„Roswitha-Preis“ für Terézia Mora, eine „europäische Schriftstellerin“

Die Frau mit deutsch-ungarischen Wurzeln: Die geborene Erzählerin, eine Ausnahmeerscheinung, schaut in das Innere des Menschen

Terézia Mora: Dankbar und glücklich über den „Roswitha-Preis“ für ihr bisheriges literarisches Schaffen.

Bad Gandersheim. Der mit 5.500 Euro dotierte „Roswitha- Preis“, der Literaturpreis der Stadt Bad Gandersheim, wurde am Sonnabend im historischen Kaisersaal der ehemals reichsfreien Abtei im Beisein des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil an die in Berlin lebende deutsch-ungarische Schriftstellerin Terézia Mora vergeben. Der seit 1973 verliehene Preis erinnert an die erste deutsche Schriftstellerin, die Kanonisse Roswitha von Gandersheim, die im 10. Jahrhundert im Stift Gandersheim Legenden, Dramen und historische Gedichte schrieb.

„Bad Gandersheim bekennt sich zu Roswitha, einer Persönlichkeit des Mittelalters, die als erste deutsche Dichterin in die Geschichte eingegangen ist“, so Bürgermeisterin Franziska Schwarz. Und an die Preisträgerin gerichtet: „Wir fühlen uns sehr geehrt, dass Sie den Literaturpreis persönlich in Empfang nehmen.“

Die Verleihung des „Roswitha- Preises“ findet üblicherweise im November statt, zu Allerheiligen. Roswitha hat einst niedergeschrieben, 881 sei an Allerheiligen die Stiftskirche geweiht worden. In diesem Jahr nun, zur 45. Preisverleihung, fand die Würdigung der Autorin Mora an einem Sommertag statt– aus Anlass der 60. Gandersheimer Domfestspiele.

Terézia Mora wurde 1971 in Sopron (Ungarn) geboren. Sie wuchs in einer Familie – die zur deutschen Minderheit in Ungarn gehört –, zweisprachig auf. Die Preisverleihung an eine Schriftstellerin mit deutschungarischen Wurzeln sei angesichts der aktuellen politischen Diskussionen, einer Zeit wo Begrenzung und Ichdenken zu beobachten seien, ein Zeichen „für die gemeinsame Kultur“, betonte Bürgermeisterin Schwarz.

Die Preisträgerin 1990 nahm Mora an der Humboldt-Universität Berlin ein Studium der Hungarologie und der Theaterwissenschaft auf. An der Deutschen Film- und Fernsehakademie wurde sie zur Drehbuchautorin ausgebildet. Seit 1998 ist Terézia Mora als freie Autorin tätig. Ihre Werke schreibt sie in deutscher Sprache. 2015 wählte sie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zum Mitglied.

Die Entscheidung für Terézia Mora wurde von einer unabhängigen Jury einstimmig getroffen.

Die Begründung der Jury

In der Begründung heißt es: „Terézia Mora ist eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschsprachigen Schriftstellerinnen. Ihre Romane und Erzählungen fangen Ausschnitte von Wirklichkeit ein und transzendieren diese in kunstvoller Weise zu sprachlich herausragender Literatur. In ihren beiden Romanen „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ und „Das Ungeheuer“gelingt ihr auf verblüffende Weise die Darstellung eines von der modernen Arbeitswelt überforderten Individuums und, als Parallelgeschichte, das erschütternde Protokoll eines unbemerkten Krankheitsverlaufs, der in einer Selbsttötung endet.

Mit erzählerischer Wucht und formal raffiniert erzählt Terézia Mora in ihren Büchern von vermeintlicher Nähe, tatsächlicher Fremdheit und der Selbsterkenntnis in die eigenen Unzulänglichkeiten. So erbarmungslos, hart und rigoros der Blick auf ihre Figuren manchmal erscheinen mag, so deutlich zeichnet sich dahinter als Kehrseite dieser Genauigkeit die tiefe Humanität ihres Schreibens ab.“

Die Laudatio auf die Preisträgerin hielt Jurymitglied Christoph Schröder, Literaturkritiker, Autor und Journalist. Er „entdeckte“ Terézia Mora an einem Junitag 2009 in einem Strandbad am Bodensee. Als Lesestoff hatte Schröder „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ dabei; am Ende des Tages hatte er die fast 400 Seiten aus der Feder von Mora gelesen – und war fasziniert.

Am vergangenen Sonnabend, dem letzten Juni-Tag 2018, bezeichnete Christoph Schröder in seiner Laudation die Literatur-Preisträgerin 2018 als „eine europäische Schriftstellerin“, als „eine geborene Erzählerin mit filmischer Erzähltechnik, die tief in das innere des Menschen schaut.“eh