Schülerrede diesmal im Gottesdienst gehalten

Die Gedanken zum Volkstrauertag 2020 des Roswitha-Gymnasiums

Lennart Jörn (links) und Lotta Sander trugen die Volkstrauertagsrede der Gymnasiasten vor

Bad Gandersheim. Zum Volkstrauertag 2020, der coronabedingt nicht als öffentliche Veranstaltung stattfinden konnte: In jedem der letzten Jahre haben Schülerinnen und Schüler des Roswitha-Gymnasiums die Gedenkfeier am Ehrenmal mit einem eigenen Beitrag bereichert. So sollte es auch 2020 sein, entsprechend liefen die schulischen Vorbereitungen. Trotz der Absage der öffentlichen Feierstunde fand sich aber Gelegenheit, die SchülerInnen-Gedanken des Roswitha-Gymnasiums innerhalb des Volkstrauertags- Gottesdienstes in der Stiftskirche kundzutun.

Nachfolgend der Beitrag von Lotta Sander und Lennart Jörn: „Warum feiern wir den Volkstrauertag? Der Volkstrauertag ist ein Tag des Gedenkens. Wir gedenken der Kriegsopfer beider Weltkriege aller Nationen und der Opfer des Nationalsozialismus. Millionen von Menschen, Menschen, die teilweise noch ein ganzes Leben vor sich hatten, mussten sterben, weil grundlegende menschliche Werte in diesen Zeiten keine Rolle mehr gespielt haben. Mitgefühl, Vernunft, Achtsamkeit, Respekt, Gleichberechtigung. Wenn alle Menschen nach diesen Werten handeln würden, würden sich derartige Geschehnisse wohl nicht wiederholen. Doch heutzutage sehen wir, dass diese Werte erneut immer mehr vernachlässigt werden. Black lives matter.

Drei Worte, die in den letzten Monaten um die Welt gegangen sind. Seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd, der von einem weißen Polizisten erstickt wurde, gehen Menschen überall auf der Welt auf die Straße und setzen ein Zeichen gegen Rassismus. Sie fordern Gleichberechtigung. Kein Mensch ist mehr wert als ein anderer.

Was ist daran so schwer zu verstehen? Warum müssen sich farbige Menschen immer wieder für ihre Herkunft rechtfertigen? Warum haben sie schlechtere Chancen, wenn sie eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz suchen? Warum werden farbige Kinder auf dem Schulhof immer noch ausgegrenzt? Immer deutlicher wird, dass Alltagsrassismus nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt und auch in Deutschland ein Problem bleibt. Und dabei geht es nicht nur um gezielte rassistische Angriffe, viel häufiger spielen unbewusste rassistische Äußerungen und Handlungen eine Rolle. Das beste Beispiel dafür sind die sozialen Medien.

Gerade in unserer Generation sehen wir, dass Rassismus durch vermeintlich „lustige“ Bilder immer weiter verharmlost wird. Klar, für Menschen, welche selbst noch nie aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft diskriminiert wurden, ist es einfach, den Rassismus, der sich hinter diesen Bildern verbirgt, zu übersehen. Aber genau da liegt das Problem. Egal ob es sich nun um das Bild bei Instagram, den Facebook- Beitrag in einer Gruppe oder den scheinbar unterhaltsamen Whats-App-Sticker handelt. Eben diese Beiträge enthalten oft nur die kleinste Art von Rassismus, welche wir auf den ersten Blick gar nicht wahrnehmen. Trotzdem kann man sich sicher sein, dass diese früher oder später auf eine Person treffen, die dadurch verletzt wird.

Dadurch, dass geschichtsprägende, rassenfeindliche Geschehnisse nicht mehr so aktuell sind, geraten sie in Vergessenheit, sodass wir viel zu gleichgültig mit diesen Themen agieren. Wir müssen wieder aufmerksamer werden und anfangen, rassismuskritisch zu denken. Wir dürfen auch die kleinsten diskriminierenden Äußerungen in unserem Umfeld nicht mehr überhören, sondern müssen diesen entgegenwirken. Der Grundstein dafür ist gelegt. Immer mehr Menschen setzen sich gemeinsam solidarisch für Veränderung ein und sprechen dieses wichtige Thema an. Denn es musste ausgesprochen werden und das muss es auch weiterhin.

Also worauf noch warten? Lasst uns gemeinsam dieses Problem angehen, Ungerechtigkeiten erkennen und uns klar dagegen positionieren. Rassistisches Gedankengut hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Öffnet eure Augen und haltet dagegen.“ Der Gottesdienst war gut besucht, es hätte aber noch ausreichend Plätze gegeben. Pröpstin Knotte hatte das Motto des Friedens in den Mittelpunkt ihrer Predigt gestellt. Sie fragte dabei auch, ob die biblische Utopie danach wirklich verfolgt werden solle. Dem gegenüber stünde, was bliebe, wenn es keine Vision gebe. Die Rede der beiden Gymnasiasten passte – wie in den Vorjahren auch immer – genau in den Rahmen und stellte den aktuellen Bezug des Gedenkens zur Gegenwart her. Eine Kranzniederlegung gab es auch, sie erfolgte aber wie angekündigt ohne Publikum und in aller Stille durch die stellvertretende Bürgermeisterin Karin Albig am Ehrenmal.rah