Internet killt den lokalen Handel

Umsätze in allen Nicht-Grundversorgungsbereichen brechen weg / Aber auch Entwicklungen für Neuengagements

Sonnabendmittag ist endgültig Schluss: Sport Schäfers verlässt Bad Gandersheim.

Bad Gandersheim. Handel und Gewerbe sind in einer Stadt wie Bad Gandersheim immer in Bewegung. Das gilt heutzutage allerdings in deutlich kürzeren Zyklen als früher. „Schuld“ daran sind die Globalisierung und das Internet als „Taktgeber“ von Entwicklungen.

Und dem Internet – vielmehr dem Kundenverhalten, dorthin abzuwandern und sich Artikel, die man auch vor Ort bekommen könnte, im Internet zu bestellen – gibt Martina Mädge die Schuld, dass nach vielen Jahren mit einem Geschäft in Bad Gandersheim mit dem morgigen Sonnabend die Ära Sport Schäfers ein Ende finden wird. „Wir ziehen die Reißleine, bevor es rote Zahlen gibt“, sagt Mädge dem Kreisblatt auf Nachfrage.

Die Umsätze sind in den letzten Jahren stetig rückläufig gewesen. 2014 war Sport Schäfers noch als Verkleinerungsschritt aus der Burgstraßenpassage in die Moritzstraße umgezogen. Ende 2015 stand schon einmal der Gedanke, sich zurückzuziehen, im Raum. Da gab es dann noch einmal eine Verlängerung, nun aber sei der Punkt erreicht, an dem es sich nicht mehr lohne, länger gegen den Trend durchhalten zu wollen.

Die Schuldzuweisung Mädges ans Internet kommt nicht von ungefähr: „Immer wieder sind Kunden hier hereingekommen und fragten, ob wir diesen oder jenen Artikel auf Lager haben, im Internet dauere die Lieferung ja so lange. Dass es bei uns auch nicht morgen geht, wenn etwas bestellt werden muss, hat manche geradezu ungehalten gemacht.“

Treue Kunden waren bislang immer noch Patienten der Paracelsus-Kliniken. Sie wurden zum Beispiel an das Sportgeschäft verwiesen, wenn Nordic-Walkingstöcke benötigt wurden oder Badeanzüge für die Therapiestunden fehlten. Doch auch hier, so bestätigte eine Paracelsus-Mitarbeiterin zufällig gegenüber dem Kreisblatt im Geschäft, sei ein deutlicher Rückgang der Annahme lokaler Angebote zu spüren. Statt dessen haben die Paketzulieferer auch an den Kliniken genug zu tun...

So vollzieht sich ein weiterer Schritt der an sich schon lange laufenden Entwicklung Bad Gandersheims zum Grundversorgungsstandort. Das wissen eigentlich alle – und klagen dennoch bei Bekanntwerden von Schließungen gern lautstark, wie bedauerlich und schlimm das für Bad Gandersheim sei. Was nicht nur nach Ansicht der Betroffenen erhebliche Scheinheiligkeit birgt, denn oft waren gerade diese Personenkreise nicht die (umsatzbringenden) Kunden.

Wenn Martina Mädge am Sonnabendmittag zum letzten Mal den Laden in der Moritzstraße schließt, ist das Kapitel Sportgeschäfte in Bad Gandersheim vermutlich endgültig Geschichte. Kleiner Trost: Sport Schäfers gibt es weiter in Einbeck, wo Martina Mädge ihre neue Arbeitsstelle hat: „Dort habe ich hin und wieder schon ausgeholfen und schon da zahlreiche bekannte Gesichter aus Bad Gandersheim angetroffen.“ Was nur den ebenfalls weithin bekannten Umstand beschreibt, dass Einkaufen in den Nachbarstädten Seesen und Einbeck schon heute zur Selbstverständlichkeit für die Gandersheimer gehört.
Nach dem Ausräumen des früheren Schuh-Geschäftes Schelm wird die Fläche in der Moritzstraße vermutlich erst einmal die Leerstandsquote anheben. Von einer bereits gelungenen Neuvermietung ist jedenfalls im Moment nichts bekannt.

Eine schon länger leerstehende gastronomische Einrichtung ein paar Meter weiter ist in den vergangenen zwei Wochen hingegen mutiert. Die einstige „Sportbar“ gleich neben dem „Süßen Kaufhaus“ in der Moritzstraße kommt jetzt als neues Sportwetten-Büro daher. So mindestens lässt die neue Aufmachung der Fensterfassade wissen. Zur Zeit ruhen allerdings im Inneren die Bauarbeiten wieder, ein Eröffnungstermin ist weder bekannt noch per Aushang zum Beispiel avisiert.

Nach außen nicht sichtbar hingegen ist die Bewegung, die in die Wiederbelebung einer anderen, an sich zentralen und von vielen schmerzlich vermissten Einrichtung der Stadt gekommen ist: Die Verpachtung des Ratskellers. Nachdem die bisherigen Betreiber signalisiert hatten, ihr Engagement beenden zu wollen – im laufenden Jahr war nur während der Domfestspiele ein eingeschränkter Betrieb erfolgt – haben sich nun bei der Stadt zwei lokale Interessenten gemeldet, die gern neue Pächter werden möchten. Das bestätigte dem GK Jürgen Schnute.

Zurzeit würden die von den Interessenten vorgelegten Konzepte geprüft. Im Januar habe dann ein Verwaltungsausschuss über Vergabe oder weiteres Vorgehen zu entscheiden. Losgehen könnte es danach so bald der Pächter mit Zuschlag dazu in der Lage sei. Wobei 2018 kein leichtes Jahr an diesem Platz werden könnte, denn da sollen die Arbeiten an dieser Seite der Rathausfassade begonnen werden.

Noch einmal zurück zum Handel. Nicht nur Kundenverhalten und Umsatzprobleme bedrängen manches Geschäft, sondern auch die Gandersheimer Gerüchteküche. Niemand weiß, woher zum Beispiel das Gerücht kam, MacGeiz werde sein Geschäft in der Moritzstraße schließen. Es erreichte aber durchaus die Beschäftigten, die das über die Geschäftsleitung nur dementieren konnten.

Am Ende sah man sich ob der massiven Verbreitung dieser typischen „Fake News“ sogar genötigt, dem offen mit einem Aushang am Eingang zu widersprechen. Also: MacGeiz schließt nicht. Und so gehen in der Moritzstraße zwar einige Lichter aus, aber längst nicht alle. Und es gibt immer wieder Anzeichen, dass sich auch neue Engagements entwickeln.rah