Reiht sich Bad Gandersheim in die Phalanx der LAGA-Verschieber ein?

Verschiebung auf 2023 aktuell wahrscheinlichtes Szenario / Mehrkosten werden aktuell auf vier Millionen Euro geschätzt

Bad Gandersheim. Steht die Landesgartenschau in der Roswithastadt vor einer Verschiebung? Die Frage steht offenbar akut auf der Agenda, seit mit dem Bericht von LAGA-Geschäftsführer Thomas Hellingrath im Rat vor zwei Wochen offen bekannt geworden ist, dass dort wegen aktueller Problemlagen Szenarien durchgespielt werden sollen, über die in Kürze in Kreistag und Stadtrat entschieden werden soll.

Am heutigen Dienstag findet eine nichtöffentliche, vermutlich online ausgerichtete Informationsveranstaltung für beide Gremien statt. Danach geht es in die internen Beratungen, die dann ab dem 13. Dezember (Kreisausschuss) und bis 17. Dezember (Kreistagssitzung) zu Entscheidungen führen sollen. Am 16. Dezember tagt dazwischen der Stadtrat.

Eine Verschiebung auf 2023 ist dabei nur eines der Szenarien, die anderen reichen von einem verspäteten Beginn über eine nicht in allen Teilen fertige LAGA in 2022 bis hin zur totalen Absage. Die allerdings wird von allen Seiten als extrem unwahrscheinlich eingestuft, dazu ist schon viel zu viel erreicht und fertiggestellt.

Eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit hingegen gibt es für eine mögliche Verschiebung um ein Jahr. Mit einem solchen Beschluss wäre die Stadt Bad Gandersheim im Übrigen in „guter Gesellschaft“, denn Verschiebungsentscheidungen sind in den letzten zwei Jahren bei einer ganzen Reihe von Landesgartenschauen in Deutschland getroffen worden.

So in Eppingen (Baden-Württemberg), wo von 2021 auf 2022 verschoben wurde. Gleiches geschah im selben Ländle in Überlingen, wo die Verchiebung von 2020 auf dieses Jahr erfolgte. Ebenso in Ingolstadt (Bayern), wo die LAGA in diesem Jahr erst durchgeführt wurde statt wie geplant im letzten. Eine Parallele zu Bad Gandersheim ergäbe sich mit dem sachsen-anhaltinischen Bad Dürrenberg, das seine LAGA wie Bad Gandersheim für 2022 geplant hat, aber eine Verschiebung auf 2023 dort bereits beschlossen ist. Gleiches gilt für Freyung in Bayern, das seine LAGA auch von 2022 auf 2023 verschoben hat.

Die große Gemeinsamkeit dabei ist: Corona. Das Virus indes ist aber nur der Auslöser für eine Palette von Umständen, die zur Ursache und Begründung der jeweiligen Verschiebungen geführt haben.

Bei den Gartenschauen, die aus 2020 um ein Jahr verschoben wurden, waren es vor allem die Bedenken in Bezug auf die Durchführung unter Coronabedingungen, weil es 2020 noch keinen Impfschutz gab. Befürchtet wurden daher enorme Abstriche bei den Besucherzahlen, zumal zahlreiche Veranstaltungen im Programm der Gartenschauen mit großen Zuschauerzahlen konzipiert waren, die so gar nicht mehr zulässig gewesen wären.
Diese Befürchtungen gibt es auch für 2022 noch – erst recht vor dem Hintergrund des gerade stattfindenden Infektionsgeschehens. Mit den Erfahrungen von Landesgartenschauen, die sowohl 2020 als auch in diesem Jahr stattgefunden haben, liegt darauf aber tatsächlich nicht mehr so sehr der Fokus.
Stattdessen sind Ausrichter, die jetzt vor der Frage stehen, ob sie nächstes Jahr eröffnen können, eher von Folgewirkungen des Virus’ betroffen. Corona beeinflusst die Wirtschaft in allen Gliederungen. Das hat seit Monaten sukzessive zu wachsenden Problemen geführt. Zum einen durch eine Materialverknappung. Die hat sofort eine Verlängerung von Lieferfristen und Kostensteigerungen nach sich gezogen.

Mit Beginn und Steigerung der vierten Welle eskaliert dies nun: Zahlreiche Firmen müssen mit Problemen kämpfen wie Ausfällen durch Erkrankung, Quarantänen, von denen manchmal gleich ganze Abteilungen betroffen sind, Einschränkungen der Produktionskapazitäten und anderen Hemmnissen mehr, die durch aktuelle Verordnungen auftreten. Auch vor Ort auf den Baustellen schwebt man zur Zeit ständig in der Gefahr von Mitarbeiterausfällen durch Coronaerkrankungen oder Quarantänen.

In dieser Lage finden sich nun alle Landesgartenschauen wieder, die 2022 stattfinden sollen und denen droht, dass sie zum Eröffnungstermin (in der Regel Mitte April) einfach nicht mehr fertig werden können. Das zwingt die Durchführungsgesellschaften und die Verantwortlichen in den ausrichtenden Kommunen, Landkreisen und Ländern zur Reaktion. Und eine immer öfter gewählte ist dabei die Verschiebung um ein Jahr.

Das mag auf den ersten Blick als einfache wie gute Lösung aussehen: Es bleibt mehr Zeit, die LAGA kann in Ruhe vollendet werden. Viele könnten sich mit einer solchen Entscheidung deshalb auch schnell abfinden.

Doch bei genauerer Betrachtung wird es schnell sehr kompliziert und lässt erahnen, vor welcher Aufgabe die Mitarbeiter der Duchführungsgesellschaft aktuell stehen, wenn sie die verschiedenen Szenarien beschreiben, durchspielen und auch möglichst noch mit Kostenberechnungen hinterlegen sollen.

Verschiebung: Die Vorteile

Bleiben wir beim Thema Verschiebung. Auf der Seite der Vorteile ließen sich unter anderem anführen:

- Ausreichend Zeit, um die LAGA, wie sie einmal beplant wurde, zu vollenden.

- Kostendämpfung, weil Aufträge nicht zu den gerade explodierenden Kosten vergeben werden müssen, sondern auf günstigere Zeitfenster binnen der Zusatzfrist eines Jahres gewartet werden kann.

- Vorhaben, die jetzt schon als nicht mehr herstellbar gelten, wie das Sanitärgebäude im Freibad, können doch entstehen.

- Und es eröffnen sich Chancen für Vorhaben, in ein LAGA-Jahr 2023 dazuzukommen, die im Moment erst danach zur Umsetzung anstanden. Beispiel Kletter- und Eventpark, Clusturm, Sauna im Freibadbereich.

Und die Nachteile ...

Dem gegenüber stehen aber auch Nachteile:

- Zuvorderst: Es wird unausweichlich eine Kostenausweitung geben, weil ein zusätzliches Jahr überbrückt werden muss. Dafür stehen ein bis zwei Millionen Euro zu erwarten, wenn man andere LAGAs zum Maßstab macht. Die Ausweitung des Finanzrahmens ist nur mit Unterstützung durch das Land zu tragen.

- Die aktuell nicht nutzbaren Flächen werden – mit hoher Wahrscheinlichkeit in größten Teilen – ein weiteres Jahr unzugänglich beziehungsweise hinter Zäunen verborgen bleiben. Das ist aus mehreren Gründen nicht anders machbar: Gebaut würde im Verschiebungsfalle nun ja ohnehin vermutlich bis etwa Mitte 2022 noch.

Danach muss die LAGA Sicherheit und Unversehrtheit des LAGA-Geländes garantieren. Das wäre mit einer Öffnung ebensowenig vereinbar, wie dann auch der Überraschungseffekt verpuffen würde. Und zu guter Letzt gibt es ein fiskalisches Problem: Bei vorheriger Freigabe könnte die Vorsteuerabzugsberechtigung entfallen,was Rückzahlungen in Millionenhöhe bedeuten würde. Folglich müssten weite Teile des LAGA-Geländes ein Jahr länger gesperrt bleiben. Was mindestens in einigen Bereichen (zum Beispiel Plangarten, Kurpromenade und Füllekuhle) sicher manchen Unmut nach sich ziehen würde, wenn diese zwar fertig, aber unbenutzbar sein sollten.

- Enorme Mehrarbeit käme auf die Durchführungsgesellschaft zu, weil es ja bereits ein für 2022 aufgestelltes Veranstaltungsprogramm gibt, das zu weiten Teilen ja auch mit Verträgen hinterlegt ist, die dann auf 2023 umgearbeitet werden müssten. Vor diesen Schritt sahen sich aber andere Ausrichter auch schon bei der Verschiebungsentscheidung gestellt und haben die Aufgabe bewältigt.

Verschiedene Sichtweisen gibt es auf einen Umstand, der sich bei einer Verschiebung in 2023 ergeben würde: In dem Jahr will auch Höxter eine Landesgartenschau in Nordrhein-Westfalen ausrichten. Manche sehen das kritisch und als Nachteil für Bad Gandersheim, weil man sich bei so viel Nähe um die selben Besucher streite. Andere, darunter erfahrene Touristiker, bezeichneten das sogar als „Glücksfall“, da sich daraus zahlreiche Kooperationen basteln ließen. Die Besuchereinzugsgebiete überschneiden sich zwar in Teilen, das werde aber niemanden hindern, beide LAGAs zu besuchen. Schon der Vergleiche halber.

Entscheidender aber sei fast noch das gebotene Programm. Und das kann am sichersten stattfinden, wenn es nicht noch weiter bedeutsame Einschränkungen wegen der Pandemie zu beachten gibt. 2022 steht da bislang ob schlimmster Welle in Deutschland bisher und den unbekannten Risiken neuer Varianten unter keinem guten Stern. Zwar kann niemand sagen, was uns 2023 ins Haus steht, aber angesichts eines absehbaren Durchgreifens der Politik in der Impffrage darf gehofft werden, dass Deutschland die Pandemie 2022 in den Griff bekomme und es danach endlicher wieder „normaler“ weitergehen kann.

Update: Erste Zahlen

Am Montag gab es dann nun auch erste Zahlen für die Szenarien, die am heutigen Dienstag Kreistag und Stadtrat vorgestellt werden sollen. Nach einer internen Berechnung, die in einer Ratsvorlage dargelegt wird, sollen Mehrkosten in Höhe von bis zu vier Millionen Euro entstehen. Die Abdeckung soll mit zwei Millionen vom Land Niedersachsen, 1,3 Millionen vom Landkreis und 700.000 Euro bei der Stadt erfolgen. Das favorisierte Szenario ist die Verschiebung um ein Jahr.rah

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