„Ich bin über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts enttäuscht!“ Franziska Schwarz gibt nach der OVG-Entscheidung zur Bürgermeisterwahl

Bad Gandersheim eine teils sehr persönliche und emotionale Erklärung ab / „Ich wünsche unserer Stadt von ganzem Herzen weiterhin eine gute Zukunft!“

Bad Gandersheim. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein letztes Mal wende ich mich als Bürgermeisterin an Sie. Es kommt selten vor, dass eine Bürgermeisterwahl für ungültig erklärt wird. So hatte das Verwaltungsgericht Göttingen anlässlich meiner Dorfbesuche vor der Wahl 2021 geurteilt und damit dem Kläger Dröge Recht gegeben. Um dieses Urteil überprüfen zu lassen, haben der Stadtrat und ich beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Zulassung auf Berufung beantragt. Dass der parteipolitisch neutrale Niedersächsische Städtetag die Stadt bei ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung vor Gericht unterstützt hat, war keine Gefälligkeit, sondern hing mit der sehr grundsätzlichen Bedeutung dieses Urteils für zukünftige Landrats- und Bürgermeisterwahlen zusammen, insbesondere wenn die jeweiligen Amtsinhaber wieder kandidieren. Die Zulassung auf Berufung wurde nun jedoch vom OVG abgelehnt.

Ich bin über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts enttäuscht. Es ist unverständlich, warum das Gericht die Berufung nicht zugelassen hat. Das OVG verneint die grundsätzliche Bedeutung und besondere Schwierigkeiten in der Sache, benötigt hierfür aber eine 24-seitige Begründung. Es wirkt widersprüchlich, dass das Oberverwaltungsgericht Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils verneint und gleichzeitig bestätigt, dass sich das Verwaltungsgericht klar verrechnet hat. Die Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Klärung der aufgeworfenen Fragen wird durch das Oberverwaltungsgericht vertan.

Damit endet nun mit dem 26. September 2024 meine Amtszeit als Bürgermeisterin. Rückblickend war es eine erfüllte Zeit mit vielen Herausforderungen.

2014 wurde ich zum ersten Mal gewählt.Von der ersten Minute an konnten es einige, darunter der stadtbekannte Kläger mit seiner politischen Grundhaltung, nicht ertragen, dass eine Frau, noch dazu eine Sozialdemokratin, an der Spitze der Stadt stand. Ab sofort wurde jede Gelegenheit gesucht, um Vorhaben zu verzögern oder zu verhindern. Das fing schon mit dem Stadtentwicklungskonzept an, ohne das keine Städtebauförderung möglich gewesen wäre. Ohne Städtebauförderung hätten wir auch keine Landesgartenschau gehabt. Die Zustimmung zu unseren städtischen Haushalten wurde selbst dann verweigert, wenn sie ausgeglichen waren. Der Kauf und Weiterverkauf der leerstehenden Immobilie „Kurhotel Bartels“ wurde bekämpft. Heute steht dort das beliebte Boardinghouse Hotel und Restaurant.

Bekämpft wurden nicht nur Vorhaben und Entscheidungen für die Stadt. Bekämpft wurde auch ich persönlich, mit Dienstaufsichtsbeschwerden, Strafanzeigen, unzähligen Beleidigungen und Diffamierungen sowohl in öffentlichen Sitzungen als auch in Schriftsätzen und nicht zuletzt den „sozialen Medien“. Im Kielwasser dieser Aktivitäten traten Hass, Hetze und Bedrohungen im Netz gegen mich und meine Familie auf. Gegen einige habe ich Strafanzeige stellen müssen, und einige Täter wurden auch verurteilt.

In den letzten Monaten bin ich oft gefragt worden, wie ich diese persönlichen Anfeindungen und diesen offenkundigen Hass gegen mich und meine Familie aushalte. Manchmal habe ich mich das auch selbst gefragt. Es gab für mich drei Gründe, es aus- und durchzuhalten:

Erstens: Die Menschen, die mich gewählt haben, haben mir vertraut, dass ich mein Amt ausführe und mich nicht „unterkriegen lasse“. Viele haben mir weiterhin Mut und Durchhaltevermögen zugesprochen.

Zweitens: Meine persönliche Kraftquelle ist auch mein Glaube, der sich unter anderem auf einen Satz von Dietrich Bonhoeffer bezieht: „Gott will uns in jeder Situation so viel Kraft geben, wie wir brauchen.“

Und schließlich bin ich der Überzeugung, dass wir unsere Demokratie nicht Menschen überlassen sollten, die am lautesten schreien und ungehemmt Unwahrheiten und Beleidigungen von sich geben, aber selbst nichts Konstruktives für die Gesellschaft leisten.

Ich habe mein Amt als Bürgermeisterin gewissenhaft und gern ausgeübt und meine ganze Kraft für unsere Stadt und unsere Dörfer eingesetzt. Ich habe versucht, möglichst nah bei den Menschen zu sein, deshalb habe ich auch regelmäßig alle Dörfer besucht. Bei meiner Arbeit sind mir gewiss auch Fehler unterlaufen. Eine kleine Stadt mit fünfzehn Ortsteilen, mit wenig Personal und einer großen Aufgabenfülle bräuchte grundsätzlich mehr finanzielle und personelle Ressourcen, um alles bewältigen zu können – dies gilt nicht nur für Bad Gandersheim. Wir haben mit den Domfestspielen, dem Kloster Brunshausen, dem Kur- und Kulturbetrieb und der Landesgartenschau viele zusätzliche Besonderheiten, zugleich aber auch Alleinstellungsmerkmale.

Unsere Stadt hatte und hat viele Probleme und auch damit stehen wir nicht allein. Überall gibt es wieder zunehmende Haushaltsdefizite, Leerstände von Geschäften und Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen. Das löst man aber nicht, indem man immer nur gegen etwas ist, sondern nur mit dem Willen zum gemeinsamen Handeln und mit konstruktiven Vorschlägen.

In Krisenzeiten, wie zum Beispiel den Hochwasserereignissen, der Corona-Pandemie, den wirtschaftlichen Engpässen durch den Ukraine-Krieg, hat sich unsere Bürgergemeinschaft bewährt. Ohne den Einsatz so vieler Ehrenamtlicher, insbesondere der Feuerwehren, hätten wir vieles nicht geschafft.

Das gilt auch für die Landesgartenschau, ein Mammutprojekt für unsere kleine Stadt, über das sich auch heute noch so viele Menschen freuen – eine Investition in die Zukunft!

Immer wieder sagen unsere Gäste, wie schön sie unsere Stadt, das Laga-Gelände mit dem Sole- Naturfreibad und die Landschaft finden. Bad Gandersheim hat besonders als Kulturstadt mit seiner reichen Geschichte, der historischen Altstadt, den Domfestspielen, dem Literaturpreis und dem Kloster Brunshausen nach wie vor einen bundesweit besonderen Rang – „Es wirkt größer als die Zahl seiner Einwohner“, wie mir ein Kulturexperte aus Salzburg einmal sagte. Wir, die Bad Gandersheimer Bürgerinnen und Bürger, sollten uns dieses Schatzes bewusst sein und ihn pflegen.

Die nächsten großen Vorhaben sind unter anderem, das Dorferneuerungsprogramm für alle 15 Dörfer, eine neue moderne Kita, der Neubau unserer Stadtwerke, Investitionen in unsere Grundschule und unsere Feuerwehren, Katastrophen- und Hochwasserschutz, der Umzug der Verwaltung in den BürgerGesundheitsPark und ein neues Stadtmarketing. All das wurde bereits auf den Weg gebracht und muss nun fortgesetzt werden.

Es gilt der Satz unseres früheren Bundeskanzlers Willy Brandt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“

Dies ist eine liebenswerte Stadt, in der ich gern lebe und arbeite. In den zehn Jahren meiner Amtszeit haben wir viel Positives in und für Bad Gandersheim erreicht, trotz zahlreicher Hürden und vieler Herausforderungen, die weiter vor uns liegen.

Ich bedanke mich bei allen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte und natürlich bei den Bürgerinnen und Bürgern, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben und die mir ihre Wertschätzung auch nach der Gerichtsentscheidung erneut gezeigt haben.

Ich wünsche meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger mehr Zusammenhalt und Gemeinsinn im Rat und vor allem weniger Knüppel von außen. Unsere Stadt hätte es verdient.

Ich wünsche unserer Stadt von ganzem Herzen weiterhin eine gute Zukunft.

Franziska Schwarzred