Großer Dank für Lebenswerk

Feierlicher Abschiedsgottesdienst zu Ehren von Kantor Bodwin Lührig in der Gremsheimer Kirche

Verabschiedeten Bodwin Lührig (2.v.l.): Brunhilde Kühle, Andrej Naumovich, Thomas Ehgart, das dienstälteste Kirchenvorstandsmitglied Heinz-Wilhelm Dernedde und Heide Heindorf.

Gremsheim. Ende einer Ära: In einem festlichen Gottesdienst ist Kantor Bodwin Lührig nach 50 Jahren Orgeldienst verabschiedet worden. Zahlreiche Gemeindemitglieder der Heberbörde und weitere Gäste kamen am Sonnabend zu einem Gottesdienst, den Pfarrer Thomas Ehgart in der Gremsheimer Kirche gestaltete und Kantor Andrej Naumovich an der Orgel begleitete.

Der Geistliche bekundete zu Beginn „tiefen Respekt“. Zwar hätten er und Lührig unterschiedliche musikalische Vorlieben. Dies habe aber überhaupt keinen Einfluss darauf, dass er die Tätigkeiten des Organisten sehr achte und großes Verständnis für dessen Lebenswerk habe, sagte Ehgart zu Beginn. An Beispielen machte der Pfarrer deutlich, dass sich die Kirche in den vergangenen fünf Jahrzehnten „grundlegend gewandelt hat“.

Eine positive Veränderung sei, dass die Kirche und die Christen immer mehr gefordert sind und gefordert werden „an den Kreuzungen des Lebens, an den Kristallisationspunkten“. Neu seien zum Beispiel Schulgottesdienste. „Die Menschen fragen uns danach, dass wir ihre Übergänge gestalten“, erklärte Ehgart. „Es ist nicht alles schlechter geworden, es verändert sich nur rasant.“ Vier Kreuzungen, vier Kristallisationspunkte eines Lebens stellte er mit vier Bibelstellen in den Mittelpunkt der Predigt, vier Mal begleitet von entsprechenden Orgelklängen.

„Du hast dir den Ruhestand wirklich verdient“, betonte Brunhilde Kühle, Vorsitzende des Kirchenvorstands, und erinnerte an verschiedene Stationen aus dem Leben des langjährigen Organisten. „Nicht nur wir vom Kirchenvorstand, sondern die gesamten Gemeinden der Heberbörde sind dir zu ganz, ganz großem Dank verpflichtet“, sagte Kühle zu Lührig, der stehenden Applaus von den Besuchern des Gottesdienstes erhielt. Der Geehrte dankte Ehgart für den „exzellenten Gottesdienst“ und Naumovich, „der uns heute Abend fast ein zusätzliches Orgelkonzert geboten hat“. Ausdrücklich dankte der Kantor auch seiner Familie dafür, dass sie ihm seinen Dienst erlaubt habe.

„Es war eine schöne Zeit als wir zusammen hier in unserer schönen Kirche gearbeitet haben. Da haben wir manchen Spaß gehabt“, berichtete die frühere Küsterin Heide Heindorf, Vorsitzende der Frauenhilfe Altgandersheim/Gremsheim. Es sei nie ein Problem gewesen, Lührig als musikalischen Unterstützer zu gewinnen.

Lührig, der hauptsächlich in den vier Heberbördeorten Gremsheim, Altgandersheim, Gehrenrode, Helmscherode als Organist tätig war, wurde am 11. Januar 1940 in Bad Gandersheim geboren. Sein Lebensmittelpunkt war stets Gremsheim. „Ich bin sozusagen ein Ureinwohner, bin hier getauft, konfirmiert und getraut“, erzählte er vorab in einem GK-Interview. Lührig besuchte die Volksschule in seinem Heimatort und die Handelsschule in Bad Gandersheim.

Eine landwirtschaftliche Lehre absolvierte er in Hoheneggelsen im Landkreis Hildesheim. Über Bekannte sei er auf den Lehrbetrieb aufmerksam gemacht worden, „weil die Wirtschaftsweise ohne Vieh zur damaligen Zeit schon sehr modern gewesen ist“. Nach der Lehre absolvierte er die Meisterprüfung und arbeitete im elterlichen Betrieb. 1966 heiratete er eine Gremsheimerin, die vor drei Jahren verstorben ist.

Lührigs Begeisterung für die Musik war schon früh geweckt. Nachdem er bereits als Elfjähriger Musikunterricht am Klavier bekommen hatte, wurde der musikbegeisterte Junge vom ehemaligen Dorfschullehrer Paul Kreie an der Orgel unterwiesen und bekam von ihm an dem Instrument Unterricht. Dies schon mit dem Hintergedanken Kreies, dass der junge Bodwin einmal sein Nachfolger im Amt des Organisten werden könnte.

Unterricht bekam er im weiteren Verlauf auch ein Jahr lang von Stiftskirchenkantor Paul Hoffmann. Lührig übernahm bereits 1962 erstmals die Vertretung Kreies bei einem Gottesdienst in der Gremsheimer Kirche. Da es die Arbeit in der Landwirtschaft nicht erlaubte, eine umfangreiche Organistenprüfung in Wolfenbüttel abzulegen, kam der damalige Kirchenmusikdirektor der evangelisch-lutherischen Braunschweiger Landeskirche, Kantor Karl-Heinz Büchsel nach Gremsheim, um Bodwin Lührig zu prüfen und ihm am 13. Juni 1968 das Bestehen zu bescheinigen, obwohl eine „Theorieprüfung“ fehlte.

Nachdem in Altgandersheim der dortige Dorflehrer, der zugleich Organist war, in Pension gegangen war, übernahm Lührig die Aufgabe. Nach einem Schlaganfall des Organisten in Gehrenrode, das ebenfalls den gleichen Pastor hatte, erweiterte sich das Tätigkeitsspektrum. Wie in Altgandersheim dachte er zunächst, dass es nur eine vorübergehende Aufgabe sei, im weiteren Verlauf kam auch Helmscherode hinzu. „Weihnachten bin ich nur hinter dem Pastor hinterhergerast und habe einem Gottesdienst nach dem anderen gespielt“, erinnert sich Lührig.

Zwischen dem Klavier- und dem Orgelspiel würden „Welten liegen“. Vor allem, weil an der Orgel auch mit Füßen gespielt werde. Ein Klavier, das angespielt wird, klinge nach. Bei einer Orgel dagegen klingen die Töne nur so lange nach, wie die Tasten gedrückt würden. Daher sei letztendlich auch mehr Konzentration notwendig. „Rüberhuschen wie beim Klavier ist bei der Orgel nicht möglich.“

Unterschiede ergeben sich durch die Bauweisen der Orgeln, so Lührig, der drei Orgelrestaurationen begleitete und früher auch kleinere Reparaturen selber vornahm. „Gremsheim hat eine Orgel mit sehr scharfen Registern, die man gar nicht alle benutzen kann. Sonst fallen den Leuten die Ohren ab“, erklärte der langjährige Organist mit einem Schmunzeln und verweist auf „grelle Töne“. In Gehrenrode habe man zunächst ein elektronisches Instrument gehabt. Nachdem Dankelsheim eine neue Orgel bekommen hatte, konnte die Windlade und ein Teil der Pfeifen in dieses Instruments in die Gehrenröder Orgel eingebaut werden, der Ton sei dadurch sanfter geworden.

In Altgandersheim gebe es eine total überholte Denkmalsorgel, die ganze Spieltraktur sei neu geworden. Der Klang skizzierte er als „mittelmäßig sanft“. Das Instrument habe zuvor im Schloss in Salzdahlum gestanden.

In der Gutskapelle in Helmscherode, die erst vor einigen Jahren von den Erben des Gutes der Braunschweigischen Landeskirche vermacht worden sei, stehe ein digitales Instrument, das eher sakral ausgerichtet sei. „Da werden die Töne von Originalpfeifen abgenommen und übertragen in dieses Instrument“, erläutert der Gremsheimer das Prinzip. Gleiche Orgeln würden in Wolperode und Ackenhausen stehen.

Auch an anderen Standorten hat Lührig immer wieder vertretungsweise gespielt. Dabei lernte er auch pneumatische Orgeln wie in Kreiensen und Rhüden kennen. Mit der Taste werde ein kleines Ventil bedient, das erst das Hauptventil öffnet. Daher erklinge der Ton nach einer Verzögerung, „weil die Luft erst zu dem Hauptventil muss“. Die schönste Orgel in der Region sei die in der Bad Gandersheimer Stiftskirche.

Deutlich verändert habe sich das Liedgut. Es sei wesentlich rhythmischer geworden. „Ich mag das nicht so gerne. Das ist mir nicht feierlich und sakral genug“, erläuterte Lührig, der alle Amtshandlungen gespielt hat. Am meisten Freude habe ihm das Orgelspiel gemacht, „wenn die Kirche richtig voll besetzt ist und richtig voller Gesang da ist, dass man richtig in die Tasten greifen konnte.“

Per Urkunde erhielt Lührig am 7. März 1989 den Titel „Kantor“ verliehen, mit der die Landeskirche ihre Anerkennung für die an der Orgel und in der Gemeinde geleiszen Dienste zum Ausdruck brachte. Unterschrieben war sie vom damaligen Landesbischof Prof. Dr. Gerhard Müller. Nach einem Schlaganfall im März 2018 konnte Lührig seiner Tätigkeit als Organist nicht mehr nachgehen.

Zu den besonderen Situationen, an die sich der Gremsheimer erinnert, gehört eine Trauung, bei der ein Gast ohnmächtig umfiel. „Da war natürlich Trubel.“ In Gehrenrode habe der Vertreter des Pastors einmal während des Abendmahls ohne Wein dagestanden, berichtet der begeisterte Musiker, der gerne in der Region lebt. „Die Gegend ist vom Gelände her nicht langweilig.“ Der schönste Blick ergebe sich von Dannhausen kommend in die Heberbörde. Lange Zeit habe er in den Gremien der Forst mit Begeisterung mitgearbeitet, erzählte Lührig abschließend.art