„In den Dörfern passiert nichts!“ – Ist das wirklich so? Eine Faktenbetrachtung

Auflistung der Stadtverwaltung weist eine Menge an investiven Vorgängen in den Ortsteilen aus

Bad Gandersheim. Der Stachel sitzt seit mehr als 34 Jahren tief im Fleische. Gemeint ist der, den die Bewohner einstmals selbstständiger Dorfgemeinden seit 1974 in sich tragen. In dem Jahr wurden die Aufgaben der vormals selbstständigen Gemeinden an die nächstgrößere Verwaltungseinheit übertragen, in Bad Gandersheim also an die neu formierte Stadt Bad Gandersheim, der seit dem Jahr nicht nur die Kernstadt, sondern eben auch 15 Dörfer angehören.

Seither, vielleicht sogar schon davor, gibt es ein Stereotyp: „Die Stadt tut nichts für die Dörfer!“ Ein gern in und aus den Dörfern oft wiederholter Satz, zuletzt genutzt unter anderem von einem Leserbriefschreiber im GK kurz vor dem Weihnachtsfest. Der behauptete zudem, von 600.000 Euro, die von der Bürgermeisterin als Ausgaben in den Dörfern angeführt worden waren, sei das meiste in Beseitigung der Hochwasserschäden geflossen.

Doch, wie das so oft mit Stereotypen ist: Stimmen den diese Behauptung überhaupt? Das Kreisblatt hat im Rathaus nach Fakten zu der Frage recherchiert. Als solche sind im Gegensatz zu unbelegten Aussagen zum Beispiel handfeste Zahlen tauglich, wie sie Ausgaben darstellen, die für Maßnahmen in den Dörfern angefallen sind. Sie sprechen tatsächlich eine etwas andere Sprache, als das reine Gefühl.

Die Liste der Stadtverwaltung zu den Ausgaben in den Dörfern ist lang, und umfasst dabei doch nur gerade einmal den Zeitraum der letzten vier Jahre. Hier wird eine Gesamtsumme von Ausgaben in Höhe von 756.400 Euro aufgelistet. Zöge man darin enthaltene Kosten für Hochwasserpositionen in Höhe von 96.000 Euro ab, verbleiben immer noch rund 660.000 Euro für andere Maßnahmen. Die Behauptung, ein wesentlicher Teil der Ausgaben in den Dörfern sei durch Hochwasserkosten entstanden, ist also nicht haltbar und schlicht falsch.

Zutreffend wäre das allein vielleicht für Ackenhausen, wo allein 45.000 Euro für die Beseitigung von Hochwasserschäden eingesetzt werden mussten. Dahinter stehen die aber immer noch rund 16.000 Euro für andere Maßnahmen zurück.

Ganz anders in Altgandersheim. Hier wurden in den vier Jahren zusammen rund 302.000 Euro investiert. Davon schluckte allein das HLF 20 der Ortswehr 250.000 Euro. Diese große Ausgabe aber müsste an sich schon gerechterweise vielen Ortschaften zugeteilt werden, da das Altgandersheimer Fahrzeug theoretisch und praktisch im gesamten Heberbörden- aber auch Stadtgebiet zum Einsatz kommt und damit flächendeckend der Allgemeinheit dient. Gleiches gilt für die zweitgrößte Ausgabenposition in den Dörfern, dem 112.000 Euro teuren Tanklöschfahrzeug in Dankelsheim.

Weitere Ausgaben aus 2017/18

Neben den im Infokasten unterstehend aufgelisteten investiven Maßnahmen in den einzelnen Ortsteilen (kleinere Investitionen im weniger als vierstelligen Bereich sind dabei nicht einmal enthalten) gab es weitere Ausgaben in den Dörfern, die aber zum Teil auch wieder über die Gebührenhaushalte wie für Friedhofsnutzung, Trinkwasserbezug oder Schmutzwasserbeseitigung refinanziert werden. Sie sind hier nur für die beiden Jahre 2017 und 2018 ausgewiesen.
In diesem Bereich sind unter anderem aufgelistet: Reparatur Schmutzwasserkanal Ackenhausen 4.200 Euro, Reparaturen Regenwasserkanal 8.300 Euro, Betrieb des Friedhofes rund 22.000 Euro, Reparatur Trinkwasserleitung 800 Euro.

Für Altgandersheim: Asphaltreparaturen 8.600 Euro, Betrieb des Friedhofes rund 22.000 Euro, Reparaturen Trinkwasserleitung 9.500 Euro, Reparaturen Regenwasserkanal rund 10.000 Euro. In Brunshausen wurden rund 14.000 Euro für Maßnahmen an der Trinkwasserleitung benötigt. Asphaltreparaturen im Schülerkamp von Clus kosteten 6.700 Euro.

In Dankelsheim kosteten Reparaturen an der Trinkwasserleitung 6.400 Euro, beim Regenwasserkanal waren es sogar 7.600 Euro. In Dannhausen wurden rund 22.000 Euro für den Betrieb des Friedhofes aufgewandt, 1.800 Euro waren nötig, um die Trinkwasserleitung zu reparieren.

Ins Ellieröder Feuerwehrhaus mussten für ein neues Tor rund 3.300 Euro investiert werden. 18.400 Euro waren für Reparaturen der Trinkwasserleitung nötig, beim Schmutzwasser fielen solche für 5.800 Euro an.

In Gehrenrode verschlangen Straßenreparaturen 7.000 Euro, die Trinkwasserleitung wurde für 1.600 Euro repariert.

Die Friedhöfe in Gremsheim und Hachenhausen wurden wieder jeweils mit rund 22.000 Euro angesetzt, in Gremsheim flossen zudem rund 6.000 Euro in Arbeiten am Kindergarten, in Hachenhausen gab es auf dem Heber Asphaltreparaturen in Höhe von 26.300 Euro. Zudem musste der Regenwasserkanal für 1.400 Euro repariert werden.

22.500 Euro wurden im Bereich Harriehausen für Asphalt- und Gehwegsreparaturen ausgegeben, wiederum rund 22.000 Euro für den Betrieb des Friedhofes, ein Regenwasserschacht musste für 2.800 Euro instandgesetzt werden. Straßeneinlaufreparatuen kosteten 3.800 Euro. In den Kindergarten wurden zum Ausbau für die neue Krippengruppe rund 33.000 Euro investiert.

10.200 Euro kosteten in Heckenbeck Reparaturen an der Trinkwasserleitung. Maßnahmen am Dorfgemeinschaftshaus und dem Kindergarten summierten sich auf rund 5.300 Euro.

Der Friedhofsbetrieb in Helmscherode schlug mit rund 22.000 Euro zu Buche. Für 9.300 Euro wurden Asphaltreparaturen im Ortsteil vorgenommen.

Friedhofsbetrieb in Seboldshausen wieder 22.000 Euro, hinzu kamen Straßenreparaturen im Gesamtvolumen von rund 19.200 Euro. Solche Reparaturen kamen in Wolperode auf 16.800 Euro, zudem bekam die Feuerwehr eine neue Tragkraftspritze für rund 14.500 Euro, der Friedhof im Ortsteil kostete rund 22.000 Euro. Reparaturen an der Trinkwasserleitung kosteten in Wolperode 8.500 Euro, an einem Regenwasserschacht 1.300 Euro.

Ein Sonnensegel für den Kindergarten in Wrescherode schlug mit 4.700 Euro zu Buche, rund 22.000 Euro für den Betrieb des Friedhofes, 15.000 Euro flossen in Reparaturen der Trinkwasserleitung, 4.000 Euro in eine Reparatur am Schmutzwasserkanal sowie schließlich 2.800 Euro in Asphaltreparaturen.

Für alle Ortsteile galt, dass Torprüfungen an den Feuerwehrgerätehäusern vorgenommen werden mussten, die einige Tausend Euro kosteten. Zudem wurde dorfübergreifend ein Kommandowagen der Feuerwehr angeschafft, der mit rund 25.000 Euro zu Buche schlug.

In der Summe kommen diese Ausgaben von 2017 und 2018 damit nochmals auf knappe 600.000 Euro – zum Teil wie bereits angemerkt aber über Gebührenhaushalte refinanzierbar.

Die Erwartung, dass die Stadt etwas für ihre Dörfer tue, bezieht sich aber nicht allein auf den Aspekt direkter Investitionen. Sie zielt auch auf die Weiterentwicklung des ländlichen Raumes, um ihn auch künftig lebenswerter und lebendig zu erhalten. In diese Aufgabe fallen zum Beispiel Dorferneuerungs- und -entwicklungsprogramme. Einige dieser sind gerade jüngst wieder dem Rat und den Ortsvorstehern an die Hand gegeben worden. Im Haushalt 2019 sind für diese Aufgabe 80.000 Euro eingesetzt worden, um Projekte anzuschieben.

Zudem hatte eine Veranstaltung mit Annette Muhs als Verantwortlicher für die LEADER-Förderungen beim Landkreis Northeim mit Ratsmitgliedern und OrtsvorsteherInnen stattgefunden, die ebenfalls Entwicklungschancen aufzeigte. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang auch deutlich darauf hingewiesen, dass man sich nicht auf die Stadt allein stützen dürfe, um die Möglichkeiten zu ergreifen, sondern die Initiative aus den Dörfern selbst kommen muss, hier dabei zu sein.

So wie in Altgandersheim, wo sich am kommenden Wochenende eine neue Dorfgemeinschaft gründen will, die sich genau solchen Aufgaben verschreiben möchte. Getreu dem Motto, nicht auf andere zu warten, wenn man selbst etwas bewegen kann. Dabei wird die Stadt ohne Zweifel im Rahmen der Mittelansätze für diese Aufgaben behilflich sei.

Bliebe am Ende noch die Antwort auf die Frage, ob die pauschale Behauptung, es werde nichts für die Dörfer getan, zutrifft. Diese Antwort mag sich jeder Leser selbst geben nach Durchsicht der Liste und Kenntnis der weiteren Fakten, wobei gewiss ist, dass es je nach Standpunkt trotzdem unterschiedliche Antworten geben wird.

Bei diesem Standpunkt sollte aber niemals vergessen werden, dass die Gewichtung der Ausgabenanteile eines kommunalen Haushaltes sich nicht allein nach der Zahl an Bewohnern (im Falle Bad Gandersheims etwa 55 Prozent in der Kernstadt und etwa 45 Prozent in den Dörfern) ausrichten kann, sondern auch berücksichtigen muss, welche Einrichtungen allen Einwohner gleichermaßen dienen, wobei es egal ist, ob diese Einrichtung in einem Dorf oder der Kernstadt steht.

Oft allerdings befinden sie sich eben im Kern – und das verschiebt manche Gewichtung anscheinend ungerecht dorthin. Das Bild sähe aber schon dann ganz anders aus, wenn diese Ausgaben pro Einwohner auch auf die Ortsteile umgelegt würden, was ja bislang in keiner Darstellung der Fall ist.rah