Projekttag zur sogenannten „Kinderpflegestätte“ Brunshausen

Schüler der Oberschule Bad Gandersheim arbeiten Vergangenheit der Häftlinge auf und errichten Gedenkstele

Die Schüler des 10. Jahrgangs der Oberschule stellten Tonziegeln her, die den verstorbenen Kindern ihre Namen zurückgeben sollen.

Bad Gandersheim. Die Oberschule Bad Gandersheim hat sich im Rahmen des Projektes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zur Aufgabe gemacht, sich aktiv gegen die gesamte Bandbreite von Rassismus und Diskriminierung zu engagieren. Mit einem Projekttag zur sogenannten „Kinderpflegestätte“ Brunshausen setzt sie ein Statement: „Rassismus? – nie wieder!“

Am Gedenktag des Holocaust, dem 27. Januar, gestalteten die Schüler des 10. Jahrgangs der Oberschule Bad Gandersheim, in Zusammenarbeit mit Dr. Rainer Bendick, Bildungsreferent im Bezirksverband Braunschweig des „Volksbundes für Deutsche Kriegsgräberfürsorge“, einen Projekttag. Erklärtes Ziel in diesem Jahr war, neben der Aufarbeitung der Vergangenheit der Häftlinge in Brunshausen, die Errichtung einer Gedenkstele sowie einer weiteren Geschichts- und Erinnerungstafel, die insbesondere über die Geschichte der verstorbenen Kinder in der Kinderpflegestätte berichtet.

In enger Zusammenarbeit zwischen Dr. Rainer Bendick, der Oberschulleitung Petra Dröge und Lars Obermann von der Stadtverwaltung Bad Gandersheim sowie den betreuenden Lehrkräften wurde dieser besondere Tag intensiv vorbereitet. Insgesamt drei Schülerarbeitsgruppen werden ihren wertvollen Beitrag für eine Erinnerungskultur und gegen das Vergessen leisten. Im Rahmen des Projekttages erstellten sie Texte für die Gedenktafel, entwarfen kreative Beiträge für die Einweihungsfeier von Gedenkstele und Geschichts- und Erinnerungstafel und stellten Tonziegeln her, die den verstorbenen Kindern ihre Namen zurückgeben sollen.

Der Projekttag wurde von Dr. Bendick eingeleitet. Emotional herausfordernd waren seine Erläuterungen zur Errichtung der sogenannten „Kinderpflegestätte“ Brunshausen durch die Nationalsozialisten ab Sommer 1944. Eindrucksvoll schilderte er die widrigen Umstände, unter denen osteuropäische Zwangsarbeiterinnen zum Beispiel auf umliegenden Bauernhöfen arbeiten mussten, geschwängert wurden und ihre Kinder in zunächst ungeschützter Umgebung gebaren. Die Errichtung der „Kinderpflegestätte“ verhalf den Frauen zwar zu einem geschützteren Raum, um ihre Babys zu entbinden und versprach auch, diese in Obhut zu nehmen, während sie nach wenigen Tagen wieder arbeiten mussten, doch überlebten ihre Kinder nur wenige Tage bis Wochen, weil man sie vernachlässigte.

Menschenunwürdig wurden die Leichen auf dem Salzbergfriedhof neben dem Gräberfeld der KZ-Häftlinge begraben. Nichts erinnerte an sie. Selbst als eine Chance dazu bestand, wurden die Gräber nicht als Kriegsstätte anerkannt, so Bendick.

Das wollen und können die rund 60 Akteure des Oberschul-Projekts für die Zukunft nicht so stehen lassen, weshalb sie sich im Anschluss an Bendicks Einführung, direkt ans Werk machten:

Eine Gruppe widmete sich der Rekonstruktion der Gräber anhand alter Schriftstücke. Für jeden der 20 verstorbenen Säuglinge erstellten sie eine Tonziegeln mit deren Namen sowie Geburts- und Sterbedatum. Die Tonziegeln sollen in einem nächsten Schritt an einer Stele aus Eichenholz befestigt werden, die am Ort der Grabstätte als Mahnmal fungiert.

Die zweite Gruppe erstellte Texte, die über die Geschichte der verstorbenen Kinder berichten. Dabei war es den Schülern wichtig, dass über die NS-Ideologie, die Situation der Zwangsarbeit in Südniedersachsen und Bad Gandersheim in der NS-Zeit, das Problem der Schwangerschaft der Ostarbeiterinnen, die „Kinderpflegestätte“ Brunshausen und den Verbleib der Kinder auf dem Salzbergfriedhof informiert, erinnert und aufgeklärt wird. Die Geschichts- und Erinnerungstafel, die an die Kinderopfer erinnern wird, entsteht auf Grundlage dieser Schülertexte.

Die dritte Arbeitsgruppe befasste sich mit der Ausgestaltung der Einweihungsfeier, die im April dieses Jahres stattfinden soll. Sie erarbeitete Beiträge für die schuleigene Homepage, verfasste Ansprache- und Begrüßungstexte für diese Einweihungsveranstaltung und gestaltete kreative Beiträge, wie Gedichte, kurze Geschichten und Gedanken zum Erinnern an die verstorbenen Kinder.

Nach intensiver Aufarbeitung dieser nicht ganz leichten Themenfelder fand im Forum der Oberschule ein gemeinsamer Abschluss des Projekttages statt. Der besondere Dank galt hier den Schülern, die hervorragende Arbeit geleistet haben. Für das leibliche Wohl konnte dank einer zweckgebundenen Spende von Dieter Voss an die AWO Bad Gandersheim gesorgt werden.

Der nächste gemeinsame Meilenstein wird die offizielle Eröffnungsfeier am 21. April 2022 sein. Mit diesem Tag wird auf dem Salzbergfriedhof ein Ort der Erinnerungen geschaffen: Geschichts- und Erinnerungstafeln sowie die Gedenkstele erinnern sowohl an die Geschehnisse des KZ-Außenlagers Brunshausen als auch an die Geschehnisse, die die wehrlosen Kinder zu Opfern machten – ein Ort der Erinnerung, der gegenwärtig und zukünftig Besucher sensibilisieren soll.red