Frauen netzwerken in geselliger Atmosphäre

1. Gandersheimer „Ladies Night“ bot Plattform zu Gedankenaustausch und Kontaktpflege / Impulsvortrag und Förderung lokaler Projekte

Professor Dr. Susanne Ertle-Straub während ihres Vortrags, rechts die beiden Initiatoren der ersten Gandersheimer „Ladies Night“, Franziska Vogt und Bettina Plock-Girmann.

Bad Gandersheim. Geglückte Premiere: Rund 90 weibliche Gäste aus der örtlichen Wirtschaft, Politik und dem städtischen Zusammenleben haben am Freitag bei der ersten Gandersheimer „Ladies Night“ inspirierende Stunden in einem kommunikativen Ambiente verlebt. Netzwerken in geselliger Atmosphäre war angesagt. Die Veranstaltung stand auch für besonderes gesellschaftliches Engagement zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger. Für Gesprächsstoff sorgte Professor Dr. Susanne Ertle-Straub von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst am Standort Holzminden mit einem Impulsvortrag.

Begrüßt wurden die Gäste von den Initiatorinnen Bettina Plock-Girmann und Franziska Vogt. „Neben Geselligkeit soll auch die persönliche Weiterentwicklung im Vordergrund stehen“, benannte Plock-Girmann ein wichtiges Ziel der Veranstaltung. Mit der Premiere werde der Grundstein für ein jährlich wiederkehrendes Event gelegt, das zum einen an Teilnehmern aber auch in Bezug auf die Inhalte weiter wachsen soll.

Alle eingeworbenen Spenden werden unmittelbar für Projekte in der Stadt Bad Gandersheim und ihren Dörfern eingesetzt. Bei der Premiere haben sich die Organisatoren bewusst für mehrere kleine Projekte entschieden, die für die Kinder- und Jugendarbeit eine Plattform und einen Mehrwert schaffen. „Wir können ganz stolz mitteilen, dass wir mehr als 7.000 Euro mit ihrer Hilfe eingenommen haben“, berichtete Vogt unter lautem Beifall, bevor Mitglieder und Repräsentanten der geförderten Projekte und Institutionen ihre Ziele und Arbeit vorstellten.

Unterstützt wird die Umwelt-AG des Roswitha-Gymnasiums, deren Teilnehmer in Eigenverantwortung einen Grünstreifen des Schulhofs mit blühenden Pflanzen bestücken und pflegen sowie Insektenhäuser bauen möchten. Eine Zuwendung gibt es für das Projekt „Cyber Mobbing“ der Oberschule Bad Gandersheim, das Kinder und Jugendliche darüber informiert, wie sie sich sicher in sozialen Netzwerken bewegen. Gefördert wird ebenso der viel frequentierte Jugendraum in Altgandersheim, der für die Landjugend eine wichtige Anlaufstelle ist. Dort steht unter anderem die Verlegung eines Fußbodens an.

Weitere Unterstützung gibt es für die Jugend in den Vereinen SV 09 Altgandersheim TV Vater Jahn Ackenhausen und SV Schwarz-Weiß e.V. von 1929 Harriehausen. Von einem Teil des Geldes soll außerdem eine Aktion unterstützt werden, bei der Mütter und Kinder im November Obstbäume pflanzen können. „Die Kinder können immer wieder vorbeikommen, sehen wie die Bäume größer werden, irgendwann die Früchte probieren und haben immer wieder Anlaufstellen und ein Gemeinschaftsprojekt“, so Vogt. Angedacht ist, künftig Frauen in Form von Stipendien zu fördern, die an einer Gandersheimer Schule ihren Abschluss machen und sich anschließend zum Beispiel für Frauenprojekte im Inland aber auch im Ausland einsetzen.

Tipps für einen erfolgreichen Berufsweg waren ein Schwerpunkt im Impulsvortrag von Professor Ertle-Straub, die den Teilnehmerinnen zuvor Stationen aus ihrem persönlichen Werdegang schilderte. Sie absolvierte eine Banklehre, studierte anschließend Betriebswirtschaftslehre mit dem Fokus Banken und Immobilienwirtschaft. Danach ging sie zu einer Immobilientochter der Deutschen Bank nach Frankfurt. Dort hatte sie „einen Traumjob“, erlebte aber auch, dass man als Frau einsam auf Vorstandsetagen ist. Sie wechselte als Assistentin des Vorstandsvorsitzenden der Immobilientochter der Allianz Versicherung nach Stuttgart. In dieser Funktion durfte sie vor dem gesamten Konzernvorstand bestimmte Immobilienprojekte vorstellen. Mit Chauffeur wurde sie nach München gefahren und „war nervös ohne Ende“.

Ertle-Straub: „Meine Performance war ganz gut, aber da war eine Atmosphäre von gefühlt minus zehn Grad auf der Etage“. Ansonsten habe es keine Frauen auf diesen Ebenen gegeben. Ihre höchste Position war bei einer Immobilientochter der Dresdner Bank, wo sie Bereichsleiterin direkt unter der Geschäftsleitung war. „Ich hatte alle Insignien der Macht, habe mich dann für Familie entschieden und bekam 1995 einen Sohn“, so die Professorin.

Nach einem halben Jahr wollte sie ins Arbeitsleben zurückkehren, einen Tag oder zwei Tage ins Büro und den Rest der Aufgaben über Homeoffice, Laptop und die Medien abwickeln. Ihr zuständiger Geschäftsführer sei kurzfristig durch einen anderen ersetzt worden. Der neue Geschäftsführer habe ihr gesagt: „Sie können hier ganz oder gar nicht“. Er habe sich auf Absprachen nicht eingelassen und sie nach Hause geschickt.

Die erste Ausfahrt mit ihrem Sohn mit Kinderwagen sei „nicht prickelnd gewesen“. Ich war ein schickes, schnelles Auto gewöhnt. Dann mit dem Kinderwagen um die Kurven herum, das war für mich eine echte Herausforderung“. Ertle-Straub: „Das hat eine Weile gebraucht, bis ich verstanden habe, das ist mein Kind und ich habe die Verantwortung“. Es sei eine Zeit gekommen, „wo ich ein bisschen frustriert war“.

Eingekauft habe sie in einem Gemüseladen, der von einer Frau übernommen worden sei. Dieser Laden sei ganz „entzückend“ gewesen, es sei aber „nichts draus gemacht worden“, so dass viele Kunden weggeblieben seien. Weil sie schon immer eine leidenschaftliche Strategin gewesen sei, habe sie der neuen Inhaberin ein Konzept entwickelt und einen Innenarchitekten besorgt, der Laden sei zu einer „Goldgrube“ geworden. Sie habe sich nach diesem Erfolg selbstständig gemacht mit einer Unternehmensberatung und Immobilienunternehmen beraten, wie sie sich strategisch ausrichten und besser positionieren können.

Um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, entschied sie sich für eine Promotion. „Wenn man einfach etwas anders macht oder anders lebt oder andere Ziele hat als die Leute, die man so um sich herum hat, dann ist es für andere nicht zu begreifen und für einen selber einfach auch nicht ganz einfach“, schilderte die Professorin für Immobilienwirtschaft eine Erfahrung, die sie in dieser Zeit sammelte.

Nach diesem Kurzabriss wichtiger Stationen aus ihrem beruflichen Leben, gab sie den Frauen einige Tipps mit auf den Weg. „Wenn Sie Ziele verfolgen, dann werden Sie sichtbar, tun Sie das, was Sie sich vorgenommen haben. Dazu gehört eine gewisse Beharrlichkeit, dazu gehört durchaus kämpferisch zu sein“, so ihr Appell. Es werde immer Kritiker geben, die irgendetwas nicht gut finden. „Bleiben Sie bei ihrer Linie, kämpfen heißt auch für eine Sache einzustehen“.
Karriere bedeutet nicht für jede Frau ihren Topjob zu erklimmen oder in die Wissenschaft zu gehen, es ist etwas ganz Individuelles, so die Professorin, die Mitglied im Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft ist. „Anstatt dass wir uns wechselseitig auf die Schulter klopfen, wird immer an anderen herumgekrittelt, das machen Männer nicht“.

Frauen, die weiterkommen wollen, neigten auch dazu, ein bisschen als Bittstellerin aufzutreten. „Sie müssen deutliche Signale setzen. Beim Warten, das irgendeiner kommt und entdeckt wie toll Sie sind, können Sie schwarz bei werden. Man muss einfach ganz klar artikulieren was man möchte, was man sich vorstellt und sich auch manchmal trauen Dinge zu tun, bei denen man denkt, das ist mir noch zwei Nummern zu groß“, sagte Ertle-Straub und ergänzte: „Einfach mal rein ins kalte Wasser, was kann denn passieren, im Zweifel war es nicht so gut. Aber es nicht zu probieren und es auf die lange Bank zu schieben, dass ist dann manchmal auch eine Gelegenheit weg“. Chancen zu ergreifen, wenn sie sich bieten, müsse die Devise lauten.

Ertle-Straub zitierte die SPD-Politikerin Renate Schmidt: „Zum Kämpfen gehört auch das Wollen“. Es gehört dazu eine klare Sprache zu haben, wenn man vorwärts kommen wolle. Ertle-Straub: „Ein bisschen Männlichkeitsgene muss man haben, wenn man seinen Weg gehen will. Schnell auf den Punkt kommen, da schafft man Akzeptanz“.

Auffallend sei, dass Frauen meistens dann in gehobene Positionen kommen, „wenn es irgendwo brennt“. Sie riet Entscheidern, Frauen ganz gezielt in Teams reinzuholen, weil Frauen hervorragend Situationen aussteuern können. „Da haben wir Stärken, die man zum Einsatz bringen kann“. Mit dem Vortrag lieferte der Gast die Vorlage für viele Gespräche zu leckeren Speisen.

Die erste Gandersheimer Ladies Night wurde zu einer Plattform für einen intensiven Gedankenaustausch und die Pflege und den Aufbau von Kontakten. Für musikalische Begleitung sorgte das Duo George aus Einbeck. Das Konzept fand viel Zuspruch.

„Es ist total interessant, mit so viel intelligenten und erfolgreichen Frauen zusammen zu sein und sich auszutauschen“, meinte Lena Guth. Der Impulsvortrag habe deutlich gemacht, dass Frauen immer noch nicht die gleichen Chancen haben wie Männer „und sich durchbeißen müssen“, so die Geschäftsführerin der Landesgartenschaugesellschaft. Wichtig sei, dass sich Frauen gegenseitig unterstützen, fördern und Netzwerke bilden, so Guth, für die noch etwas anderes zählt: Jedem Lebensweg sollte mit Toleranz begegnet werden – und das gelte für Frauen und Männer gleichermaßen.

„Die Ladies Night ist eine neue Errungenschaft für Bad Gandersheim“, sagte Bürgermeisterin Franziska Schwarz. Die Veranstaltung passe gut zu einem Frauenort. Das Konzept stimme, wie der große Zuspruch bei der Premiere zeige. Künstlerin Dietlind Petzold fasste ihre Meinung in drei Worten zusammen: „Eine wunderbare Idee“.art