57 Seiten voller Ideen und Vorschläge

Hochwasser-Maßnahmen-Empfehlungsgruppe legt Bericht nach einem Jahr Arbeit vor / Vorlagen für Ausschuss daraus machen

Fleißige Hochwasser-Maßnahmen-Sammler: Binnen eines Jahre erschufen (von links) Günther Ahrens, Wilhelm Kühne, Niklas Kielhorn und Heinrich Hohls einen 57 Seiten starken Bercht mit vielen Anregungen und konkreten Vorschlägen.

Bad Gandersheim. Als „Beirat“ sehen sie sich eher nicht. Ein anderen passenden Namen konnte sich die „Hochwasser- Maßnahmen-Empfehlungsgruppe“ bislang auch nicht geben, so bleiben wir an dieser Stelle vielleicht einfach bei dieser Beschreibung und kürzen sie mit HME ab. Fest in diesem Kreis ist auch nur der harte Kern der Gruppe, der aus Initiator Günther Ahrens, Diplom- Ingenieur Wilhelm Kühne, Niklas Kielhorn und Heinrich Hohls als Ratsmitglieder besteht.

Sie hatten sich vor etwa einem Jahr auf Betreiben von Günther Ahrens zusammengefunden, um dem neu gegründeten Sonderausschuss Hochwasserschutz Unterstützung zu geben: „Es hat sich gezeigt, dass umfängliche Diskussionen rund um das Thema im Ausschuss kaum möglich sind“, erklärt Ahrens den Grundansatz in einem Gespräch mit dem GK. Darum sollte die Gründung der Gruppe die Möglichkeit eröffnen, tiefschürfendere Überlegungen und daraus erwachsende Vorschläge neben der Ausschussarbeit zu erstellen und dann möglichst umsetzbare Maßnahmen daraus in Verwaltung und Ausschuss zurückzugeben.

Die Gruppe sei grundsätzlich offen und parteiübergreifend tätig gewesen. Ortsbesichtigungen wurden in den drei zuletzt von Hochwasser am stärksten betroffenen Ortsteilen Gremsheim, Altgandersheim und Ackenhausen durchgeführt. In diesen Fällen seien jeweils Ortskundige dazugestoßen, meistens die Ortsbrandmeister oder Ortsvorsteher sowie andere, die zu den Hochwasserereignissen etwas sagen konnten. So habe sich die HME erst einmal ein Bild von den Überschwemmungsereignissen gemacht, um dann konkret auf die Suche nach Lösungsvorschlägen zu gehen. Dabei habe es sich als Glücksgriff erwiesen, Wilhelm Kühne als Baufachmann für die Aufgabe gewonnen zu haben: „Ohne Wilhelm wären wir sicher nicht in der Lage gewesen, heute eine so umfängliche Ausarbeitung vorzulegen“, lobt Ahrens die Arbeit des Baufachmanns und erhält darin Zustimmung von den beiden Ratsherren. Kühne konnte vor allem die Ideen in Planzeichnungen umwandeln und hatte dabei auch die Möglichkeit, diese so gut wie ein Bauingenieur eben an der Realität zu messen. Zum Beispiel, wenn es um die Frage ging, wie Höhenprofile sich auf ein Einstauverhalten einwirken. Konkreter Fall ist der Vorschlag der Gruppe, Hochwasserrückhaltung an der Gande bei Brunshausen duch Nutzung des natürlichen Straßendammes der Landesstraße 489 nach Altgandersheim.

Bekanntlich staut der Durchlass der Gande unter der Landesstraße hindurch bei Hochwasser die Wassermassen auch so schon zurück in den Bereich der westlich der Straße liegenden Wiese und der Mulde, wo dereinst auch eine alte, inzwischen nach mehreren Hochwasserschäden abgebrochene Mühle am Fuß des Klosterhügels stand. „Schon aus dieser Beobachtung liegt doch nahe, das Gelände als natürliches Rückhaltebecken zu nutzen“, erklärt Wilhelm Kühne.

Um dies effektiv zu können, bedarf es aber weiterer Überlegungen, denn die Beobachtung weiß auch, dass der tiefste Punkt des Landesstraßendammes etwa in Höhe der alten Ros witha-Solequelle liegt. Hier wurde dann öfter auch die Landesstraße überschwemmt. Das sollte natürlich im Fall einer echten Rückhaltung nicht mehr passieren. Kühne nivellierte daher das Geländeprofil entlang der Landesstraße und fand heraus, dass unterhalb des Klosters eine Wallung mit Linienschutz (Spundwände zum Beispiel) den vorderen Klosterbereich und die Landesstraße schützen müsste.

Im Falle eines Einstaus könnte es auch weiter nördlich an der Landesstraße zu Überflutungen kommen. Auch hier wäre in Richtung der Abzweigung nach Ackenhausen durch einen Linienschutz westlich entlang der Straße vorzusorgen. Insgesamt aber, so resümierte die HME aus diesen Erkenntnissen, könne an dieser Stelle mit vergleichsweise geringem Aufwand eine sehr effektive Rückhaltung erreicht werden – und dies noch vor der Innenstadt und dem kommenden Landesgartenschaugelände, das hinter dem L 489-Straßendamm in der Koppelwiese beginnt. Interessanterweise ist dieser Vorschlag schon auf dem besten Wege zu einer Umsetzung. Stand im Ursprungskonzept der LaGa, der Machbarkeitsstudie, sogar noch eine mögliche Nutzung der Wiese nördlich von Brunshausen für Ausstellungszelte oder dergleichen zur Diskussion, ist die aktuelle Planung jetzt davon völlig ab und sieht hier statt dessen die Rückhaltung von Flusshochwasser vor, die man aufgrund naturschutzrechtlicher Einschränkungen durch Eingriffe am Gandelauf im Bereich der Koppelwiese nicht genehmigt bekommen hat. Generell, merkten die HMEMitglieder an, sei im Zuge der Betrachtungen ein wichtiger Aspekt besonders deutlich geworden:

Die Hochwasserkonzepte der Vergangenheit hätten sich vornehmlich an Ereignissen wie denen von 1998 ausgerichtet. Das aber seien Hochwasser gewesen, die sich absehbar über Tage aufgebaut hätten und für die noch Maßnahmen hätten getroffen werden können. Die Überflutungen in den letzten Jahren seien allesamt auf sogenannte Sturzregenereignisse zurückzuführen gewesen. Vorwarnzeiten gab es dabei kaum bis gar nicht, und die Zeitspanne, in der zum Beispiel Regenwasserrückhaltung erforderlich sei, komme sehr kurzfristig und in der Regel nicht für längere Zeiträume, bis das Wasser wieder abgelaufen sei. Eben diese Erkenntnis verschiebe aber auch das Augenmerk, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Große Rückstauvorrichtungen wie das Rückhaltebecken bei Seboldshausen brauche es eher weniger, statt dessen wären bei Sturzregen viele kleinere Rückhaltemaßnahmen wirkungsvoller, wie sie ja auch in der Heberbörde schon vielfach ins Gespräch gebracht worden waren. Bei der Umsetzung solle man sich auch nicht davon aufhalten lassen, dass möglicherweise behördliche Genehmigungen für Geländeveränderungen mit Aufwallungen und der Abtrennung kleiner Überlaufbecken erforderlich werden können, so Kühne. Die Verfahren seien berechtigt und zu bewältigen. Dabei immer von „Talesperrenregelungen“ zu sprechen hält Kühne für unberechtigte Angstmacherei.

Apropos Talsperre: Mit dem Rückhaltebecken in Seboldshausen hat die Stadt Bad Gandersheim ja – mindestens temporär – eine in ihren Grenzen liegen. Bei Überprüfungen der letzten Hochwassereignisse sei der Gruppe vor allem beim letzten Jahr aufgefallen, dass hier das Feintuning noch deutlich verbessert werden könne: „Als am Lohmühlenweg die Gande überlief, war der Zulauf aus der Eterna noch viel zu hoch“, so Kühne. Das hätte vermieden werden können, wenn Seboldshauen unter bestimmten Lagen deutlich stärker einstaue. Bislang werde davon auch nur bis maximal an die erste Sicherheitsreserve Gebrauch gemacht. Da bei Sturzregen aber die Pegel auch sehr schnell wieder sänken, könne durchaus auch mal in die Reserven hineingegangen werden.

Baldiges Ablassen bei sinkenden Pegeln verhindere, dass der Damm wohlmöglich durchweiche. „Hier muss angesichts veränderter Formen der Regenereignisse ein Umdenken erfolgen“, so Kühne. Des Weiteren hat sich die Gruppe besonders im Bereich Alfeld viele bereits dort umgesetzte Hochwasserschutzmaßnahmen angeschaut und mit genauen Beschreibungen und Fotos in dem nun vorgelegten 57 Seiten starken Ergebnisbericht vorgelegt. Dabei habe sich auch gezeigt, dass sich Aktionismus, wie er durch den hohen Druck aus Teilen des Rates auf die Verwaltung ausgeübt worden sei, manchmal nicht lohne. Anstelle der in Ackenhausen eilig in Bachläufe gesetzten, eher provisorischen „Drachenzähne“ zur Rückhaltung groben Schwemmgutes habe man aus dem Bereich Alfeld deutlich wirksamere und bessere Lösungen vorschlagen können, die vielleicht nun anstelle der Provisorien erwogen werden sollten. Die Gruppe hat ihren Bericht bei SPD und Grünen bereits in den Ratsfraktionen vorgestellt, bei der CDU ist dafür ein Termin am 26. Februar angesetzt. Bürgerinfos in den Ortsteilen seien ebenso denkbar, wenn gewünscht. Der Stadt liegt das umfangreiche Konzept auch schon vor.

Es wird zudem kontinuierlich weiterentwickelt. Auf Basis der Vorschläge könne ein Ingenieur-Büro notwendige Berechnungen anstellen und eine Priorisierung der Maßnahmen vornehmen nach Umsetz- und Finanzierbarkeit. Dann habe der Sonderausschuss demnächst vielleicht fertige Vorlagen zum Beschluss.rah