Ein Stückchen „Hambacher Forst“ im Heckenbecktal: Protest gegen Baumfällungen

Heckenbecker bewachen Areal in ihrer Gemarkung gegen Zugriff durch Tennet-Baumroder / Gerichtsentscheid schwebt noch

Viel los ist derzeit im Wald oberhalb von Heckenbeck: Die Protestler lassen den Bereich ganztags nicht aus den Augen und treffen sich immer wieder vor Ort.

Heckenbeck. Ein bisschen was hat es vom Hambacher Forst, was da seit Tagen und auch am Anfang dieser Woche im Heckenbecktal passiert. Nicht in der übergeordneten Bedeutungsschwere wohl, macht Ricarda Polzin den Unterschied deutlich, aber von Stimmung und Mitteln sehr wohl.

In diesem Frühjahr sollen das Heckenbecker Hochtal und das Leinetal, wenn es nach den Plänen des Netzbetreibers Tennet geht, von einschneidenden Baumaßnahmen betroffen werden, gegen die es seit vielen Jahren großen Widerstand in der Bevölkerung gibt.

Der Planfeststellungsbeschluss für die 380 kV Höchstspannungsfreileitung ist rechtskräftig, jedoch kann die anhängige Rüge am Bundesverwaltungsgericht noch zu dessen Aufhebung führen. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht im Juli die Klage zweier Heckenbecker Waldeigentümer abgewiesen hatte, haben diese eine Rüge bei eben diesem Gericht eingereicht. Diese Rüge ist, obwohl schon ein halbes Jahr vergangen ist, bisher unbeantwortet geblieben – üblich sind sonst ein bis drei Monate. Aufschiebende Wirkung hat das aber für die Baumaßnahmen nicht und so plant die Tennet, in den kommenden Tagen mit den Rodungsarbeiten zu beginnen. Eine Zustimmung der Waldeigentümer liegt hierfür nicht vor, daher wurde der Besitz zwangsweise durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport eingewiesen, so die Behördenformulierung für eine Form, die einer Enteignung nahekommt.

Für die betroffenen Eigentümer sowie für die ebenfalls betroffene Bevölkerung ist das Vorgehen, dass schon jetzt mit den Arbeiten begonnen werden soll, unverantwortlich, da es rechtlich noch zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses kommen kann. „Die Bevölkerung zweifelt nach wie vor an der Sinnhaftigkeit der Leitung, die erst als Durchleitung definiert wurde, dann als Versorgungsleitung und schließlich als ‘Ausfallreserve’ definiert wurde. Sie sehen sich weder von der Politik, noch von der Tennet und auch nicht vor Gericht mit ihren Anliegen ernst genommen, dadurch gibt es auch weiterhin Widerstand gegen den Bau einer Leitung, die Landschaft zerstört, die Menschen starken elektromagnetischen Wechselfeldern und damit Gesundheitsrisiken aussetzt sowie Flora und Fauna eine weitere Beeinträchtigung zumutet“, macht Ricarda Polzin als Sprecherin des Protestes in Heckenbeck deutlich.

Die Prüfung der Variante B01-9 (eine weiter westliche Trasse mit direkter Anbindung an das Pumpspeicherwerk Erzhausen), die die Stadt Bad Gandersheim schon im Erörterungstermin 2017 vorgeschlagen hat und die der Verein „Bürger pro Erdkabel Harzvorland e.V.“ in Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern weiter ausgearbeitet hat, wurde auch vor Gericht einfordert. Die Vorhabensträgerin Tennet hat die Prüfung dieser Variante stets abgelehnt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sah sich die zuständige Genehmigungsbehörde dann genötigt, in einem ergänzenden Planfeststellungsbeschluss mit sehr allgemeinen Worten auf diese Variante einzugehen, um ein Kippen des Beschlusses vor Gericht noch eben zu verhindern.

Viele Menschen aus der Region hatten gehofft, dass über das Gerichtsverfahren eine für Mensch und Natur verträglichere Variante zum Tragen kommen könnte, dass Argumente Gehör fänden, die zuvor von der Vorhabenträgerin und der Planfeststellungsbehörde ignoriert wurden, diese Hoffnung wurde bisher enttäuscht.
Im Leinetal zeigt sich, dass auch nach Jahren der Auseinandersetzung ein plötzliches, mittlerweile unerwartetes Umdenken seitens der Vorhabenträgerin einsetzen kann. Tennet sei jetzt aufgefallen, dass sich aus ihrer Erdkabelplanung um Erzhausen ein dauerhaftes Problem ergeben würde, das seit langem von der Bevölkerung aufgezeigt wurde. Dieses ließe sich durch eine Verschiebung zum Selters hin auflösen.

Warum die Forderungen nach Verschiebung des Erdkabels erst jetzt Gehör findet bleibt den Heckenbeckern unerklärt. Michael Becke als Vorsitzender des Vereins „Bürger pro Erdkabel Harzvorland e.V.“ freute sich über diese Entwicklung in Erzhausen. An anderer Stelle geht sein Einsatz und das Ringen um Naturschutz und Planungsfehler weiter. Für Heckenbeck fordert der Verein, dass kein Schaden durch Baumaßnahmen und Rodung angerichtet wird, so lange weder die Besitzeinweisung noch die Rüge gerichtlich geklärt sind.

Dass dies so kommt, ist Anliegen zahlreicher Protestler, die seit dem letzten Donnerstag im Heckenbecktal und auf dem Bergrücken im Einsatz sind und den Forst gegen aus ihrer Sicht unberechtigten Zugriff schützen. Mit Mitteln, wie sie auch im Hambacher Forst zum Einsatz gekommen sind. So finden sich die Protestler – trotz des starken Windes der letzten Zeit – sogar in Bäumen und nahe der Wipfel.

„Unser Ziel ist, die Tennet bis Ende Februar am Fällen irgendwelcher Bäume im Bereich der Gemarkung Heckenbeck zu hindern, solange vom Gericht keine Stellungnahme da ist, welche Auswirkung die Rüge des BVG-Urteils hat“, macht Polzin deutlich. Eine zeit- und kraftaufwändige Aktion, in der sich die zahlreichen Aktivisten im Protest umschichtig ablösen.

Am Freitag ging es am Berg schon mal lebhaft zu: Vertreter der Tennet waren gekommen, sogar der Projektleiter aus Bayreuth angereist, ein „Harvester“ – Großmaschine zur industriellen Baumfällung – stand bereit. Tennet wollte beginnen, wich aber zurück, nachdem die Heckenbecker auf das schwebende Verfahren verwiesen.
Auch die Polizei sei am Berg im Einsatz gewesen, das habe mit einer plötzlich aufgetauchten Weide für Ponys im geplanten Abholzungsbereich zu tun gehabt. Zum Wochenende kehrte Ruhe ein, die Heckenbecker haben den Berg seither nie allein gelassen und wollen dies bis Anfang März auch so halten. Zumal am Montag auf der Nordseite des Bergrückens nach Dankelsheim hin der Harvester wieder da war und Baumfällungen in einem Bereich vornehmen sollte, für den der Gerichtseinspruch nicht gilt. Mit Wachen im Wald sicherten sich die Heckenbecker ab, dass Tennet nicht „durch die Hintertür“ ins Heckenbecktal kommen.

Noch während des Protestes am Montag gab es auch wieder Kontakte mit der Tennet: Projektleiter Jens Siegmann ist mit Ricarda Polzin immer wieder im Gespräch, wobei sich beide Seiten nicht in die Karten schauen lassen, aber immerhin noch die Gesprächsebene haben.

Verwiesen wurde im Gespräch auch auf weitere Umstände, die nun von der Unteren Naturschutzbehörde begutachtet werden müssen und gegebenenfalls bei Fällarbeiten, sollten diese doch genehmigt werden, beachtet werden müssen. Bis Montagmittag ergab sich mindestens rechtlich kein neuer Stand.

In Heckenbeck ist der Wunsch nach einer weitsichtigen Politik, die eine dezentrale Energieversorgung fördert, wie sie für regenerative Energieformen angemessen ist, weit verbreitet. Seit den Klimaprotesten sind diese Gedanken auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen und die Politik ist in Bewegung. Eine Neuorientierung des gesamten Energiesektors steht bevor. Welcher Stellenwert den Interessen der großen Konzernen eingeräumt wird und welcher den Bürgern, den nachfolgenden Generationen und der Natur zukommen wird, muss sich noch zeigen.rah