Stadt führt Kastrationspflicht für Katzen ein

Ungeregelte Vermehrung steht dem allgemeinen Tierwohl entgegen / Tierschutzverein stützt Vorgehen ausdrücklich

Wenn Katzen frei laufen dürfen, soll der Halter sie zuvor künftig kastrieren und registrieren lassen haben. So will es eine neue Verordnung der Stadt.

Bad Gandersheim. Die Problematik ist nicht neu, und doch gibt es dafür bislang keine befriedigende Lösung. Nun hat der Bad Gandersheimer Tierschutzverein einen Vorstoß unternommen und bei der Stadt Bad Gandersheim offene Ohren gefunden. Im Bürgerdiensteausschuss in der vergangenen Woche tauchte eine Vorlage auf, in der die Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung um einen Artikel ergänzt werden sollte, der die Kastrations-, Kennzeichnung- und Registrierungspflicht von Hauskatzen mit Freigang neu regelt. Kaum war dies in der Öffentlichkeit ruchbar geworden, gab es in einigen sozialen Medien zum Teil entsetzte Kommentare zu dieser Absicht.

Im Bürgerdiensteausschuss allerdings stellte sich alles doch um einiges anders dar. Die Verwaltung berichtete, das Thema sei zum ersten Mal von Seiten des Landkreises der Stadt vorgetragen worden. In der Verwaltung habe man dies zunächst nicht als ein solches Problem gesehen, inzwischen aber habe der Tierschutz nachvollziehbar dargelegt, dass es im Sinne der Katzen außerordentlich sinnvoll sei, die Verordnung um diesen Artikel zu ergänzen. Die vorgeschlagene Regelung orientiere sich dabei an dem, was der Landkreis vorgeschlagen habe und was in anderen Kommunen inzwischen umgesetzt worden ist.

Grundlage ist die Erkenntnis das frei lebende und manchmal auch als verwildert angesehene Hauskatzen, so scheu sie auch sein mögen nicht wirklich Wildtiere sind, sondern domestizierte Haustiere. Leben solche Tiere dauerhaft außerhalb menschlicher Obhut, erfahren sie daher häufig Schmerzen, Leiden oder Schäden in erheblichem Ausmaß, wie immer wieder an Berichten aus dem Tierschutz abzulesen ist. Zudem erfolgt keine eigenständige Geburtenregulierung.

Auch unter den erbärmlichen Zuständen ist der Fortpflanzungstrieb der Hauskatze so stark ausgeprägt, dass es trotz verelendetem Zustand, Hunger, Krankheit und sonstiger widriger Gegebenheiten zur Fortpflanzung und Vermehrung kommt. Hauskatzen sind bereits mit sechs Monaten Alter geschlechtsreif. Zweimal pro Jahr können sie durchschnittlich vier bis sechs Welpen zur Welt bringen von einer unkastrierten Hauskatze kann so in einem Jahr eine Gruppe von weiteren 20 Hauskatzen entstehen.

Die Praxis hat gezeigt das Einwohner, die von der Problematik sich unkontrolliert vermehren der Hauskatzen betroffen sind oder auch einzelne verwahrloste oder in Not geratene Katzen auffinden, sich in der Regel direkt an den Tierschutzverein oder die Polizei wenden. Die Vorsitzende des Tierschutzvereins Bad Gandersheim, Nina Behnke,  legte im Bürgerdiensteausschuss dar, dass binnen eines Jahres auf Kosten des Vereines ungefähr 50 Kastrationen bei in Obhut gegebenen Hauskatzen veranlasst worden sind. Die Kosten einer Kastration liegen dabei zwischen 80 und 150 Euro, die der Verein dafür aufbringen musste. Die dadurch entstehenden hohen Belastungen kann der Verein nicht jahrelang noch weiter in diesem Maße tragen, zudem müsse er auch noch andere Aufgaben bewältigen.

Sowohl der Tierschutzverein als auch die Verwaltung sehen als wirksamen Ausweg eine verpflichtende Kastrationsvorschrift für die in menschlicher Obhut lebenden und frei laufenden Hauskatzen – so genannter Freigängerkatzen –, aus deren Bestand sich die Anzahl frei lebender Hauskatzen ständig ergänzt. Aus Sicht des Ordnungsamtes sollte es selbstverständlich sein, dass einem Halter von Freigängerkatzen nach dem Verursacherprinzip eine Kastrationspflicht zur Abwendung der unkontrollierten Vermehrung und der daraus entstehenden Gefahren zugemutet werden kann. Durch die Anwendung des Verursacherprinzips werden die bisherigen Versäumnisse der Katzenhalter, die unkastrierten Tieren Freigang gewähren, nicht mehr auf die Allgemeinheit oder öffentliche Hand abgewälzt und zugleich viel unnötiges Tierleid verhindert. Die verpflichtende Katzenkastration, ebenso wie die Kennzeichnung und Registrierung kann daher nur im Sinne der Stadt Bad Gandersheim, aber auch vieler anderer Interessengruppen oder Institutionen sein.

Auch für die Jägerschaft würde mittel- bis langfristig eine Reduzierung der frei lebenden Hauskatzen in den Jagdpachten erfolgen. Die Jägerschaft begrüßt die Einführung einer solchen Verpflichtung, damit einem Haustier nicht mehr mit den Mitteln der Jagd begegnet werden muss. Des weiteren müssen Natur- und Umweltschützer dann nicht mehr befürchten, dass frei lebende Hauskatzen Einfluss auf die vor Ort bestehende Artenvielfalt nehmen und dadurch das natürliche Gleichgewicht stören.

Auch die Tierärztekammern auf Ebene des Bundes und der Länder im allgemeinen sowie das Veterinäramt Northeim im speziellen unterstützen die Einführung einer Kastrationspflicht für freilaufende Hauskatzen, weil sie das mit der unkontrollierten Vermehrung eingehende Tierleid reduziert, dass in einer Vielzahl auf den Behandlungstischen der Kleintierärzte landet.

Mittlerweile haben bundesweit mehr als 350 Städte und Kommunen ihre Verordnungen entsprechend geändert. Darunter im Landkreis Northeim bereits 2015 die Stadt Uslar. In allen diesen Fällen sind vorab juristische Prüfungen positiv verlaufen. Dabei wurde festgestellt, dass eine solche Verordnung inhaltlich sinnvoll, rechtmäßig, verhältnismäßig und von öffentlichem Interesse ist.

Bei dieser Verordnung steht die reaktive Maßnahme bei Verstößen im Vordergrund. Sinn einer Kastrationsverpflichtung ist zunächst die Klarstellung, dass der Katzenhalter, der seiner Hauskatze die Möglichkeit der Vermehrung einräumt, die Verantwortung hierfür zu übernehmen hat.

In der Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung heißt es daher nun KatzenhalterInnen, die ihrer Katze Zugang ins Freie gewähren, haben diese zuvor von einem Tierarzt kastrierten und mittels Tätowierung oder Mikrochip kennzeichnen zu lassen. Dies gilt nicht für weniger als fünf Monate alte Katzen. Nach der Kennzeichnung ist die Katze bei einem Haustierregister, zum Beispiel Tasso, anzumelden. Als Katzenhalter oder Katzenhalter im vorstehenden Sinne gilt auch, wer frei laufenden Katzen regelmäßig Futter zur Verfügung stellt.

Zu Zuchtzwecken innerhalb eines anerkannten Katzenzuchtverbandes können auf Antrag Ausnahmen von der Kastrationspflicht für Katzen zugelassen werden, sofern eine Kontrolle und Versorgung der Nachzucht glaubhaft dargelegt wird.

In der Diskussion im Ausschuss stand die Frage im Mittelpunkt, wie die Verordnung durch Kontrolle tatsächlich durchgesetzt werden könne. Es wurde deutlich, dass dies nur sehr eingeschränkt möglich sein werde. Stattdessen setze die Stadt mehr darauf, ein größeres Bewusstsein für das Problem zu schaffen und auf diesem Wege deutlich mehr Katzenhalter dazu zu bewegen, ihre Tiere möglichst frühzeitig kastrieren zu lassen, solange es sich um freilaufende Katzen handelt. Auch der Tierschutz wird aber in Zukunft eng mit der Stadt zusammenarbeiten, um bei Problemfällen oder bekannten Brennpunkten entsprechend einzugreifen und Halter ausfindig zu machen, die dann in die Pflicht genommen werden können.

Die im Bürgerdienste einstimmig empfohlene Veränderung der Verordnung muss nun noch den Verwaltungsausschuss und den Rat passieren, um nach dortigen Beschluss dann tatsächliche Gültigkeit zu erlangen. Von der Annahme ist aber auszugehen.rah