Eiscafé-Projekt an Hildesheimer Straße scheitert an Stimmen-Patt im Rat

Ablehnungen beziehen sich auf Grundstückverkauf sowie Bauen im Überschwemmungsgebiet

Der gewünschte Erweiterungsbau (der links außerhalb des Bildes anschließen würde) für ein Eiscafé an der Hildesheimer Straße wird nach der Ratsablehnung wohl nun nicht mehr kommen.

Bad Gandersheim. Der Schock saß tief, es fehlten Architekt Konstantin Sander und Eiscafé-Besitzerin Ajete Mucilli streckenweise auch einfach die Worte für das, was sie da eben an Fiasko im Rat hatten hinnehmen müssen. Und selbst Ratsmitglieder hatten Mühe, in Worte zu fassen, wie man die gerade getroffene ablehnende Entscheidung begründen könne und zu verstehen habe.

Zu einem umfassenden Verständnis gehört die Vorgeschichte: Die Eiscafébetreiberfamilie Mucilli hatte schon vor knapp zwei Jahren einen ersten Versuch unternommen, an der Hildesheimer Straße mit einem festen Bau einen Cafébetrieb als erweiterte Existenzgrundlage zu schaffen. Dieser erste Bauentwurf traf aber im Rat auf weniger Gegenliebe, weil die beabsichtigte Zweigeschossigkeit – die Betreiber wollten im Obergeschoss wohnen – an dieser Stelle als zu wuchtig angesehen und mehrheitlich abgelehnt wurde.

Vom selben Architekten gab es dann einen zweiten Entwurf, in dem die Wünsche des Rates bereits Berücksichtigung fanden, aber auch diesmal gab es noch kein „Go“ für das Projekt. So war es bereits der zweite Architekt und der dritte Entwurf, als Konstantin Sander am Donnerstag erneut im Rat einen Anlauf nahm, einen positiven Bescheid zu erlangen, damit der Cafébau zur Landesgartenschau noch stehen könnte.

Die planerischen Vorarbeiten, so Sander, seien dafür geleistet worden. Man habe mit dem Landkreis alle notwendigen Punkte geklärt und die entsprechenden Gutachten, wie ein hydraulisches, beibringen können. Sander stellte einen eingeschossigen Cafébau mit rund 200 Quadratmetern Fläche vor. 20 Meter lang, zehn Meter breit, platziert gleich im Anschluss an die bestehende überdachte Terrasse des aktuellen Eiscafés parallel zur Hildesheimer Straße.
Das ganze in moderner Stahlträgerbauweise, die sich an das anlehne, was wenig weiter als Anbau an eine historische Villa eine perfekte Verbindung moderner und alter Architektur verkörpere. Die fast umlaufende Verglasung schaffe eine Durchsichtig- und Leichtigkeit, die den Bau an der Stelle nicht zu schwer erscheinen lasse und den Gästen den Eindruck vermittele, selbst inmitten der Kuranlage zu sitzen.

Wenn der Rat nun den Weg mit positiver Entscheidung freimachen könne, werde das Projekt noch im Herbst begonnen und zur Landesgartenschau betriebsfertig sein, so Sander zum möglichen Zeitplan.

SPD-Fraktionschef Niklas Kielhorn sagte anschließend, die Stadt könne dankbar für jeden sein, der investieren wolle. Das Engagement könne man sicher auch als Nebeneffekt der Landesgartenschau sehen, die investives Interesse auslöse. Das sei gut für die Stadt, und darauf solle diese auch zugehen.
Gebaut werden sollte das alles auf privatem Grund. Ein Stück Fläche von rund 700 Quadratmetern hätten die Mucillis dazu gern von der Stadt erstanden. Und daran schieden sich unter anderem im Rat die Geister. In den Reihen aller Fraktionen gab es offenbar Gegner eines Verkaufes von städtischem Grund im Bereich Kurgebiet.

So kündigte Kielhorn an, dass seine Fraktion in dieser Sache unterschiedlich abstimmen werde. Zudem wolle die Fraktion beantragen, dass in die Beschlussfassung die Festschreibung der Nutzung als Eiscafé aufgenommen werde.

Weitere Rückfragen aus dem Rat richteten sich auf den Punkt Hochwasserschutz und Überschwemmungsgebiet. Architekt Konstantin Sander hatte erläutert, das Bauvorhaben liege an der Grenze des Überschwemmungsgebietes eines 100-jährigen Hochwassers. Die durch den Bau entstehende Verdrängung von rund 18 Kubikmetern könne aber direkt um das Gebäude mit Geländemodellierung wieder ausgeglichen werden. Ansonsten habe es bei den genehmigenden Behörden keine Bedenken gegen das Vorhaben an dieser Stelle gegeben.

Intensiver diskutiert wurde die Lage des Objektes. Es sollte sich laut Planung an die bestehende überdachte Terrasse anschließen. Der Kiosk mit Eisverkauf gehört einem privaten Verpächter, der wiederum aber bei der Stadt einen Vertrag auf Erbpacht hat, und diese noch zwei Jahre Laufzeit. Der Kiosk würde also in weiteren Planungen des neuen Eiscafés keine Rolle mehr spielen und wäre theoretisch später völlig obsolet.

Mehrheitlich vertraten Ratsmitglieder daher den Ansatz, das Ziel für die Zukunft sein sollte, den Kiosk möglicherweise ganz verschwinden zu lassen und die heute überdachte Terrasse wieder zu einem Freisitz zu machen. Der Eiscafé-Neubau würde als Solitärgebäude bleiben. Dies erschien in der Diskussion als kompromissfähigster Ansatz, den Ratsherr Heinrich Hohls beantragte, als Passus in den Beschluss einzufügen.

Vor einer – von der Bürgermeisterin beantragten – Sitzungsunterbrechung äußerten sich zwei Ratsmitglieder dazu, warum sie gegen das Projekt stimmen würden: Sowohl Rudolf Hermes (CDU) als auch Norbert Braun (SPD) bekräftigten dabei, dass sie ein Bauen im Überschwemmungsgebiet grundsätzlich ablehnten.

Nach der Sitzungsunterbrechung wurden die beiden Anträge von Niklas Kielhorn und Heinrich Hohls abgestimmt. Dabei gab es mit acht Ja-Stimmen, sechs Nein-Stimmen und einer Enthaltung eine knappe Mehrheit für die Änderung des Beschlussvorschlags.

Umso überraschender dann das Gesamtabstimmungsergebnis über den Beschlussvorschlag, das Projekt wie vorgestellt durch den Rat befürworten und mit Verkauf des Grundstücks auf den Weg zu bringen: Es endete mit einem Stimmenpatt von je sieben Ja- und sieben Nein-Stimmen sowie einer Enthaltung. Bei Stimmengleichheit gilt ein Beschluss indes als abgelehnt. Die Abstimmung musste zudem zweimal geprüft werden, weil bei der ersten Auszählung eine (im zweiten Durchgang zustimmende) Stimme übersehen worden war.

So oder so reichte dies aber nicht, das Projekt war am Rat gescheitert. Beschlusspunkte, die eine Ablehnung erfahren haben, können frühestens nach sechs Monaten in den Rat zurückkehren. Das wäre im Januar. Zu spät für die Familie Mucilli, um eine Umsetzungs­chance bis zur Landesgartenschau zu haben. Zum aktuellen Zeitpunkt ist damit völlig offen, ob das Projekt damit gestorben ist oder es noch Wege gibt, das seit zwei Jahren angestrebte Ziel doch noch zu erreichen. Entsprechend groß war die Betroffenheit nach der Ratssitzung.

Stimmen und Begründungen nach der Entscheidung

In tiefster Enttäuschung gaben Konstantin Sander und Ajete Mucilli direkt nach der Ratssitzung immer wieder ihrem Unverständnis darüber Ausdruck, dass man das Vorhaben seitens des Landkreises und ebenso bei der Bauverwaltung der Stadt immer „positiv begleitet“ habe. Dort sei nie der Eindruck erweckt worden, es sei nicht erwünscht oder nicht realisierbar, sondern alle Beteiligten hätten sich bemüht, Lösungen zu eröffnen. Nicht im Traum habe er nun erwartet, dass der Rat dem derart gespalten gegenüberstehe, es aber mindestens doch eine Mehrheit gäbe, die das Projekt wolle, so Sander.

Zu den fast tragischen Umständen des Beschlusses gehört dabei auch, dass er in einer gesondert und kurzfristig angesetzten Ratssitzung gefasst wurde, in der fünf Ratsmitglieder fehlten: Allein vier davon mit Timo Dröge, Hendrik Geske, Gunda Sälzer und Ulrike Pferdmenges aus der CDU, außerdem SPD-Ratsfrau Anja Görlach. Es mag dieser zufälligen Konstellation geschuldet sein, dass am Ende der Abstimmung das ablehnende Patt stand und nicht ein klarer Beschluss – ob in der einen oder anderen Richtung.

Zu denen, die am Ende gegen den Beschluss zum Verkauf stimmten, gehörte auch Bürgermeisterin Franziska Schwarz selbst. Ihr Abstimmungsverhalten begründete Schwarz mit ihrer grundlegend schon immer in dieser Sache vertretenen Haltung, keinen Quadratmeter Grund aus dem Kurbereich mehr in Privathand verkaufen zu wollen. Das resultiere nicht zuletzt aus den schlechten Erfahrungen, die die Stadt bis heute mit in Privathand abgegebenem Stadtgut verfolgen. Als äußerster Kompromiss wäre allenfalls ein Erbpachtvertrag denkbar gewesen, der aber wäre für die Projektierer keine Option gewesen.
Skepsis habe sie außerdem wegen der Lage im Überschwemmungsbereich gehabt. Das Objekt befinde sich an neuralgischer Stelle, das sei nicht zu leugnen. Mehrfach habe die Stadt versucht, das Interesse daher auch auf andere Objekte, auch Leerstände zu lenken, die Betreiber hätten sich aber auf diesen Standort fixiert.

Den Vorwurf, die Verwaltung habe den Eindruck erweckt, es laufe alles in positiven Bahnen und müsse somit zur Zustimmung führen, relativierte Schwarz unter dem Hinweis auf den Ratsbeschluss. Wenn dieser der Verwaltung vorgebe, sie habe den Prozess eines Projektes entsprechend zu begleiten, dann könnten sich zum Beispiel Bauamtsmitarbeiter gar nicht anders verhalten als sie es in diesem Fall getan hätten.

Was es jedoch auf keinen Fall gegeben habe, seien irgendwelche Erfolgsversprechen oder gar Zusagen, die nun durch den anderslautenden Ratsbeschluss hinfällig geworden seien. Dergleichen habe es an keiner Stelle gegeben – außer in persönlicher Empfindung Betroffener vielleicht.hei