Bad Gandersheim. Die meisten, die mit den Zahlen zu tun hatten, aber auch viele Gandersheimer als sie davon erfuhren, werden erst einmal einen Moment gebraucht haben, um das zu begreifen: Im vorläufigen Ergebnis der Massentestung von Bewohnern des Glaubenszentrums am Montag – das endgültige lag auch gegen 16 Uhr am Donnerstag noch nicht vor – war die Hälfte der Getesteten Corona-positiv! Mindestens 123 der insgesamt 252 Getesteten waren mit dem Virus infiziert.

Die Zahl könnte sich angesichts einer kleinen Zahl noch ausstehender Testergebnisse noch geringfügig erhöhen. Das verändert allerdings nur statistische Werte, nicht mehr die unfassbare Situation eines Massenausbruches, wie er so in Niedersachsen wie bundesweit bislang nur wenige Beispiele findet.

Für den Landkreis Northeim bedeutet dies, dass er in der sogenannten 7-Tage-Inzidenz auf einen dreistelligen Wert knapp über 100 steigt. Damit reiht er sich binnen drei Tagen direkt in die Spitzengruppe aller deutschen Landkreise ein, und das allein durch den Corona-Ausbruch in Bad Gandersheim. Konsequenzen für die bereits erlassenen Maßnahmen hat das jetzt nicht mehr. Diese ziehen ab der Überschreitung der Marke 50 auf 100.000 genauso wie bei 100 auf 100.000.

Das gesamte Glaubenszentrum bleibt damit weiter unter Quarantäne. Heißt an sich: Haus nicht verlassen. Das mussten bereits viele Privatmenschen erfahren, die Kontaktpersonen waren oder corona-positiv. Vom Osterberg mehrten sich aber am Donnerstagnachmittag die Hinweise, dass da durchaus Menschen ein- und ausgehen und Bewegungen zwischen dem eigentlichen Glaubenszentrumskomplex und dem Gästehaus am Schanzenstieg zum Beispiel zu beobachten wären.

Dies scheint auf den ersten Blick der Quarantäneanordnung zu widersprechen. Die Nachfrage des Gandersheimer Kreisblattes beim Polizeikommissariat Bad Gandersheim ergab aber noch am Donnerstag­nachmittag, dass es dafür eine mit dem Landkreis abgestimmte Genehmigung gibt. Glaubenszentrums-Bewohner, die im Gästehaus am Schanzenstieg untergebracht sind, dürfen demnach den Weg ins Glaubenszentrum und zurück nehmen. Dies geschieht zudem am Wald entlang und unter bestimmten Vorgaben der Kontaktvermeidung. Die Polizei kontrolliere zudem die Einhaltung der Quarantäne, wozu es offenbar auch eine Aufstockung des Personals geben wird.

Der in dieser Dimension unerwartete Massenanfall an Corona-Positivtests hat in der Bevölkerung zu sehr unterschiedlichen Reaktionen geführt. Die reichten von Schock über Trauer und Genesungswünsche bis hin zu Wut. Vielfach wurde gerade dabei der Vorwurf laut, bei einer solchen Infektionsrate könnten die Sicherheitsvorgaben ja wohl keinesfalls eingehalten worden sein.

In den Fokus gerät außerdem noch die am 3. Oktober in der Erweckungshalle durchgeführte Veranstaltung zum Tag der deutschen Einheit. 250 Menschen nahmen daran teil. Es gibt Hinweise darauf, dass Coronaregeln dabei nicht eingehalten worden sein sollen. Bislang sah der Landkreis noch keinen Anlass, den Kreis der Teilnehmer wohlmöglich auch noch zum Test zu bitten.rah