumindest nicht geplant.

Das ExtraEnsemble aber besteht natürlich weiter, es soll fester Bestandteil der nunmehr ganzjährigen Domfestspiel-Aktivitäten sein. Intendant Achim Lenz dankte am Ende neben den Darstellern, Indra Schiller und Jens Witzke, der die Technik betreute, auch der Stiftskirchengemeinde, die den Spielort zur Verfügung gestellt hatte.

Die betreuende Theaterpädagopgik, so sein ergänzender Hinweis, ist ganzjährig im Amt. Nicht nur für die nächste Inszenierung mit dem ExtraEnsemble, sondern auch für den ganz jungen Theaternachwuchs in Vorbereitung der kommenden 60. Domfestspiele.rah