Roswitha-Ring für Sylvia Heckendorn

Publikum wählt die Darstellerin der Edith Piaf zur 45. Preisträgerin dieser Auszeichnung

Vor der Verleihung standen die Lobesworte auf die Damen: Hier wendet sich Peter Neutzling an seine Auserkorene. Alle elf Akteurinnen wurden auf der Bühne vorgestellt.

Bad Gandersheim. Aufregung vor wie hinter den Kulissen: „Frau Bürgermeisterin, ich schlage vor, dass wir im nächsten Jahr die Roswitharingverleihung gleich zu Anfang der Spielzeit machen, die Preisträgerin suchen wir mit ‘Schnick-schnack-schnuck’. Dann hätten wir alle noch die Kraft, das hier durchzustehen“, fasste Jan Kämmerer den Stress zusammen. Ja, die Anspannung war den elf Damen anzusehen, die in einem Block darauf warteten, für die Verleihung des diesjährigen Ringes durch ihre männlichen Kollegen in unterschiedlichster Form vorgestellt zu werden. Die emotionale Ergriffenheit löste schon anfangs so manche Träne. Und die Herren flatterten in heller Aufregung, ihren Vorschlag angemessen zu präsentieren.

Vorab: Das gelang ihnen vorzüglich. Dabei bewiesen sie künstlerisches Geschick, aber vor allem auch Einfallsvielfalt. Wie eben wieder Jan Kämmerer, der das polnische Ensemblemitglied Katarzyna Gorczyca vorstellte, die im „Glöckner“ so herrlich die Ziege Djali und im „Zauberer“ die gute Hexe Glinda gespielt hatte. Da sie kein Deutsch spricht, hatte Kämmerer seine Rede auf Englisch vertont und ließ das die Gepriesene parallel via Kopfhörern mithören.

Peter Neutzling stellte Esther Conter vor, indem er von den „Geheimnissen einer Frau“ sang. Marco Luca Castelli stellte seine Kandidatin in die Reihe von ihm Angebeteter, die nun mit Miriam Schwan um einen Star länger geworden ist. Gleich eine ganze Gruppe stürzte sich auf Felicitas Heyerick und pries sie im Stile eine Ausschnittes aus dem „Glöckner“.

Jakub Urbanski, ebenso Mitglied der polnischen Gruppe „Line Act“, pries auf Englisch – und später zusammen mit Clemens Kellner – Carina Shamila. Die Frau, die immer singt...

Sven Olaf Denkinger durfte Sylvia Heckendorn emporheben. Er war auch der einzige im Ensemble, der schon vorher einmal hatte mit ihr spielen dürfen. Sie habe sich in Bad Gandersheim in die Herzen des Publikums gespielt. Wie sehr, sollte sich noch zeigen.

Tränen rollten Festspiel-Neuling Sabina Romanczak selbst auf der Bühne noch, als Stefan Luethy die auch in polnischer Folklore Erfahrene mit einem Schweizer Heimatlied würdigte.

Tim Müller und Daniel Eckert konnten sich nicht entscheiden. Sie holten daher Vera Weichel, Rebecca Stahlhut und Elena Otten auf die Bühne. Und Fehmi Göklü fand rührende Worte für Denise Kiesow. Das Ganze immer wieder begleitet bei den Laudationen durch manchmal euphorischen Applaus des rund 700 Menschen starken Publikums.

Dann war der spannende Moment gekommen, dass Bürgermeisterin Franziska Schwarz die Urkunde hervorholen und die Preisträgerin verkünden konnte. Sie war als Siegerin aus der Publikumsabstimmung hervorgegangen, die während der gesamten Spielzeit gelaufen war. Konkrete Zahlen nennt die Stadt seit einigen Jahren aber zum Abstimmungsergebnis nicht mehr.

Von Vielen nicht ganz unerwartet, in ihrer Person aber trotzdem komplett überrascht, wurde Sylvia Heckendorn als neue Preisträgerin verkündet. Ihre eindringliche Darstellung der Edith Piaf in „Spatz und Engel“ hatte von der Premiere an die Menschen immer wieder begeistert. „Ich habe die Piaf gesehen, sie steht in diesem Jahr Bad Gandersheim auf der Bühne“, zitierte später Intendant Achim Lenz einen Kritiker. So überzeugend sei Sylvia Heckendorn in die Person des Spatzes von Paris hineingewachsen, ihr Gesang war dem Original verblüffend ähnlich.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Festspiel-Neuling gleich den Roswitharing gewinnt. Er erinnere sich aber sich sehr gut an den Moment, als er sie in Kreiensen vom Zug abgeholt habe und Sylvia Heckendorns Gesicht ihm gesagt habe, dass sie gedacht haben müsse: Wo bin ich hier gelandet? Die Verleihung gebe darauf nun eine ganz eigene Antwort. Wegen dieses Momentes zum Beispiel, wegen eines Festspielpublikums, das auf so besondere Art und Weise die Schauspieler aufnehme und wie eine Familie behandele. Dafür lohne es sich, hier zu sein, und er hoffe, dass auch der Ring an Sylvia Heckendorns Finger nicht nur Erinnerung an diese tolle Spielzeit und die Rolle der Edith Piaf sei, sondern wiederkehre vor den Dom.

Die Preisträgerin selbst wollte erst einmal gekniffen werden: „Ich glaube, es wird noch ein paar Tage brauchen, bis ich das alles begreife. Es fühlt sich gerade sehr seltsam an, zumal in einem Ensemble, in dem eigentlich jeder den Ring verdient hätte“, gab sie den Dank zurück. Sie habe das Team so sehr lieben gelernt, dass sie am liebsten alle mit nach Haus nähme. Für sie selbst sei es ein Riesen-Privileg gewesen, die Rolle der Edith Piaf gespielt haben zu dürfen.

Gezogen wurden aus den Teilnehmerkarten auch fünf Gewinner: Petra Mielke aus Bad Gandersheim, Kaja Gesing aus Einbeck, Heiko Pasemann, Sarstedt, H.U. Knotek aus Bad Gandersheim und Tim Köbe aus Hannover waren die Glücklichen, die jetzt schon Karten für das nächste Jahr in Aussicht haben.rah