Eine Lesung der ganz anderen Art

Autorin Margarete von Schwarzkopf las nicht eine Zeile und beeindruckte damit umso mehr

Gebannt lauschten die Zuhörer Margarete von Schwarzkopf in Brunshausen.

Brunshausen. Lesungen sind für Buchautoren gute Gelegenheiten, Interessierten ihre Bücher näher zu bringen und damit auch den Verkauf anzukurbeln. Üblicherweise werden dazu Auszüge aus den Büchern gelesen, um sich einen Eindruck von Handlung, Akteuren und Schreibstil machen zu können. Sicher war mancher Zuhörer am Donnerstagabend in ebensolcher Erwartung nach Brunshausen gekommen, um der Lesung mit Autorin Margarete von Schwarzkopf beizuwohnen. Diese Erwartung wurde enttäuscht: Die Autorin las nicht eine Zeile! Und doch verließen nach 90 Minuten nur begeisterte Zuhörer die Veranstaltung. Wie konnte das geschehen?

Die Antwort liegt in der Person der Autorin selbst. In Bad Gandersheim weilte sie nicht zum ersten Mal, denn es verbindet sie mit der Roswithastadt schon ihre Tätigkeit als Mitglied der Literaturpreis-Jury. Daneben ist sie vielen kulturbeflissenen Fernsehzuschauern als eloquente Moderatorin von Kulturberichten und -sendungen des NDR ein Begriff. Und nun schreibt sie seit einigen Jahren nicht nur an verschiedensten Bücher (dies schon seit den 80er Jahren), sondern neuerdings auch Kriminalromane. Derer zwei sind 2017 und 2018 erscheinen: „Moormann“ und „Schattenhöhle“.

Der Anstoß dazu sei vom Verlag gekommen, und traf bei Schwarzkopf durchaus auf einen Nerv. Wenn aber Kriminalroman, dann müsse es dazu einen geschichtlichen Hintergrund geben, bat sie sich aus und nahm Bezug auf ihre Recherchen für das Buch „Der Traum vom Weltreich. Geschichte und Geschichten zur Personalunion Hannover-England, 1714 bis 1837“, das 2014 erschienen ist.

Über das Buch sei sie – so schilderte sie einem von Anfang an in den Bann gezogenen Publikum – auch mit Details in Kontakt gekommen wie einer genauen Kartographie, die von Bereichen Norddeutschlands durch englische  Kartographen angefertigt wurde. So fanden Geschichtshintergrund und Spielort für den ersten Roman „Moormann“ zusammen.

Das Moor mit seinem Geheimnis aus dem 18. Jahrhundert, der Zeit, wo es in den Karten eines englischen Kartographen erfasst wird, liegt bei Aspe, einem kleinen Ort zwischen Bremervörde und Buxtehude. Die Handlung des Buches spielt aber durchaus in der Gegenwart, in der das Geheimnis aus dem 18. Jahrhundert wieder zutage tritt: „Kunsthistorikerin Anna Bentorp hat sich in der Abgeschiedenheit eines niedersächsischen Moores ein malerisches Häuschen gemietet, um ungestört alte Karten der Region zu studieren. Doch die Ruhe bleibt ihr verwehrt: Es häufen sich merkwürdige Todesfälle und Ereignisse, die alle im Zusammenhang mit einem verschollenen Schatz zu stehen scheinen. Immer tiefer gräbt sich Anna in die Recherche über die rätselhaften Karten, bis sie von den Geschehnissen der Vergangenheit eingeholt wird und selbst in Gefahr gerät.“

Die Brücke zum zweiten Roman „Schattenhöhle“ schlagen die beiden Protagonisten Anna Bentorp und Kommissar Schumann, die es beide diesmal in den Ith beziehungsweise nach Hameln verschlägt: „Kunsthistorikerin Anna Bentorp stößt in einem Schloss im Ith auf ein ebenso kostbares wie mysteriöses Bild, das einen Hinweis auf einen verschollenen Schatz gibt. Dessen Schicksal ist eng verflochten mit einer sagenumwobenen Höhle – und mit dem Tod mehrerer Menschen. Anna taucht tief in eine verstörende Vergangenheit ein, doch sie kann nicht verhindern, dass es weitere Tote gibt.“

Ein Krimi im Ith, das sei für den Verlag neu gewesen, freute sich die Autorin bei der Lesung. Auf die Höhle sei sie durch einen Reportageauftrag gekommen. Es gebe im Ith tatsächlich eine Höhle, in der früher offenbar Opferrituale abgehalten worden seien, wie man an Knochenfunden beweisen konnte. Das mache den Ort gruselig genug und zum idealen Ausgangspunkt von Verbrechen, die in dem Roman ihren Lauf nehmen.

In beiden Fällen verknüpft die Autorin immer zwei Zeitebenen: Die des 18. Jahrhunderts und der Gegenwart. Der Leser wird mal in die eine, mal die andere Zeit entführt und mit Fortlauf der Dinge verschränken sich die Zeiten und Ereignisse, bis sie im Ergebnis eins werden.

Das alles schilderte Margarete von Schwarzkopf den Zuhörern in Brunshausen mit vielen Details aus dem geschichtlichen Hintergrund, eloquent und mit großer Tiefe aus dem Gedächtnis abgespult, sodass die Lesung streckenweise wie ein Exkurs in die Geschichte wirkte. Immer wieder streute die Autorin außerdem Anekdoten und kleine Randbegebenheiten ein, die zum Thema passten und dem Zuhörer Einblick in die Schreib- und Gefühlswelt der Autorin vermittelten.

Rund 90 Minuten unterhielt die gebürtige Bayerin, die mit einem Norddeutschen verheiratet ist und vier ihrer sechs Kinder in Hannover zur Welt brachte, die Zuhörer, die keine Sekunde die Chance hatten, wohlmöglich der Langeweile zu erliegen. Wer es nicht schon wusste, hätte es nicht im Traum geahnt, dass die Autorin im vergangenen Jahr ihren 70. Geburtstag gefeiert hat.

Und so gelang ihr, was andere Autoren auch mit Lesungen kaum schaffen: Sie hatte offenbar bei den Zuhörern ein so großes Interesse geweckt, die Bücher nun eben auch selbst zu lesen, dass Gitta Wiese-Günther von der Buchhandlung Pieper, die dankenswerterweise am Rande der Lesung einen Büchertisch aufgestellt hatte, binnen kürzester Zeit die 20 mitgebrachten Exemplare verkauft hatte.

Womit der Bedarf nicht gedeckt war. Nun lag es im Interesse der meisten Zuhörer, auch eine persönliche Widmung der Autorin zu bekommen. Schnell und gern kam Margarete von Schwarzkopf der Bitte nach, weitere Widmungen als Einleger der Buchhandlung zu übersenden, die dann mit seit heute wieder vorrätigen Exemplaren mit abgegeben werden können.

Bürgermeisterin Franziska Schwarz die der von der Stadt initiierten Lesung ebenso beiwohnte, bedankte sich bei der Autorin mit einem Roswitha-Wein. Der Kontakt zur Roswithastadt wird weiter bestehen bleiben, nächste Berührungen gibt es, wenn die kommende Literaturpreisträgerin zu finden sein wird. Und auch die Anregung, Bad Gandersheim und Umgebung mal zum Platz eines ihrer Romane zu machen, will sie im Herzen bewegen. Zunächst aber geht es woanders hin, denn der dritte Band ist bereits in Arbeit und soll auch einige in den ersten beiden Romanen offen gebliebene Fragen beantworten. Erscheinungstermin ist noch in diesem Jahr.rah