Intendant bezieht klare Position

Klare Worte zur Begrüßung des Ensembles / Grandioser Auftakt der 60. Festspielzeit

Intendant Achim Lenz bei seiner viel beachteten Begrüßungsansprache.

Bad Gandersheim. Zum offiziellen Empfang des Ensembles der 60. Gandersheimer Domfestspiele war wieder in den Kaisersaal eingeladen worden. Es gab Ansprachen durch die Bürgermeisterin, die Pröpstin, den Vorsitzenden des Aufsichtsrates, den des Fördervereins und natürlich des Intendantens. Dazwischen Musik und Gesang von Ensemblemitgliedern. Alles wie immer.
Auf den ersten Blick vielleicht, doch vieles war diesmal doch anders. Immerhin war es der Empfang zu den 60. Festspielen, die als Jubiläumsspielzeit begangen werden. Zudem verdienen – vor allem anderen – die Gesangsbeiträge von Miriam Schwan, Stefanie Köhn und Julia Waldmayer, begleitet von Ferdinand von Seebach beziehungsweise Patricia Martin, besondere Erwähnung, weil sie geradezu tosenden Beifall bekamen. Verdientermaßen.
Und dann muss – obwohl traditionell letzter Redebeitrag – an erster Stelle die markante Begrüßungsrede von Intendant Achim Lenz hervorgehoben werden, in der er auf seine Art klare Kante zeigte und Position zu einem heißen aktuellen Thema bezog.
Wörtlich: „Lasst mich, liebes Ensemble, dieses in aller Deutlichkeit hier sagen: Ich lasse hier in meiner Funktion als Intendant und als Regisseur keine Halbwahrheiten zu; ich verurteile aufs Schärfste jede Art von Respektlosigkeit, Sexismus, Ausnutzung und Missbrauch. Vorkommnisse dieser Art hat es unter meiner Intendanz nie gegeben und wird es nie geben. Das sage ich Euch von Künstler zu Künstler zu und ich werde mich jeden Tag für unsere Rechte einsetzen. Nur in diesem Kontext ist Kunst möglich! Nur im Kontext von gegenseitigem Respekt, Anerkennung und Verständnis.“
Nicht wenige werden bei diesen Worten an den Skandal gedacht haben, der im Freilichtfestspielort Bad Hersfeld Dieter Wedel zu Fall gebracht hatte. Dieser Vorfall und viele andere ähnliche des letzten Jahres dürften zu dieser klaren Abgrenzung geführt haben, die im Kaisersaal aufhorchen ließ und mit Beifall zur Kenntnis genommen wurde.
Zuvor hatte sich der Intendant ein wenig mit der Geschichte der Festspiele ausein­andergesetzt, als er Bundespräsident Walter Scheel zitierte, der die Festspiele in Lenz’ Geburtsjahr 1978 besucht hatte. Scheel hatte damals geäußert: „Ich trete den Gandersheimern vielleicht nicht zu nahe, wenn ich vermute, dass man ohne die kulturellen Glanzpunkte (womit er die Festspiele und den Literaturpreis ansprach) ihre Stadt ebenso wenig oder sagen wir besser ebenso ungenau kennen würde wie viele andere deutsche Landstädte.“
Die Entwicklung der letzten Jahre unterstreiche die Richtigkeit dieser Aussage sicher, so Lenz. Je länger er aber in der Region wohne und wirke, umso mehr sehe er die großen Chancen dieses wundervollen Ortes, und umso optimistischer sei er für die Zukunft der Festspiele. In einer Zeit der gewinnmaximierenden Selbstüberschätzung und Rastlosigkeit werde Bad Gandersheim eine wichtige Rolle als Rückzugsort zukommen. Platz der Ruhe, um Kraft zurückzugewinnen, Ort der Selbstreflexion, für Schönheit, Luft, Wasser und Natur, ein Ort der Rückbesinnung und Planung von Lebensentwürfen. Das seien unbezahlbare Chancen und in diesen Kontext hinein verstehe er Bad Gandersheim als idealen Festspielort.
Worte, die vielen Gandersheimern im Saal sicher Balsam auf die geschundene Kleinstadtseele gewesen sein dürften. Vor allem, wenn sie einer spricht, der Bad Gandersheim aus Außenstehender entdeckt hat.

Da es die Stadt ist, die im Kaisersaal das Ensemble der Festspiele begrüßt, hatte Bürgermeisterin Franziska Schwarz das erste Wort gehabt. Auch nach 60 Jahren sei es immer wieder eine große Freude, die Bad Gandersheim erfasse, wenn die Festspielzeit nahe. Dies im besonderen in einem Jubiläumsjahr mit vielen speziellen Akzenten. Kultur kenne keine Grenzen, das beweise auch wieder das Ensemble. Schwarz wies auf die Möglichkeiten in Bad Gandersheim und Umgebung hin, die vom Ensemble genutzt werden können, wenn es vom Intendanten mal spielfrei bekomme. Und sie vergaß dabei auch nicht das Pilotprojekt EcoBus, das bewusst während der Festspielzeit stattfindet und natürlich auch vom Ensemble genutzt werden kann, um zum Beispiel nach Düderode ins Freibad zu kommen, oder nach Kreiensen zum Bahnhof.

Ihr Mann, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Domfestspiel-Aufsichtsrates, Uwe Schwarz, sah in dem hervorragenden Wetter des Begrüßungstages ein Omen für die Jubiläumsspielzeit. Seinen ersten Kontakt mit den Festspielen habe er 1971 gehabt, als er über „Becket oder die Ehre Gottes“ eine Schülerkritik für die Schulzeitung schreiben sollte. Seit 1981 habe er jede Inszenierung der Domfestspiele gesehen. Daher könne er gut einschätzen, welche Anstrengung und Wagnis die Festspiele seien.

In den 60 Jahren habe man alles erlebt: Euphorie und Überlebenskampf. Seit der Auslagerung auf eine eigene gemeinnützige GmbH stehen die Festspiele aber auf guten Säulen. Und in der Frage der angespannten Probenräumesituation gebe es gute Entwicklungen, zu denen hoffentlich bald Ergebnisse präsentiert werden könnten.

Für Pröpstin Elfriede Knotte als Vertreterin des Grundes, auf dem die Festspiele stattfinden dürfen, verband den Beginn der Festspielzeit immer mit einem „Verbau“: Die Tribüne werde ihr vors Büro gesetzt. Wenn dann aber Leben die Bühne erfülle, erwachse daraus die Chance, durch das Spiel den Menschen neue Perspektiven zu eröffnen.

Der Vorsitzende des Fördervereins, Dr. Hinrich Bönicke, wies darauf hin, dass der Verein die Festspiele bereits im 14. Jahr unterstütze. Viel sei bewegt worden, viele gebe es noch zu tun. Besonders freue er sich auf den „Jedermann“ in diesem Jahr, so Bönicke.rah