Ja zur Barrierefreiheit – aber nicht um jeden Preis

Rathaus mit vorhandenen Möglichkeiten nicht barrierefrei zu machen / Manchmal muss man auch den umgekehrten Weg gehen

Ein Aufzug im Turm oder einem Schornsteinschacht Alles in Überlegung gewesen, aber leider in keinem Fall realisierbar.

Bad Gandersheim. Das Thema Barrierefreiheit hat in Bad Gandersheim unbestritten einen hohen Stellenwert. Bürgermeisterin Franziska Schwarz hat es zum erklärten Ziel gemacht, die Stadt deutlich barrierefreier zu machen – auch und erst recht im Hinblick auf die kommende Landesgartenschau, bei der das ebenfalls ein wichtiges Thema sein wird.

Heiß diskutiert wird es in diesen Tagen gerade an einem anderen Fall: dem Rathaus. Anlass dazu gibt die in der Endphase befindliche Sanierung der Altane, des maroden Treppenaufgangs zum Haupteingang, der seit Monaten grundlegend instandgesetzt wird. Dies in der vorherigen Form – mit neuem Gestein natürlich. Aber damit nach wie vor kein bisschen mehr barrierefrei.

Rasch war dann auch die Frage in die Welt gesetzt, warum denn die Stadt die Sanierung nicht genutzt habe, um das (gesamte) Rathaus barrierefrei(er) zu machen. Und ganz Schnelle waren sofort mit Vorwürfen bei der Hand, die Verantwortlichen hätten hier Chancen verpasst.

Einen anderen, eher kreativ-visionären Ansatz verfolgte hingegen in den letzten Tagen eine Anregung, die der Gandersheimer Diethelm Klotz an die Verwaltung richtete. Sein Bestreben dabei, die Museumsräumlichkeiten auch für Behinderte erreichbar zu machen. Der Vorschlag dazu ein Fahrstuhl, den Klotz bautechnisch im Turm der einstigen Moritzkirche unterzubringen sah, und falls dort nicht, dann vielleicht im Ausbau eines der nicht mehr gebrauchten Kaminschächte.

Ideen, mit denen man sich im Rathaus und der Verwaltung sehr wohl befasst hat, wie Bürgermeisterin Franziska Schwarz und Bauamtsleiter Jürgen Schnute am Freitagmorgen in einem Gespräch mit dem GK deutlich machten: „Wir haben zahlreiche Möglichkeiten, das Rathaus barrierefrei erreichbar zu machen, geprüft, zum Zuge gekommen ist aber aus vielfältigen Gründen keine“, so Schwarz.

Beide stellten eingangs fest, dass es sicher Möglichkeiten geben würde, Barrierefreiheit bis zum bestimmten Maß herzustellen. Die Kosten dafür könnten dann aber auch exorbitant hoch werden. Ein grundlegendes Problem des alten Gebäudes seien die unterschiedlichen Bodenniveaus allein eines Stockwerkes. Kenner des Rathauses wissen, dass es zahlreiche Stufen zwischen Fluren und einzelnen Räumen zu überwinden gäbe.

„Selbst, wenn wir an der Altane oder im Haus eine Aufstiegshilfe bekommen hätten, wären die Stufen des Eingangsportals die nächsten Hindernisse und im Gebäude dann die zu den Zimmern oder vom Foyer zum nächsten Flur. Es wäre eine lange Kette an Hindernissen zu überwinden, was bautechnisch oft einfach Grenzen hat, die nicht auflösbar sind“, beschreibt Jürgen Schnute die Lage.

Auch die Möglichkeit, einen Aufzug in den Turm einzubauen, sei natürlich geprüft worden. Technisch sicher möglich, aber mit enormem Bau- und Kostenaufwand verbunden. „Der kleinste Aufzug, in den ein Rollstuhlfahrer hineinpassen würde, hat 1 mal 1,25 Meter, der dafür nötige Fahrstuhlschacht 1,5 mal 1,5 Meter. In diesem Aufzug könnte dann aber die Begleitperson nicht gleichzeitig mitfahren.“

Die Idee von Diethelm Klotz, einen alten Schornsteinschacht dafür zu nutzen, müsse bei Betrachtung dieser Maße sofort wieder verworfen werden. Der größte Schornstein habe gerade mal 40 mal 40 Zentimeter. Er wirke von außen größer, und im Inneren würden Stahlbetondecken und Mauerwerksverbauungen einen durchgehenden Schacht verhindern.

Geprüft worden ist ebenfalls die visionäre Anbringung eines gläsernen Außenaufzuges. In der Kellergasse wäre das am verträglichsten mit Denkmalschutzinteressen möglich, würde aber unzulässigerweise den Straßenquerschnitt so einschränken, dass der Rettungsweg nicht mehr frei bliebe. Auf der Marktseite ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Denkmalschutz mitspielen würde. Und mehr als bis auf Höhe der Altane sei eine solche Lösung auch nicht denkbar.

Generell stünden vielen Ideen auch die Bedenken oder das Veto des Denkmalschutzes entgegen. Kurzum: Die Forderung sei nachvollziehbar, aber es gebe – wie an vielen anderen Stellen im Leben auch – Grenzen des Machbaren, die im Fall des Rathauses echte Barrierefreiheit eine Zukunftsvision bleiben lassen.

Die Diskussion an diesem Punkt gebe aber zugleich Anlass, darauf hinzuweisen, dass Verständnis beziehungsweise Umsetzung von Barrierefreiheit auch „andersherum“ gedacht und realisiert werden könnten. Heißt konkret: Wenn Ratssitzungen im Ratssaal des Rathauses nun einmal nicht barrierefrei erreichbar seien, dann müsse die Ratssitzung eben an einen Ort gehen, wo das der Fall sei. Wie es seit einiger Zeit ja auch schon mit Orten wie dem Forum des Schulzentrums praktiziert wird.

Ebenso hat Franziska Schwarz gleich zu Beginn ihrer Amtszeit die Bürgermeiser-Sprechstunde aus dem gewohnten Raum im Rathaus in einen barrierefrei erreichbaren des Bürgerbüros verlagert. Gleiche Praxis könne bei Dienstleistungen geübt werden, die barrierefrei erreichbar sein müssen, oder falls ein Mitarbeiter betroffen sei, eben Dienstzimmer so getauscht werden, dass man den Bedürfnissen gerecht werden könne.

„Wir können nicht alle Barrieren beseitigen, das geht nun einmal einfach nicht. Dann ist aber unsere Aufgabe, die Barrierefreiheit für Betroffene durch kreative Maßnahmen herzustellen – und wenn es das eigene Nachdenken ist, wo man als Nichtbehinderter Gehandicapten vielleicht einfach mal zur Hand geht, um eine Barriere zu überwinden. Barrierefreiheit hat mehr als nur bauliche Aspekte“, so die Bürgermeisterin.rah