Kreis sieht Vorrangflächen im Stadtgebiet

Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogrammes vorgelegt / Hohe Heide und am Heber als Standorte geeignet

Ausgeschlossen: Das bereits bestehende Windenergieanlagen-Vorranggebiet am Heber oberhalb von Dannhausen und mit denkbarer Erweiterung Richtung Ackenhausen ist nicht umsetzbar.
Geeignet: Die Fläche der sogenannten Hohen Heide im Tal der Gande zwischen Gehrenrode, Dankelsheim und Altgandersheim ist als sogenannte Potenzialfläche und damit Vorranggebiet ausweisbar.

Bad Gandersheim. In dieser Woche ist er erstmals öffentlich vorgestellt worden: Der Entwurf zur Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) mit besonderem Bezug auf die Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergie. Mehr als ein Jahr ist daran im Landkreis Northeim gearbeitet worden. Jetzt kann das 589 Seiten starke Werk in Kürze dem Kreistag zum Beschluss vorgelegt werden.

Die Notwendigkeit zur Neuaufstellung des RROP ergab sich aus dem wachsenden Druck, Flächen für die Windenergie zur Verfügung zu stellen. Da viele Kommunen sich gegen eine weitere „Verspargelung der Landschaft“ zur Wehr setzen, andererseits aber ein genereller Anspruch darauf besteht, einen bestimmten Flächenanteil für Windenergieanlagen zur Verfügung zu stellen, nahm der Landkreis Northeim das Heft in die Hand und startete im Jahr 2019 die Neuaufstellung des Raumordnungsprogrammes.

Mit dem klaren Ziel, darin die Vorrangflächen im Gebiet des Landkreises ausfindig zu machen und über die Raumordnung die Sicherheit zu schaffen, dass nach Festsetzung fortan nur noch in diesen Windenergieanlagen eine Genehmigungschance haben. Das gibt beiden Seiten Sicherheit: Den Kommunen, die wissen, wo solche Anlagen noch gebaut werden können, und den Betreibern, die sich damit unnötige Antragsverfahren auf Flächen ersparen, die letztendlich nur Ablehnung erfahren würden.

In den ersten Vorstellungsrunden im vergangenen Jahr hatte der Landkreis die Grundzüge des Herangehens vorgestellt. Eine große Menge an Faktoren waren zu berücksichtigen. In einer ersten Vor­auslese war bereits klar, dass es im gesamten Kreisgebiet nicht allzu viele Flächen geben wird, in denen noch Windenergieanlagen gebaut werden könnten. Einige in Betracht kommende Flächen lagen dabei aber bereits erkennbar im Bereich der Stadt Bad Gandersheim.
Diese war, wie alle anderen Kommunen des Kreises auch, dem Programm beigetreten, und hatte sich damit auch dem Gesamtverfahren angeschlossen. Die Stadt hätte auch allein ein solches Auswahlverfahren für Vorranggebiete durchlaufen können, dann wären dafür aber auch alle Kosten an ihr hängen geblieben und die Rechtsunsicherheit, dass Klagewege gegen eine solche Ausweisung vielleicht doch Erfolg gehabt hätten. In der geballten Kraft eines RROP ist dies deutlich schwieriger und die Gesamtlast liegt beim Landkreis.

Dezidiert weist nun das neue Raumordnungsprogramm für alle theoretisch wie praktisch in Frage kommenden Flächen aus, ob eine Eignung gegeben ist und sie als Vorranggebiete für Windenergie ausgewiesen werden, oder falls nicht, welche Gründe das ausschließen. Im Gebiet der Stadt Bad Gandersheim sind vier Flächenkomplexe untersucht worden: Zuvorderst die bereits bestehende und als Vorranggebiet ausgewiesene Fläche nördlich Dannhausens am Heberrand. Dann drei Teilflächen ebenfalls am Rande des Hebers oberhalb von Gremsheim. Des Weiteren das große Talgebiet der Hohen Heide zwischen Dankelsheim und Altgandersheim sowie eine Fläche im Tal östlich Heckenbecks.

Im Rahmen der für allen Flächen vorgenommenen Einzelfallprüfung wurden Faktoren wie Erholung und Sozialverträglichkeit, Infrastruktur und Technik, Natur- und Artenschutz sowie Landschaftsbild, Einfluss auf Boden und Wasser, Denkmalschutz, Raumverträglichkeit und noch weitere Belange betrachtet und bewertet. Die Liste zeigt bereits, welche enormer Aufwand in jedem einzelnen Fall betrieben werden musste.

Gebiet 1: Dannhausen

Lange Zeit hat sich die Stadt Bad Gandersheim auf den Standpunkt berufen, sie habe in ihrer Stadtfläche mit den Anlagen bei Dannhausen bereits ihren Teil zur Förderung der Windkraft beigetragen. Der Bereich war als Vorranggebiet für Windenergieanlagen ausgewiesen. Grundsätzlich bestanden Überlegungen, es in westlicher Richtung auf den Bereich links und rechts der Landesstraße 489 oberhalb Ackenhausens zu erweitern, um damit Ausbauflächen anzubieten, die eine Nutzung weiterer Flächen im Stadtgebiet verhindern sollten.

Für die Fläche oberhalb Dannhausens und Ackenhausens war das Ergebnis im RROP schnell eindeutig: Die Potenzialfläche ist als Vorranggebiet für Windenergienutzung nicht geeignet. Das Aus machte sich an einem Ausschlussumstand fest: Die Bundeswehr würde eine Genehmigung für größte Teile der Fläche versagen, weil sie im Bereich einer Hubschraubertiefflugstrecke liegen. Urteil des RROP deswegen: „Die Potenzialfläche steht für eine mögliche Windenergienutzung nicht zur Verfügung. Der verbleibende Bereich der Fläche ist für die Konzentration und den Bau von drei Windenergieanlagen zu klein“.

Gebiet 2: Hohe Heide (Altgan 01)

Anders sieht das im Fall der Hohen Heide im Tal der Gande und westlich von dieser aus. Schon bei den Vorarbeiten für das RROP war deutlich geworden, dass es kaum Gründe geben werde, hier eine mögliche Errichtung von Windenergieanlagen zu verhindern. Betrachtet wurde eine Fläche von rund 122 Hektar, in der Karte oben rechts gelb markiert.

Das Ergebnis fiel so aus: „Nach Abwägung der relevanten Belange ist die Potenzialfläche teilweise für die Festlegung als Vorranggebiet Windenergienutzung geeignet. Am westlichen Rand der Potenzialfläche, wird ein Schutzabstand von 100 Metern zu dem Waldgebiet Bruchhai von der Windenergienutzung ausgeschlossen, um die besondere Funktion der Waldränder zu schützen und Beeinträchtigungen zu vermeiden. Im Rahmen des 3. Arbeitsschritts erfolgen die Überprüfung der Umfassung der Siedlungen sowie der Abstand zu den angrenzenden Potenzialflächen, um eine übermäßige Beeinträchtigung zu vermeiden“.
In der genauer ausgeführten Begründung liest sich das dann so: „Die verbliebene Potenzialfläche wird teilweise als grundsätzlich raum- und umweltverträglich beurteilt und ist für die Festlegung als Vorranggebiet Windenergienutzung geeignet. Altgandersheim 01 wirkt kumulativ mit Gremsheim 01 vor allem auf die Ortschaft Gremsheim, die durch die beiden Potenzialflächen mit 213 Grad umfasst wird. Aus Blickwinkel von Gremsheim liegt zwischen den Potenzialflächen nur ein Winkel von 46 Grad. Um unzumutbare Beeinträchtigungen auf die Ortschaft Gremsheim zu vermeiden, wird der nordöstliche Randbereich der Potenzialfläche von einer möglichen Windenergienutzung ausgeschlossen, um einen Freihaltewinkel von 60 Grad zu erhalten. Durch den Wegfall der Fläche wird eine direkte Betroffenheit der Gande mit den gesetzlich geschützten Biotopen (§ 30 BNatSchG) vermieden.

Zusätzlich werden durch die Wirkung von Altgandersheim 01 und Gremsheim 01 die Ortschaften Helmscherode, Gehrenrode und Altgandersheim auch unter Berücksichtigung der bestehenden Windenergieanlage im Landkreis Hildesheim kumulativ beeinträchtigt. Eine Umfassung ist allerdings nicht gegeben, da zwischen den Potenzialflächen und der Bestandsanlage 60 Grad eingehalten werden beziehungsweise die Potenzialflächen aus Blickwinkel der Ortschaften keine 120 Grad einnehmen.

Durch den Ausschluss der nordöstlichen Teilfläche wird zwar sichergestellt, dass keine Umfassung vorliegt. Allerdings sind die umliegenden Ortschaften durch die Potenzialflächen Altgandersheim 01 und Gremsheim 01 stark beeinträchtigt. Verstärkt wird die Situation durch die vorhandene topografische Situation und dem geringen Abstand von 2000 Meter. Im Umfeld der Siedlungen sind jedoch umfangreiche, für die Erholung geeignete Landschafträume vorhanden, die von Windenergieanlagen nicht oder kaum beeinträchtigt werden. Langfristig kommt es zu einer Verminderung der Landschaftsbeeinträchtigung im Bereich von Bad Gandersheim, da der bestehende Windpark im Bereich von Dannhausen, aufgrund der großräumigen Lage im Hubschraubertiefflugkorridor, für eine zukünftige Windenergienutzung nicht mehr zur Verfügung steht und lediglich einen Bestandsschutz aufweist.

Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahrens sind die Belange der Bevölkerung (zum Beispiel Anlagenwahl, Schattenwurf, Befeuerung) besonders zu beachten.

Ob diese Ausführungen eines – bislang noch nicht beschlossenen – Raumordnungsprogrammes noch Auswirkungen auf ein bereits laufendes und in seinen Verfahrensschritten fortgeschrittenen Genehmigungsverfahren haben, blieb dabei offen. Bekanntlich hat ja zu den bestehenden Genehmigungsanfragen bereits eine öffentliche Beteiligung stattgefunden, zuletzt mit einer Online-Erörterung der Einwendungen.

Gremsheim 01

Dritter Flächenkomplex sind drei Einzelgebiete, die nördlich und östlich von Gremsheim am Heberwaldrand liegen. Die drei Teilflächen sind rechts im Bild erkennbar. Das RROP kommt im Fazit zum Ergebnis: Nach Abwägung der relevanten Belange ist die Potenzialfläche für die Festlegung als Vorranggebiet Windenergienutzung grundsätzlich geeignet.

Die Teilfläche a, c und d weisen zwar ein hohes avifaunistisches Konfliktpotenzial auf. Nach der gutachterlichen Untersuchung und Beurteilung der Avifauna ist auf der gesamten Potenzialfläche eine Windenergienutzung allerdings bedingt möglich (ÖKOTOP 2020). Im Rahmen der Gesamtabwägung wird die Umfassung der benachbarten Siedlungen sowie der Abstand zu den angrenzenden Potenzialflächen untersucht, um eine übermäßige Beeinträchtigung zu vermeiden.
Ausführlicher heißt es: „Die verbliebene Potenzialfläche wird teilweise als grundsätzlich raum- und umweltverträglich beurteilt und ist für die Festlegung als Vorranggebiet Windenergienutzung geeignet.

Die Ortschaft Gremsheim wird in einem Winkel von 133 Grad von der Potenzialfläche umgeben. Kumulativ mit den angrenzenden Potenzialflächen Altgandersheim 01 und Ackenhausen 01 ergibt sich eine Beeinträchtigung von insgesamt 213 Grad. Aus Blickwinkel von Gremsheim liegt zwischen den Potenzialflächen nur ein Winkel von 46 Grad. Um unzumutbare Beeinträchtigungen auf die Ortschaft Gremsheim zu vermeiden, wird der nordwestliche Randbereich sowie die Teilfläche d und der südliche Bereich der Teilfläche c der Potenzialfläche von einer möglichen Windenergienutzung ausgeschlossen, um einen Freihaltewinkel von 60 Grad zu erhalten und eine Umfassung von 120 Grad zu verhindern. Von den direkt angrenzenden Ortschaften aus liegt die Potenzialfläche damit vollständig hinter der 110-kV-Leitung, die bereits eine Vorbelastung des Landschaftsraumes darstellt.

Zusätzlich werden durch die Wirkung von Altgandersheim 01 und Gremsheim 01 die Ortschaften Helmscherode, Gehrenrode und Altgandersheim auch unter Berücksichtigung der bestehenden Windenergieanlage im Landkreis Hildesheim kumulativ beeinträchtigt. Eine Umfassung ist allerdings nicht gegeben, da zwischen den Potenzialflächen und der Bestandsanlage 60 Grad eingehalten werden beziehungsweise die Potenzialflächen aus Blickwinkel der Ortschaften keine 120 Grad einnehmen. Durch den Ausschluss der nordwestlichen und südlichen Bereiche der Potenzialfläche wird zwar sichergestellt, dass keine Umfassung vorliegt.

Allerdings sind die umliegenden Ortschaften durch die Potenzialflächen Altgandersheim 01 und Gremsheim 01 stark beeinträchtigt. Verstärkt wird die Situation durch die vorhandene topografische Situation und dem geringen Abstand von zirka 2000 Metern. Im Umfeld der Siedlungen sind jedoch umfangreiche, für die Erholung geeignete Landschafträume vorhanden, die von Windenergieanlagen nicht oder kaum beeinträchtigt werden.

Langfristig kommt es zu einer Verminderung der Landschaftsbeeinträchtigung im Bereich von Bad Gandersheim, da der bestehende Windpark im Bereich von Dannhausen, aufgrund der großräumigen Lage im Hubschraubertiefflugkorridor, für eine zukünftige Windenergienutzung nicht mehr zur Verfügung steht und lediglich einen Bestandsschutz aufweist.

Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahrens sind die Belange der Bevölkerung (zum Beispiel Anlagenwahl, Schattenwurf, Befeuerung) sowie das hohe avifaunistische Konfliktpotenzial besonders zu beachten.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens sind zudem die Schutzabstände zu der 110 kV-Leitung sowie das Wasserschutzgebiet Gremsheim zu berücksichtigen.

Heckenbeck 01

Zu guter Letzt wurde auch eine etwa 32 Hektar große Fläche am Nordhang des Wadenberges zwischen Heckenbeck und Bad Gandersheim betrachtet. Das Ergebnis fiel allerdings knapp wie eindeutig aus: „Die Potenzialfläche ist insgesamt für die Festlegung als Vorranggebiet Windenergienutzung nicht geeignet und entfällt. Ausschlaggebend ist vor allem die gutachterliche Untersuchung und Beurteilung der Avifauna im Bereich der Potenzialfläche und die nicht empfohlene Windenergienutzung (ÖKOTOP 2020). Zudem weist der südliche Bereich der Teilfläche a und b großräumige und wertvolle Grünlandbereiche auf.“

Das RROP kommt nun zum Beschluss in den Kreistag. Ob dies bereits in der nächsten, bald anstehenden Sitzung sein wird, ist noch nicht bekannt. Bis es in Kraft tritt und Wirkung entfalten kann, wird aber noch einige Zeit vergehen, zumal weitere Verfeinerungen anstehen. Dennoch werden die hier dargelegten Beurteilungen sicher noch lokal wie regional so manche Diskussion auslösen.rah