von Tina Fibiger

Endlich gibt es wieder Theater mit dem „Dschungelbuch“

Das Familienabenteuer bei den Gandersheimer Domfestspielen

Vor King Louies (Tim Müller, hängend) Höhle: Protagonist Mogli (Stephan Luethy) wird von zwei Affen flankiert (Deike Darrelmann, links/Sarah Kornfeld, rechts).

Bad Gandersheim. „Endlich wieder Theater“, freut sich Intendant Achim Lenz. Die Begeisterung ist auch bei „Mogli“ und seinen wölfischen Gefährten zu spüren, wie sie über die Bühne toben, verstecken spielen und den Dschungel als abenteuerliche Welt erleben. „Balu“ brummelt zwar ein bisschen über das fröhliche Chaos, aber er ist schließlich kein Brummbär sondern ein manchmal gern belehrender Naschbar. So richtig zur Ordnung rufen mag er seinen kleinen Schützling dann doch nicht, der sich bei seinen tierischen Freunden so wunderbar geborgen fühlt. Für ihn kann es kein schöneres zu Hause als den Urwald geben, selbst wenn manche Urwaldbewohner sich schon bald von ihrer finsteren Seite zeigen.

Für „Das Dschungelbuch“ und die Inszenierung von Sarah Speiser hat Bühnenbildnerin Sabet Regnery eine fantasievolle Kulisse mit langen Röhren in Grüntönen und Ockerfarben geschaffen. Toben lässt sich auch auf dem Gestell, das die Wolfshöhle markiert oder dann auf einem weiteren Gestell, das ebenfalls mit vielen bunten Röhren verblendet wurde und später nicht nur zum Verstecken gebraucht wird sondern auch für die ein oder andere Fluchtroute. Aber jetzt wird erst einmal Moglis Geschichte erzählt, und wie der Panther Bagira das Waisenkind vor den Klauen des gefürchteten Tigers Shir Khan rettete, damit es in der Gemeinschaft der Wölfe Schutz und Geborgenheit findet und so viele liebenswerte Freunde.

So fantasievoll wie das Bühnenbild, aus dem auch mal Honig geschlürft wird, ist auch die Stückfassung, die Regisseurin Sarah Speiser und Dramaturgin Jennifer Traum aus Rudyard Kiplings Erzählung entwickelt haben. Es geht um eine abenteuerliche Welt, in der auf das freundschaftliche Miteinander Verlass ist, das immer wieder neu bestärkt und ermutigt, sich auch für seltsame oder riskante Begegnungen zu begeistern. Mit dieser Begeisterung ist auch Stephan Luethy als Mogli unterwegs, der seine Umgebung wie ein kleiner Kobold immer wieder befeuert. Eigentlich müsste er sich jetzt in die sichere Obhut von Menschen begeben, aber wie soll das gehen an der Seite einer fürsorglich mahnenden Baghira (Denise Kiesow) oder nach diesem schelmischen Schlagabtausch mit Jan Kämmerer, dessen Balu immer eine Umarmung wert ist und gern auch ein gemeinsames Tänzchen.

Musikalisch werden die Abenteurer durch die Kompositionen von Ferdinand von Seebach ebenfalls immer wieder beflügelt, sei es durch Dschungelsounds, in denen es quäkt, röhrt und grollt oder dann im Rhythmus eines Stepptanzes. Herrlich grooven lässt es sich auf Bärentatzen an der Seite eines quirligen Kobolds, befeuert von einem begeisterten Publikum, das am liebsten mittanzen möchte. Da mag sich Max Jellinek als Tiger Shir Khan so richtig schön zum Fürchten wild und gefährlich gebärden, aber da begeistert eben auch der Klang seiner Baritonstimme. So wie sich Shari Lynn Stewen, als ebenso listiger wie ängstlicher Schakal „Tabaqui“, in die Gefolgschaft Shir Khans begibt, wird sie zum koboldhaften Gegenpart für Mogli, der sich eben nicht bei jeder Gelegenheit duckt, dann vorübergehend auch der magischen Wirkung der Schlange Kaa (Zoe Staubli) erliegt und von der Affenbande um King Louie (Tim Müller) und seinen machtgierigen Gefährten (Deike Darrelmann) entführt wird.

Aber selbst dann finden sich weitere hilfreiche Gefährten, die vom Publikum begeistert gefeiert werden, wie sie versuchen, mit Takt und Würde als Schutzpatrouille für die Dschungelwelt über die Bühne zu stampfen. Rosa Elefanten auf der Dombühne, die kann es eben nur im Dschungelbuch geben, die mit ihren Rüsseln drohende Gefahren nicht nur wegtröten sondern auch wegduschen. Die fantasievollen Kostüme von Sandra Becker beflügeln neben der Fantasie der Zuschauer natürlich auch die des Ensembles, das in den grauen Overalls der Wölfe ebenso viel spielerisches Vergnügen ausstrahlt wie mit Elefanten- oder Bärenohren, mit glänzend blauen Tigerkrallen oder mit einem endlos langen gelben Schlangenkörper.

Der schlängelt und windet sich auch um Mogli, bis es zu einem weiteren freundschaftlichen Bündnis kommt, und die Dschungelbewohner das glückliche Finale ihres Dschungelabenteuers auf der Dombühne feiern. Wahrscheinlich sehnen sie, ähnlich wie ihr Publikum, bereits das nächste gemeinsame Abenteuer herbei, das sie in ihrer Freundschaft bestärkt und ermutigt.red