Kritik von TINA FIBIGER

Ein wunderbar verspieltes Abenteuer

Peter Pan auf der Dombühne

Käpt’n Hook (Marco Luca Castelli) schmiedet Rachepläne gegen Peter Pan. Matrose Smee (Fehmi Göklü) scheint’s zu gefallen, während Fee Glöckchen (Florentine Kühne) noch zweifelnd schaut.

Bad Gandersheim. Prinzessinnen zu befreien ist natürlich viel spannender als Schlafen. Sich vorzustellen, jetzt in die Rolle von Robin Hood zu schlüpfen oder Schneewittchen wach zu küssen und dann noch dem fiesen Voldemort mal eben auszutricksen. Wendy (Samira Julia Calder) kennt so viele tolle Geschichten, mit denen sie die Fantasie ihres kleinen Bruders John (Jan Rogler) beflügelt.

Damit durch das Schlafzimmer zu toben ist nochmal ein extra Spaß, wenn jetzt die Kuschelkissen durch die Luft segeln und dann der riesige Plüschbär. Auch die Bettdecke ist ein prima Requisit, um sich jetzt in eine dieser Figuren hineinzuträumen. Noch ist Peter Pan ( Stephan Luethy) nicht in Sicht, mit dem Wendy und John auf der Dombühne ja noch ganz andere abenteuerliche Geschichten erleben werden, wenn sie dem gefürchteten Piraten Käpt’n Hook (Marco Luca Castelli) und seinem Gefährten Smee (Fehmi Göklu) begegnen. Mit den verlorenen Jungs (Ivo Schneider, Katarzyna Gorczyca, Patryk Durski) werden sie die schöne Tigerlilly ( Felicitas Heyerick) befreien und mit Glöckchen (Florentine Kühne) eine Fee erleben, die sich nicht besonders zauberhaft aufführt. Wunderbar turbulent, verspielt und fantasievoll geht es ja schon zu Beginn des Kinder- und Familienstückes zu. Das lädt einfach zum Mitspielen ein und hält dann sogar die Eltern von der klassischen Gute Nacht-Ansage ab. Dann ist Felicitas Heyerick auch keine fürsorgliche Mrs. Darling mehr sondern die herrlich grummelnde Frau Malthzahn wie bei Jim Kopf.

Da kann sich Marco Luca Castelli als leicht genervter Mr. Darling, der gleich noch einen Abend bei seinem Chef durchstehen muss, auch nicht mehr so richtig durchsetzen. Aber dann übernimmt sowieso der Junge, der nicht erwachsen werden will, das Ruder… Mit Regisseurin Sarah Speiser und Dramaturgin Jennifer Traum, die für die Dombühne eine eigene Stückfassung entwickelt haben, hat dieser Peter Pan zwei ebenso abenteuerlustig- kreative Gefährtinnen an seiner Seite, die ihrem Publikum das Theater als fantastischen Ort zum Spielen und Träumen entdecken. Ein weiteres kreatives Dreamteam bilden Karen Briem und Sandra Becker, die die Abenteuer von Peter Pan ausgestattet haben. Die beiden riesigen Kinderbetten bilden jetzt einen schrägen Turm, während sich die Wand zum Domportal öffnet.

Auf geht’s nach Nimmerland und in die Piratenwelt, die natürlich nur im Flug zu erreichen ist. Und so rollen Wendy und John jetzt auf zwei Gestellen, die mit Wolken verziert wurden, in ihre Entdeckungsreise und doch so, als ob sie wirklich fliegen könnten. Die Zuschauer kommen auch dann aus dem Staunen nicht mehr heraus, als das Piratenschiff auf die Bühne rollt. Was da alles an Zutaten für eine sturm-erprobte Fregatte zum Einsatz kommt. Stuhlreste und ein Podest, CD-Ständer und ein Liegestuhl. Und wer sich fragt, was da die Kräutertöpfe zu suchen haben, erlebt später einen schwer verunsicherten Küchenchef, der sich angesichts der verwirrenden Befehle seines Käpt’n schon mal einen Beruhigungstee gönnt. Natürlich ist auch das Krokodil immer wieder zur Stelle, dass Hook am liebsten komplett verspeisen würde.

Es rollt dann zum Vergnügen der großen und kleinen Theaterfans als mobiles Gestell mit Fahrer über die Bühne und der kann seine Schnauze auch richtig groß aufreißen und wieder zuklappen lassen. Peter Pans Begeisterung für Wendy, die ihre Erzählungen mit so vielen Helden aus Kinderbüchern und Filmen verwebt , beflügelt nun die verlorenen Jungs und diese Inselwelt von Nimmerland, wo die kleine Meerjungfrau Arielle ebenso zum Spielen und Träumen verführt wie die Geschichten von Meerhexen und chinesischen Prinzessinnen. Aber es geht bei diesem Theaterabenteuer auch um Freundschaften und kleine Mutproben, die das Vertrauen zueinander bestärken und dass selbst hinter der schönsten Geschichte ein paar Hindernisse lauern.

Dass Wendy als couragierte Erzählerin so viele schöne Motive zum Herumtoben und Spaßhaben stiftet, passt der eifersüchtigen Fee überhaupt nicht, die in einer schön verwirrenden Fantasiesprache munter wispert, quietscht und quengelt und das freundschaftliche Chaos am liebsten sabotieren würde. Ihr finsterer Plan geht natürlich nicht auf. Doch ein Freund wie Peter Pan steht ihr dann auch mit Hilfe der Zuschauer zur Seite, wenn es ihr an den Kragen geht. Die müssen jetzt einfach mal an Feen glauben und an Feenstaub, der so schön verzaubert, dass man damit fliegen kann, um dann Piraten auszutricksen und mit einsamen Jungs die schönsten Verstecke zu erkunden. Schon bei den Proben hätten Regisseurin Sarah Speiser und Jennifer Traum am liebsten auf der Bühne mitgespielt.

Das ist auch kein Wunder bei diesem Ensemble, dass seine Figuren mit so viel Begeisterung und Spielfreunde ausstattet, dass man am liebsten mit ihnen zusammen toben und herumturnen möchte, ganz viele Gesichter und Stimmungen ausprobieren, auf Wolkengestellen träumen oder das Bettgestell wie einen gewaltigen Berg besteigen. Aber selbst wenn Wendy am Ende feststellt, dass Erwachsenwerden vielleicht doch nicht so schlimm ist, heißt das ja noch lange nicht, dass Fantasiereisen und Traumabenteuer nur was für Kinder sind. Auch darin begeistert dieses Theaterabenteuer mit einem wunderbar leichtsinnigen und enthusiastischen Peter Pan, der so gern in Erzählungen eintaucht und dabei halt nicht älter werden mag. Da macht schon die Vorstellung Spaß, mal für einen Moment mit ihm zu tauschen und sich von seinen Abenteuern einfach fröhlich beflügeln zu lassen.tf

Bad Gandersheim

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