„Jedes Dorf hat etwas Besonderes“

Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz zieht Bilanz ihrer „Gespräche über den Gartenzaun“

Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz (Dritte von rechts) führte „Gespräche über den Gartenzaun“.

Bad Gandersheim. Feuerwehr- und Dorffeste, Jubiläums-, Sport- und Kulturveranstaltungen: In den Dörfern Bad Gandersheims mussten in diesem Sommer aufgrund der Corona-Pandemie viele Termine abgesagt werden, bei denen Bürgermeisterin Franziska Schwarz mit den Menschen vor Ort normalerweise Kontakt pflegte. Daher habe sie alle Dörfer Bad Gandersheims besucht und „Gespräche über den Gartenzaun“ angeboten.

Unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln konnten Bürgerinnen und Bürger mit ihr über Anliegen und Ideen sprechen, Hinweise auf Verbesserungsbedarfe geben und zeigen, was besonders gut in den Dörfern läuft. Wichtig waren dabei die Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher, mit denen die Termine abgestimmt waren und die bei den Dorfrundgängen stets zugegen waren.

Das Thema Landesgartenschau 2022 spielte dabei eine besondere Rolle: „Schließlich sollen auch die Dörfer von diesem Großereignis profitieren und sich einbringen – und den LaGa-Besucherinnen und -Besuchern soll die Besonderheit unserer Ortsteile mit der wunderschönen Landschaft nahe gebracht werden, die zum Wiederkommen einlädt“, erklärte Schwarz.

Daher habe an jedem Dorfbesuch auch ein Mitglied der LAGA-Geschäftsführung teilgenommen.
Ein dritter Aspekt war bei den Dorfbesuchen wichtig: Aktuell befinde man sich in einem Antragsverfahren zur Aufnahme in ein Dorfentwicklungsprogramm, das von der Koordinatorin Tanja Dornieden begleitet wird. Um die Dörfer besser kennenzulernen, war Dornieden ebenfalls bei fast allen „Gesprächen über den Gartenzaun“ dabei.

Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger war groß und vielseitig; der Zweck der „Gespräche“ habe sich damit schon erfüllt. Schwarz selbst gab an, sehr gern in den Dörfern gewesen zu sein und die Gespräche zu führen.
Schwarz hebt das durchweg große ehrenamtliche Engagement vor Ort hervor, das in den Gesprächen wieder einmal deutlich wurde. Jedes Dorf habe seinen eigenen Charakter und seine Besonderheiten, aber alle Dörfer sind lebendig und lebenswert durch funktionierende Nachbarschaften, Bürgervereine, Kirchengemeinden, Feuerwehren, Sport- und Kulturvereine. Damit bestünde für die Dörfer insgesamt ein großes Entwicklungspotentzial, das sich nun auch im gemeinsamen Förderantrag als Dorfregion niederschlägt.

Die jeweilige Dorfgeschichte spielte vielfach eine Rolle. Schwarz gibt ein kleines Beispiel: „In einigen Dörfern ist das Buswartehäuschen seit Generationen ein Treffpunkt vor allem für Jugendliche, an dem man gern festhalten möchte“, berichtete sie. Vielfach sei berichtet worden, dass auch jüngere Leute mit Familie gern wieder in die Dörfer (zurück-) ziehen würden, weil sie die hohe Lebensqualität im ländlichen Raum erkennen.

Während der Corona-Pandemie sei deutlich geworden, dass die Freiheit vor Ort teilweise größer sei als in beengten städtischen Verhältnissen. Es gebe nicht mehr viele Leerstände, und die Nachfrage nach Bauland sei vorhanden. Wichtig allerdings sei ein funktionierendes Internet für jeden Haushalt – und hier gebe es immer noch Nachholbedarf.

Gemeinsame Probleme seien die Verkehrsbelastung und der Hochwasserschutz. In allen Dörfern werde beklagt, dass Pkw- und Lkw-Fahrer mit überhöhtem Tempo fahren und keine Rücksicht darauf nehmen, dass die Häuser oftmals sehr nah an den Straßen stehen würden, Kinder und ältere Menschen besonders gefährdet seien. „Weitere Tempo-30-Zonen werden gewünscht; hier sind bisher allerdings für die Kreis- und Landesstraßen gesetzliche Grenzen gesetzt“, so die Bürgermeisterin. Daher laute überall der Appell: Rücksicht auf die Menschen nehmen und Umgehungsstraßen nutzen.

In den Dörfern, die in den letzten Jahren vermehrt von Starkregen und Hochwasser betroffen waren, wurden neben zahlreichen Arbeiten an Gräben und Kanälen auch privat Maßnahmen zum Eigenschutz ergriffen. Alle Beteiligten – Stadt, Landwirte, Feldmarkinteressentschaften, Leineverband und private Anlieger – seien gefordert, die Gewässer regelmäßig zu pflegen, aber auch mit dafür zu sorgen, dass Wasser im Boden versickern könne. „Versiegelungen verschärfen die Probleme“, weiß Schwarz. In Abstimmung mit den Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern seien dezentrale Sandsacklager geschaffen worden, um bei Hochwassergefahr schneller reagieren zu können. Für Altgandersheim sei ein umfangreicher Schutz der Turner-Musik-Akademie in Arbeit. Wichtig sei zudem ein umfassendes Hochwasserschutzkonzept, das in den städtischen Gremien erarbeitet werde. Allen sei jedoch klar, dass es keinen hundertprozentigen Schutz geben könne. „Die Sorge der Menschen in den Dörfern vor erneuter Überflutung ist nachvollziehbar, die Extremwetter-Ereignisse nehmen überall zu“, bermerkte sie.

Weitere Themen, die Schwarz beschäfigten, waren unter anderem die Grünpflege und Baumrückschnitte, die Situation auf den Friedhöfen, der Zustand von Straßen, Wünsche nach neuen Bänken und nach neuen Geräten auf den Spielplätzen. Diese Punkte würden nach und nach von der Stadt abgearbeitet. Dort, wo erkennbar Gefahr im Verzug war, wie zum Beispiel bei einer fehlenden Absicherung an einem Gewässer in Harriehausen, wurde schnellstmöglich gehandelt. Kleinigkeiten, wie etwa ein fehlender Behälter für Hundkotbeutel, seien umgehend erledigt worden. „In Gehrenrode wurden nach meinem Hinweis an den ÖPNV die Bushalteschilder korrigiert“, berichtete Schwarz, „Andere Bereiche, insbesondere grundlegende Straßensanierungen, werden erst nach Erstellung einer Gesamtbestandsaufnahme für das Stadtgebiet mit Prioritätensetzung durch Ratsbeschluss vorgenommen werden können.“ Den meisten Bürgerinnen und Bürgern sei bewusst, dass nicht alle Wünsche sofort und umfassend erfüllt werden können. Dennoch sei es gut, dass viele von ihnen die Gelegenheit genutzt hätten, Hinweise und Anregungen auch für die Zukunft zu geben. Denn die Erfahrungen der Menschen in den Dörfern sei auch ein großer Schatz, der genutzt werden solle.

Jedes Dorf habe seine Besonderheiten, dazu nur einige Beispiele: „In Ackenhausen ist der Spielplatz mit viel ehrenamtlichem Engagement und Spenden besonders attraktiv geworden“, so Schwarz. Altgandersheims Bürgerverein habe sehenswerte Plätze an Ortseingängen und Kirche geschaffen und engagiere sich für einen gemeinsamen Dorfplatz mit barrierefreien Spielmöglichkeiten. Clus verfüge über wahre Sehenswürdigkeiten: Pony-Gestüt mit Klosterkirche sowie den Klosterhügel Brunshausen. In Dankelsheim haben Anwohner eine Straße mit Bänken ausgestattet, um den Ausblick auf die Heberbörde zu genießen; außerdem gebe es ein vielseitiges, selbst errichtetes Sportheim. Auch in Dannhausen sei mit Bürgerengagement das Dorfgemeinschaftshaus modernisiert worden. Ellierode besteche als „vergessenes Dorf“ nach wie vor mit seiner versteckten, schönen Lage. In Gehrenrode werde der Turm der Dorfkirche saniert – ein Dorf mit etlichen Betrieben, Gastronomie, Kunst und Kultur.

Gremsheim verfüge nicht nur über einen Kindergarten, sondern habe es geschafft, sein altes Buswartehäuschen zu erhalten. In Hachenhausen gebe es sogar ein Schloss mit einem wunderschönen, privaten Garten – außerdem eine sehenswerte kleine Kirche und das ehrenamtlich verwaltete Dorfgemeinschaftshaus. Harriehausen als größtes Dorf feiere wohl die meisten Feste; der eigene Park werde ebenfalls ehrenamtlich gepflegt. Heckenbeck habe durch seine Schule und Kulturszene einen überregional großen Bekanntheitsgrad; es sei ein „wachsendes Dorf“. Helmscherode sei ein besonders kinderfreundliches Dorf. In Seboldshausen sei das Regenrückhaltebecken bekannt; für die Dorfgemeinschaft sei ein gemeinsamer Platz für Begegnungen angedacht. Wolperode mit seinen Gastronomien sei für viele Wanderer und Radfahrer ein beliebtes Ziel. Und zu Wrescherode gehörten nicht nur ein kirchliches Jugendzentrum, ein Kindergarten, Flugplatz, ein Campingplatz und eine Kurklinik, sondern auch großes nachbarschaftliches Engagement.

„Die Ergebnisse aus den Dorfbesuchen werden aufgearbeitet und auch in den regelmäßigen Gesprächen, die ich mit den Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern führe, weiter thematisiert“, erklärte die Bürgermeisterin abschließend.red