Etatplan vertragskonform / Verschiebung gescheitert

Haushaltsdefizit im Plan für 2019 verstößt nicht direkt gegen den Zukunftsvertrag / Droht ohne Steuererhöhung neue Schuldenfalle?

Bad Gandersheim. Eigentlich sollte die außerordentliche Ratssitzung am Dienstagabend nur dazu dienen, festzustellen, ob die Stadt Bad Gandersheim mit dem kommenden Etatplan 2019 gegen die Vorschriften des Zukunftsvertrages verstoßen hat. Diese Frage wollte die CDU-Fraktion am Dienstag klären und hatte zu diesem Zwecke eine außerordentliche Sitzung beantragt. Fraktionschef Timo Dröge war es wichtig, dies vor der ordentlichen Ratssitzung am Donnerstag geklärt zu haben.

Über weite Strecken gelang es anfangs der Ratsvorsitzenden Ingrid Lohmann, die Diskussion auf den fraglichen Punkt zu fokussieren. Doch im Verlaufe der zweistündigen Sitzung konnte auch sie dann nicht mehr verhindern, dass am Dienstagabend bereits eine vorgezogene Haushaltsdebatte geführt wurde, die an sich in die Sitzung am heutigen Abend gehört hätte.

In der Begründung des CDU-Antrages sagte Timo Dröge, seit Einbringung des Haushaltsplanes wisse man, dass eine rund 40-prozentige Erhöhung der Grundsteuer geplant sei. Als Grund wurde dafür angeführt, dass man zur Erfüllung des Zukunftsvertrages den Haushaltsausgleich erreichen müsse. Bislang gebe es aber keine rechtliche Bewertung, warum oder ob tatsächlich überhaupt gegen den Zukunftsvertrag verstoßen werde.

Es habe ein Gespräch beim Innenministerium in Hannover gegeben, dass zeitlich allerdings so unglücklich gelegen habe, dass er nicht daran habe teilnehmen können. Im Ergebnis dieses Gespräches sei nun nur noch eine 20-prozentige Erhöhung in Rede. Aber auch das sei für die CDU noch zu viel. In einem Telefonat mit dem Innenministerium habe Dröge nach eigener Aussage die Auskunft erhalten, dass die Stadt mit ihrem Etatplan eigentlich gegen gar nichts verstoße.

Eine Erhöhung der Grundsteuern treffe jeden, bis hin zu den kleinen Mietern. Er appelliere daher auch an das soziale Gewissen, ob man so etwas wirklich wolle. Nach Dröges Ansicht sei es auf jeden Fall der falsche Ansatz, solange es noch andere Möglichkeiten gäbe.

Die Ratsfrau der SPD, Anna-Madeleine Feg, zeigte sich hingegen verwundert, dass nach dem zur Klärung eben dieses Sachverhaltes organisierten Gespräch in Hannover diese Sonderratssitzung überhaupt noch nötig gewesen sei. Die Antworten auf die Fragen Dröges seien dort alle gegeben worden, und für die CDU waren die Ratsmitglieder Karin Albig und Rudolf Hermes zugegen. Tatsächlich sei in Hannover von der Stadt keine Steuererhöhung gefordert worden. Diese seien allerdings der eigene Versuch der Stadt, das derzeit zu erwartende Defizit möglichst nicht über die Grenze von eine Million Euro schnellen zu lassen, was mit einer Erhöhung um 20 Prozent erreichbar wäre.

SPD-Ratsfraktionsvorsitzender Jürgen Steinhoff sagte, niemand habe behauptet dass die Grundsteuer wegen des Zukunftsvertrages erhöht werden müsse. Einen solchen Zusammenhang gebe es nicht. Zudem befänden sich alle Ratsmitglieder im Besitz des Zukunftsvertrages und sollten diesen daher auch kennen. Niemand im Rat stelle den Vertrag wohl infrage.

CDU-Ratsmitglied Rudolf Hermes berichtete, er habe bei dem Gespräch in Hannover in keiner Weise den Eindruck gehabt, dass das Land der Stadt Hilfe verweigern wolle. Es habe sogar Verständnis gegeben, dass die ursprünglich geplante Höhe der Grundsteueranhebung auf Widerstand stoße. Sozusagen als Kompromiss sei eine Anhebung um 20 Prozent angeregt worden.

Niklas Kielhorn aus der SPD-Fraktion antwortete auf die Frage aus der CDU-Fraktion, warum für das Jahr 2018 nicht schon eine Sonderbedarfszuweisung beantragt worden sei, dass dies im aktuellen Haushalt nichts zur Verbesserung der Lage hätte beitragen können. Der Knackpunkt in der gesamten Diskussion sei der Paragraf 110 des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes, in dem die Ausgleichspflicht für Haushalte in den Kommunen festgelegt ist. Wohl dürfe ein Etatplan ein Defizit ausweisen, dieses müsse allerdings im Laufe des Haushaltsjahres ausgeglichen werden können. Bei einem zu erwartenden Defizit von einer Million Euro sei dies aber sehr wahrscheinlich nicht einmal im Laufe der Folgejahre möglich.

CDU-Fraktionschef Timo Dröge sah in der Forderung des Haushaltsausgleichs auch das einzige Argument. Allerdings stehe in besagtem Paragrafen auch, dass die Kommune nicht für unvorhergesehene Mehrausgaben oder durch Fremdverschulden entstandene Kosten verantwortlich gemacht werden könne. Dritte seien es, die für Mehrkosten in der Stadt sorgten und diese eigentlich auch auszugleichen hätten. Die Schuld sah Dröge beim Land. Er fragte sich, was in solchen Fällen passiere und wo die Grenzen der Belastbarkeit erreicht seien. Die Forderung „überdurchschnittliche Grundsteuern“ erheben zu müssen habe die Stadt längst erfüllt.

Nach Dröges Ansicht sei inzwischen aus der gesamten Lage ein „Argumentationsdreieck“ entstanden: Es verbindet die sechs Millionen Förderung für die Landesgartenschau mit dem Zukunftsvertrag und der Grundsteuererhöhung, obwohl die drei ursächlich nichts miteinander zu tun haben. Genau dies habe man eigentlich gern verhindern wollen. Die Linie der CDU sei: LGS Ja, Steueranhebungen Nein.

SPD-Ratsfrau Feg wies Dröge darauf hin, dass die Beitragsfreiheit für Kindertagesstätten vom Land nicht als „unvorhergesehen“ betrachtet würde, da die Einführung angekündigt erfolgt sei. Es sei bereits ein großes Zugeständnis, dass seitens des Innenministeriums für den Etatplan 2019 ein Defizit von rund einer Million Euro als genehmigungsfähig avisiert wurde.

Kämmererin Claudia Bastian führte auf Nachfragen aus, dass laut Zukunftsvertrag der Haushalt der Stadt ausgeglichene Ergebnisse und auch Überschüsse zum Schuldenabbau auszuweisen habe. Im Nachtragsvertrag habe es eine kleine Relativierung gegeben, die es erlaubt, in der Planung noch Defizite auszuweisen, solange diese im laufenden Haushaltsjahr ausgeglichen werden können. Die Kämmererin bestätigte erneut, dass vom Land nie eine Steuererhöhung direkt gefordert worden sei.

Bastian berichtete weiter, dass gegenüber dem Jahr 2016 die Kosten im Kindertagesstättenbereich 2019 um 700.000 Euro höher liegen. Darin sind allerdings nur rund 100.000 Euro der Beitragsfreiheit geschuldet. Die übrigen Kosten fußen allesamt auf Ratsbeschlüssen zum Ausbau der Kindertagesstätten. Die Ausrichtung der Landesgartenschau sei in keiner Weise am Defizit 2019 beteiligt.

CDU-Ratsherr Hendrik Geske bekräftigte, der Rat stehe zu den Ausbaubeschlüssen. Die Stadt Bad Gandersheim müsse aber beim Land nochmals nachbohren und auf den vollen Ausgleich der Kosten durch die Beitragsfreiheit für Kindertagesstätten drängen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Bürgermeisterin Franziska Schwarz aus der Debatte zurückgehalten. Nun wies sie in einem kurzen Rückblick darauf hin, dass ein harter Sparkurs und die früher als geplant erreichte Konsolidierung der Stadt beim Land einen Vertrauensvorschuss verschafft haben. Dieser solle jetzt nicht leichtfertig verspielt werden. Schulden müssten irgendwann wieder beglichen werden, und jeder im Rat wisse, dass dies umso schwerer falle, je höher sie seien. Daher wolle sie unbedingt vermeiden, eine neue Spirale der Verschuldung in Gang zu setzen. Der Haushaltsausgleich sei immer das unbedingte Ziel.

Schwarz erinnerte daran, dass der Nachtrag zum Zukunftsvertrag wegen der durch die Landesgartenschau erwarteten Defizite abgeschlossen worden sei. Dies sei aber nicht der Grund für die aktuellen Haushaltsfehlbeträge. Das Land fordere den Haushaltsausgleich zum Schutz der Stadt vor einem erneuten Abrutschen in die Schuldenfalle. Das Defizit ruhe auf verschiedenen Säulen: Investitionen im Kindergartenbereich, den Kosten der Hochwasser im Sommer, der geplanten Sanierung des Freibades und nicht zuletzt der Rückstufung der Stadt bei den Förderquoten für geplante Investitionen. Alle Ausgaben im Etat seien ja schließlich vom Rat gewollt und anderes mehr auch. Auf der anderen Seite könne nicht überall etwas weggespart werden, so bleibe nur der Weg über Mehreinnahmen, und hier sei die Grundsteuer nun einmal eine der wenigen Stellschrauben, an der die Stadt noch drehen könne.

Zur Frage der von der CDU geforderten Nachverhandlungen fragte sich Schwarz, was man sich davon verspreche. Weitere Geschenke des Landes solle man nicht erwarten, sondern selbst ehrlich damit umgehen, dass alles etwas kostet, was der Rat selbst für die Stadt beschlossen habe.

Nach einer Sitzungsunterbrechung beantragte die CDU-Fraktion, die Etatberatungen am heutigen Donnerstag nicht zu führen und den Ratsbeschluss über den Haushaltsplan 2019 in den Januar zu verschieben. Stattdessen solle die Verwaltung einen weiteren Gesprächstermin in Hannover vereinbaren, um dort noch einmal intensiv Möglichkeiten auszuloten, Hilfe des Landes bei der Reduzierung des Defizits zu erhalten. Nach Ansicht von Timo Dröge habe die Stadt gute Karten und sollte diese jetzt auch spielen.

SPD Ratsfraktionschef Jürgen Steinhoff bezeichnete den Antrag als populistisch. Die Aussagen in Hannover seien klar und deutlich gewesen, die SPD werde einen solchen Antrag nicht mittragen.

Nachdem ein Antrag auf geheime Abstimmung keine Mehrheit fand, ergab die namentliche Abstimmung ein klares Ergebnis gegen eine Verschiebung des Etatbeschlusses. 13 Ratsmitglieder lehnten den CDU-Antrag ab, acht Ratsmitglieder (CDU und AfD) stimmten dafür. Nach gut zwei Stunden Sonderratssitzung stand damit fest, dass am heutigen Donnerstag über den Haushalt 2019 beraten und beschlossen werden soll. Mit beinahe schon vorhersehbarem Ergebnis.rah