Freibad: Was für welches Modell spricht

Heftige Diskussionen entbrannt: Vertagt der Rat am Donnerstag die Entscheidung noch einmal um vier Wochen?

Die zwei Bäder nebeneinander: Links die aktuelle Beckenaufteilung, in der sanierten Variante würde das große Schwimmerbecken nur noch halb so lang sein. Rechts der Vorschlag von Polyplan Kreikenbaum für ein FFL-Bad (unter Sprungturmbeibehalt und zusätzlich einer Großrutsche). Um die Becken sind in Blau auch die Filterbeetbereiche mit eingefärbt.

Bad Gandersheim. Es ist in dieser Woche wohl Thema Nummer 1 – noch vor dem ersten Spatenstich, den Ministerpräsident Stefan Weil am Donnerstag zur Landesgartenschau ausüben soll. Die wichtigste Frage dieser Woche wird danach am Abend in der Ratssitzung diskutiert. Und angesichts der Diskussion, die inzwischen um die Entscheidung entbrannt ist, wie das Freibad in Bad Gandersheim künftig ausgestaltet werden soll, darf sogar vorsichtig in Frage gestellt werden, ob der Rat am Donnerstag tatsächlich schon die endgültige Entscheidung treffen wird, oder sich nicht doch noch einmal vier Wochen Zeit bis zur Oktober-Sitzung gibt. Dann wären vielleicht auch noch manche Schritte nachholbar, die im Zuge des knappen Entscheidungsfindungsprozesses – über den das GK ausführlich berichtete – zu kurz gekommen oder ausgelassen worden sind.

Zugespitzt hat sich die Frage der Freibad-Zukunft fast schon auf zwei Farben: Blau oder grün? Wobei die blaue Fraktion den Beibehalt unter Modernisierung als „DIN-Bad“ befürwortet, während „Grün“ für Natur und damit das Modell „Freibad mit biologischer Wasseraufbereitung“ steht. Dieses Modell wird in Ratsvorlage, die im Übrigen aufgrund der zuerst verwendeten falschen Begrifflichkeit von der Verwaltung noch einmal zurückgezogen worden ist und überarbeitet wird, zum Beschluss vorgeschlagen. Womit ein anderslautender Ratsbeschluss aus dem Jahre 2018 überstimmt würde.

Nachdem das GK den Entscheidungsfindungsprozess und die grundlegenden Unterscheidungen der beiden Modelle in der vergangenen Woche ausführlich dargestellt hat, fehlt noch die Gegenüberstellung der beiden Lösungen in ihren Vor- und Nachteilen. Daraus wird dann auch ersichtlich, warum der Rat am 25. Juni im „Stimmungsbild“ eher ein Freibad mit biologischer Wasseraufbereitung als Weg sah und Polyplan Kreikenbaum in dieser Richtung weiterplanen ließ.

Das konventionelle Bad

Beginnen wir mit dem DIN-Bad. Die Sanierungsplanung sieht die Beibehaltung der aktuellen Beckenstruktur bei Verkürzung des Schwimmerbeckens von 50 auf 25 Meter vor. Die Verfüllungsfläche sollte als Wasserspielplatz ausgestaltet werden. Die konventionelle Bad-Filter- und Heiztechnik würde vom Hallenbad getrennt auf dem Landdreieck zwischen Gande und Eterna angesiedelt.
Für das Modell „DIN-Bad“ sprechen als Vorteile:

Durch die technische Wasseraufbereitung mit Chlor (und anderen Zusatzstoffen) kann immer eine gleichbleibende Wasserqualität garantiert werden.
Wasser unter konventioneller Aufbereitung kann auf höhere Temperaturen aufgeheizt werden, wobei dafür auf dem Hallenbaddach bereits eine Absorberanlage vorhanden ist, um dies mit Sonnenenergie zu tun.

Die Beibehaltung der Bereiche für Schwimmen, Nichtschwimmer, Sprungbecken und eines Kinderplanschbeckens „entflechtet“ die Besuchergruppen in verschiedene Bereiche.

Die reinen Investitionskosten für den Umbau sind geringer als für ein FFL-Bad.

Nachteile eines konventionellen Bades:

Die Wasserbehandlung mit Chlor birgt für manche Besucher das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen (Chlor­allergie etc).
Im Wettbewerb um die Besucher steht das Bad in direkter Konkurrenz zu gleichartig gestalteten DIN-Bädern (Lamspringe, Düderode, aber auch Alfeld, Seesen, Einbeck und andere) in unmittelbarer Nähe.

Die Investition in und der Betrieb einer konventionellen Technikanlage ist teurer. Dies vor allem auf längere Sicht, denn herkömmliche Filteranlagen benötigen einen entsprechend hohen Druck und damit energiefressende Pumpen. Hinzu kommen Kosten für den Einsatz der Chemie.

Hohe Wassertemperaturen (insbesondere als Werbeargument) sind in durchschnittlichen Sommern, wie dem 2020er, nicht allein durch Sonnenbeheizung zu garantieren. Es würde zusätzliche Energie, zum Beispiel aus Gasbeheizung, erforderlich.
Die Folgekosten des Betriebes liegen letztendlich spürbar höher als bei einem FFL-Bad.

Das „Freibad mit biologischer Wasseraufbereitung“ (auch FFL-Bad)

Nicht nur die Wasseraufbereitung über sogenannte Pflanzenfilter ist einer der großen Unterschiede des von Polyplan vorgeschlagenen Sanierungsmodells für Bad Gandersheim. Auch die Beckengestaltung würde sich deutlich ändern, weil Planschbecken und Nichtschwimmerbecken verschwinden würden und als Plansch- und Nichtschwimmerbereich in der nördlichen Hälfte des bisherigen Schwimmerbeckens aufgehen würden. Die südliche Hälfte des Schwimmerbeckens würde weiter als Tiefbereich mit Sportnutzbarkeit erhalten bleiben. Auch das Sprungbecken würde in diesem Modell weiterbestehen. Für die Filterbereiche müssten Flächen neben dem Schwimmbecken und dem am Springerbecken herangezogen werden.

Für ein FFL-Bad sprechen als Vorteile:

Die etwas andere Ausrichtung als Freizeitbad für den Sommer setzt es von der Konkurrenz der DIN-Bäder im Umfeld ab; „Alleinstellungsmerkmal“.
Die Umgestaltung lässt den Einbau attraktiver Gestaltungselemente (zum Beispiel Stege, Schwimminseln, Strandbereich) zu, wie das im DIN-Bad schwer oder gar nicht möglich wäre.

Die biologische Wasseraufbereitung kommt ohne Chemie aus. Das Wasser muss dennoch strenge Ansprüche an Keim- und Algenfreiheit erfüllen.
Wasseraufbereitung über einen Pflanzenfilter kommt mit weniger energiefressender Technik aus, da die Schwerkraft entscheidend mithilft. Die Filteranlagen sind sehr langlebig, was die Folgekosten niedrig hält.

Der Vergleich der Folgekostenberechnung hat ergeben, dass die von der Stadt gesetzte Vorgabe, für das Bad mit einem Betriebskostenzuschuss zwischen 50.000 und 120.000 Euro jährlich auszukommen, sich nur mit dem FFL-Bad einhalten lassen.

Als Nachteile beim FFL-Bad sind anzuführen:

Eine „Naturanmutung“ des Wassers ist nie ganz zu vermeiden, es wirkt oft ein wenig trüber oder grünlicher als chemisch behandelte Wässer. Auch im Tiefbereich muss aber der Boden trotzdem zu sehen sein.

Eine Wasserbeheizung ist natürlichen Grenzen unterworfen. Die optimale Höchsttemperatur liegt bei 24 Grad. Zur Beheizung reicht in der Regel Sonnenbestrahlung des über den Filterflächen stehenden Wassers. Für den Fall, dass die Sonne nicht oder zu wenig scheint, ist eine Zusatzbeheizung in den meisten Naturbädern trotzdem nicht vorgesehen, gleichwohl wäre sie in Bad Gandersheim als „Wärmeverbund“ mit dem Hallenbad möglich.
Problematisch werden kann für ein biologisch geklärtes Bad länger anhaltendes heißes Wetter. Sollte die Wassertemperatur auf mehr als 26 Grad steigen, muss sie gekühlt werden, um die Verlässlichkeit der biologischen Filterung garantieren zu können.

Ebenso kann es zu einem Problem werden, wenn das Bad über längere Zeit eine zu hohe Besucherfrequenz hat. Die unausweichlichen Einträge ins Wasser (vor allem Sonnenmilch) könnten dann Werte erreichen, die das Pflanzenfilter überfordern. Wo die Grenze liegt (beziehungsweise wie viele Besucher pro Tag das Bad verkraftet) ist durch die Größe der Filter vorgegeben. Ein Wert für das geplante Modell ist dazu leider nicht bekannt.

Was für beide Bäder gilt

Einige Umstände sind für beide Varianten zutreffend. Dazu gehört, dass die ortseigene Sole weiterverwendet werden soll. Auch im Falle der biologischen Klärung, die mit 0,8 Prozent Salzanteil kein Problem hat.

Ebenfalls unproblematisch wäre, dass im Falle, es stünde nicht genug Sole zur Verfügung, mit normalem Trinkwasser beide Badtypen weiterbetrieben werden können.

Eine „Sportfähigkeit“ ist laut Planungsbüro für beide Varianten gegeben.

Planungserweiterungen wie der Bau einer außergewöhnlichen Rutschanlage in den Clusberghang sowie die Aufstellung einer Außensauna im Freibadbereich sind für beide Varianten möglich.

Die Finanzierbarkeit

Ein für die bereits bei einigen zugunsten eines FFL-Bades gefallene Entscheidung wesentlicher Aspekt liegt im Bereich der Finanzen. Anders als noch vor Jahrzehnten wird heute grundsätzlich bereits bei der Planung nach den Folgekosten gefragt. Die wurden vom Planungsbüro für beide Modelle berechnet.
Dabei kam heraus, dass die Sanierungs-Investitionen für ein konventionelles Bad knapp günstiger waren als für die biologische Variante. Die wiederum glich diesen Startnachteil in den Folgejahren rasch wieder aus, weil die Betriebskosten des FFL-Bades doch spürbar unter denen des konventionellen Bades lagen. Dass FFL-Bäder günstiger zu betreiben sind, liegt an der einfacheren und vor allem energetisch günstigeren Technik. Insbesondere für die Politik, die angesichts unsicherer Haushaltslagen einen besonders scharfen Blick auf die mittel- und langfristige Finanzierbarkeit werfen muss, offenbar ein gewichtiges Argument.

Die Planer hatten dabei als Vorgabe bekommen, einen jährlichen Betriebskostenzuschuss der Stadt an die Betriebsgenossenschaft auf maximal 120.000 Euro (was bereits dem mehr als Doppelten des bisher gezahlten Zuschusses entspricht) zu deckeln. Das war mit der Planung eines konventionellen Bades nicht einzuhalten.

Die Kosten waren natürlich auch für die beiden Gremien der Betriebsgenossenschaft, Vorstand und Aufsichtsrat, wichtig, aber nicht allein dafür ausschlaggebend, dass sich die beiden Gremien einstimmig hinter den Vorschlag eines FFL-Bades stellten. Barrierefreiheit, ein Familienbad zu sein, das künftig auch einen Wasserspielplatz hat, spielten dabei ebenfalls eine bedeutende Rolle. Und der Aspekt, sich gegenüber anderen Bädern im Umland absetzen zu können.rah