(Frei)Bad-Eintrittspreise: Warum sind die anderen so „billig“?

Antworten auf eine komplexe Frage und warum Kommunen den Steuerbürger zweimal zahlen lassen

Bäderfinanzierung ist teuer. Kaum ein Badbesucher ahnt, mit wieviel Steuergeldern sein Schwimmbesuch subventioniert wird. Fraglich bleibt, warum vor allem Saisonkarten oft geradezu verschleudert werden.

Bad Gandersheim. Die Frage ist fast genauso alt, wie das Sole-Waldschwimmbad in Bad Gandersheim unter Leitung einer Betriebsgenossenschaft steht und diese die Eintrittspreise für das Bad festgelegt hat: „Warum kosten bei Ihnen die Eintrittskarten so viel mehr, als zum Beispiel in Lamspringe oder Düderode?“ Auf den ersten Blick scheint das zu stimmen, insbesondere im Bereich der Saisonkarten gibt es große Unterschiede. Bei den Einzeleintritten haben die Nachbarn mit ausschließlichem Sommerbetrieb – in Düderode und Lamspringe werden nur Freibäder angeboten – aufgeholt, Düderode 2021 sogar mit vier Euro je Erwachsenenkarte gleichgezogen.

Wie sich Bäder finanzieren

Um die Unterschiede besser zu verstehen, zuerst ein Blick auf die Finanzierung von Bädern: In Düderode wie Lamspringe sind die Kommunen Träger der Einrichtung. Das heißt, der Freibadbetrieb ist ordentlicher Bestandteil des kommunalen Haushaltes. Die Kommune betreibt das Bad und trägt damit auch alle Kosten. Dass Bäder reine Zuschussgeschäfte sind, hat sich wohl inzwischen zu jedem herumgesprochen.

Das bedeutet nichts anderes, als dass die Kommunen Steuergelder in die Hand nehmen, um den Betrieb zu garantieren. Und das nicht zu knapp, wie der Blick in die Kommunalhaushalte der beiden Nachbargemeinden Kalefeld oder Lamspringe zeigt.

So lässt man sich den Betrieb des Waldbades in Lamspringe jährlich einen Zuschuss von satten 207.700 Euro an Fehlbedarf kosten. Geschätzte 82.600 Euro erhofft sich Lamspringe an Eintritten und anderen Einnahmen. Der Betrieb des auf 26 Grad Wassertemperatur beheizten Bades kostet die Gemeinde aber ein Vielfaches: Im Ausgabenbereich werden 263.500 Euro erwartet, vornehmlich für Personal und Sachaufwendungen sowie Abschreibungen. Unter dem Strich muss die Gemeinde einschließlich interner Leistungsbezüge eben genannte 207.700 Euro an Steuermitteln draufzahlen.

Nicht viel anders in Düderode: Die Gemeinde Kalefeld als Träger geht für das Jahr 2021 sehr optimistisch angesetzt von rund 60.000 Euro aus Ticketerlösen aus. Das entspricht in etwa der Vor-Corona-Saison 2019. Insgesamt werden an Einnahmen 96.700 Euro erwartet. Defizitär wie anderswo auch die Ausgabenseite: Der erwartete Fehlbetrag einschließlich interner Leistungsbezüge liegt bei 131.400 Euro.

In Bad Gandersheim ist die Stadt seit 2009 nicht mehr Badträger. 2010 übernahm mit der Wiederöffnung die Betriebsgenossenschaft diese Aufgabe. Auch sie bekommt eine Unterstützung der Stadt. Dieser Zuschuss betrug in den ersten zehn Betriebsjahren 50.000 Euro pro Jahr. Also fast ein Drittel dessen, was Kalefeld in sein Sommerbad pumpt und nur ein Viertel dessen, was sich Lamspringe vier Monate Freibad kosten lässt. Sogar nur ein Achtel dessen, was die Stadt Bad Gandersheim als Eigenbetreiber selbst vorher im Maximum aufbringen musste.

Dabei gilt außerdem als bedeutsamer Unterschied zu beachten: Der Zuschuss in Bad Gandersheim ist für ein Ganzjahresbad. Also einen dreimal so langen Zeitraum, wie in Lamspringe oder Düderode gebadet werden kann. Würde man den Gandersheimer Zuschuss noch einmal dritteln, so bekam das Solebad für die vier Sommermonate gerade einmal rund 16.700 Euro an Unterstützung!

Mit dem Jahr 2021 hat es hier deshalb auch eine an die Realitäten angepasste Änderung gegeben: Der Rat hat den Jahreszuschuss auf 100.000 Euro verdoppelt. Was immer noch nur rund 34.000 Euro für vier Monate bedeutet, will man die Summe mit den Nachbarbädern vergleichen.

Und die Eintrittspreisgestaltung?

Aus diesen an sich schon ziemlich schrägen Relationen ergeben sich logischerweise Folgerungen für die Preisgestaltung der Eintritte. Die Betriebsgenossenschaft hat die Preise seinerzeit sehr sorgsam und mit großer Voraussicht kalkuliert. In den elf Betriebsjahren hat es bislang nur eine kleinere Anpassung gegeben. Ziel der Kalkulation musste in Bad Gandersheim die Auskömmlichkeit im Sinne einer Jahresbilanz mit schwarzer Zahl sein. Was schon zwei- oder dreimal wegen unplanbarer Sondereinflüsse trotzdem nicht gelang.

Kommunale Bäder sind in dem Fall fein raus: Was nicht passt, wird passend gemacht, heißt, läuft eine Saison schlecht und die Einnahmeerwartungen werden nicht erreicht – was in Düderode zum Beispiel angesichts Wetter und Corona für dieses Jahr zu befürchten steht – dann muss der Rat eben später durch einen Nachtrag das aufgetretene Minus decken. Er greift damit nochmals in die Tasche der Steuerzahler. Und der ahnt gar nicht, wie viel ihn der Badbesuch tatsächlich gekostet hat, weil die Eintrittspreise an sich vielleicht viel zu niedrig angesetzt sind.

Ein konkretes Rechenbeispiel

Aus dem Besuch des Jahres 2019 lässt sich für das Freibad Düderode ein durchschnittlicher Eintrittspreis von rund 2,25 Euro abschätzen (Erwachsene zahlen vier, Kinder zwei Euro). Bei rund 25.000 Besuchern erlöste die Gemeinde rund 56.500 Euro an Einnahmen. Das Corona-Jahr 2021 wird diesen Wert nicht erreichen, davon ist sicher auszugehen. Schon wegen des sehr unterdurchschnittlichen Sommerwetters und der wegen Corona weiter geltenden Einschränkungen. Trotzdem hat die Gemeinde in der Haushaltsplanung wieder mit 60.000 Euro Eintrittseinnahmen kalkuliert.

Würde die Summe tatsächlich erreicht, blieben der Gemeinde Kalefeld trotzdem ein Fehlbetrag von 131.400 Euro zur Deckung. Für 60.000 Euro sind rund 25.000 Besucher nötig. Teilt man diese in den Zuschussbetrag, ergibt sich pro Badbesuch ein Gemeindezuschuss von 5,25 Euro. Im besten Falle also, der aber hochwahrscheinlich nicht zu erreichen sein wird.

Stattdessen kamen im ersten Coronajahr 2020 zum Beispiel nur etwas über 11.000 Besucher. Würde diese Zahl auch 2021 wieder erreicht, ließe das den Zuschussbetrag pro Besuch bereits auf 11,94 Euro hochschießen. Allerdings nur auf den Fehlbetrag nach Ansatz berechnet. Tatsächlich ist es noch mehr, denn nur 11.000 Besucher würden ja auch deutlich weniger Einnahme in die Kasse spülen, also nur geschätzte 26.000 Euro statt der angesetzten 60.000.
Die Differenz muss dem Fehlbetrag zugeschlagen werden, der damit auf runde 165.000 Euro ansteigen könnte. Die wiederum durch 11.000 Besucher geteilt lassen den Einzelbesuchszuschuss auf unglaubliche 15 Euro hochschnellen. Fast noch einmal das Vierfache eines normalen Erwachseneneintritts müsste also die Kommune zuschießen. Aus Steuermitteln, womit dem Badegast also im Grunde mehrfach in die Tasche gegriffen wurde und andere Dinge mit diesem Geld in einer Kommune nicht mehr bewegt werden können.

In Lamspringe liegen die Dinge keineswegs anders. Leider war es nicht möglich, konkrete Besucherzahlen für das Bad aus den letzten Jahren zu bekommen, sodass sich kein exakter Wert berechnen lässt, die Grundsystematik aber ist auf alle kommunalen Bäder gleichermaßen anwendbar: Die Rechnung – in vorab unbekannter Höhe – zahlt letztendlich der Steuerzahler. Deutlich dabei auch: Je mehr ein Bad besucht wird, desto günstiger fällt die Rechnung aus. Umstände wie derzeit allerdings – Eintrittsbeschränkungen wegen Pandemieschutz, viel stärker aber ein nicht wirklich „sommerliches“ Wetter – verschlechtern die Bilanz schnell drastisch.

Und in Bad Gandersheim?

Zurück noch einmal nach Bad Gandersheim. In den Jahren 2016 und ‘17 kamen jeweils gut 58.000 Besucher in Frei- und Hallenbad. 2018 und ‘19 gab es nur eine Hallenbadsaison, die im Schnitt 46.500 Besucher lockte. Bei einem städtischen Jahreszuschuss von 50.000 Euro lag also der Steuerzahleranteil bei gerade einmal 1,08 Euro je Besuch. Ein sehr niedriger Satz, der aber eben auch nur zu erreichen ist, weil die Genossenschaft ihre Eintrittspreise so kalkuliert hat, dass ein Erreichen einer „schwarzen Null“ in der Bilanz trotz eines so niedrigen Stadtzuschusses gerade noch möglich war.

Nicht verschwiegen werden soll dabei, dass die Stadt nach den Turbulenzen durch die Hochwasserschäden 2016 mehrfach aufstockend in den Zuschuss eingegriffen hat. Er belief sich zum Beispiel 2017 auf 234.000 Euro, 2018 dann 83.000 Euro, 2019 rund 160.000 Euro und 2020 waren es 170.000 Euro. Darin stecken unter anderem auch Wiederherstellungskosten. Für 2021 stehen wie gesagt 100.000 Euro im Ansatz.rah