Stiftskirche: Kein Eides-Bruch

Schwerwiegende Vorwürfe eines Leserbriefschreibers gehen an den Tatsachen vorbei

Nicht etwa Kerzenwachs, sondern Salzausblühungen durch aufsteigende Feuchtigkeit sorgen für die weißen Flecken auf der Gedenkplatte in der Krypta der Stiftskirche.

Bad Gandersheim. Der Vorwurf war schwerwiegend: Vom „Bruch eines heiligen Eides“ sprach Leserbriefschreiber Christian Frege kürzlich im Gandersheimer Kreisblatt und griff dabei die Stiftskirchengemeinde an. Sie, so seine Argumentation, habe sich verpflichtet, die Grablege von historischen Reliquien in der Krypta immer in würdevollem Zustand zu bewahren. Dem komme die Stiftskirche aber nicht nach, meinte der Leserbriefschreiber mit einem Foto zu belegen, das einen Kerzenleuchter auf der Steinplatte stehend zeigt. Darunter weiße Flecken.

Der Kirchenvorstand der Stiftskirche hat den Vorwurf zum Anlass genommen, dem Leserbriefschreiber zu schreiben. Und die tatsächliche Sachlage richtigzustellen. Sowohl im historischen Kontext als auch von den aktuellen Fakten.

So wird in dem Schreiben des Kirchenvorstandes klargestellt, dass die Reliquien von Papst Sergius II., die Liudolf und Oda mit auf den Weg bekamen, tatsächlich mit der Bedingung verknüpft gewesen seien „...sofern ihr mir durch Eid (nicht heiligen!) bestätigt, dass sie in der dann unter eurem Schutz zu Ende gebauten Kirche des erwähnten Klosters durch die Tag und Nacht erschallenden Hymnen und das ewig brennende Licht verehrt werden“. Ein Zitat aus Hrotsvits „Promordia coenobii Gandeshemensis“.

Die beiden damit gemeinten Bräuche zur Reliquienverehrung seien aber spätestens mit der Landesreformation 1568 hinfällig geworden, als in den evangelisch-lutherischen Gemeinden die Reliquienverehrung abgeschafft wurde.

Besagte Gedenkplatte bezeuge zudem keine Reliquienniederlegung aus dem 9. Jahrhundert, da sie erst 1958 angefertigt worden ist und zu der Zeit Reliquien erst unter ihr begraben wurden. Über Ort und Niederlegung solcher im 9. Jahrhundert gibt es keine Quellen. In der Krypta können sie nicht gewesen sein, weil die erst im 12. Jahrhundert gebaut wurde.

Dem konkreten Vorwurf, die Gedenkplatte sei „von Wachs besudelt und dadurch unleserlich“ widerspricht der Kirchenvorstand in dem Schreiben entschieden. Bei den im Bild sichtbaren weißen Flecken handele es sich keineswegs um Kerzenwachs, sondern tatsächlich um Ausblühungen durch Feuchtigkeit, wie sie auch an vielen anderen Stellen in der Kirche zu sehen sind.

Diese Salzausblühungen sind ein grundsätzliches Problem, mit dem die Kirche schon immer zu kämpfen hatte. Wasser aus dem Umfeld des Gebäudes gelangt durch den Boden in Wände und Säulen. Viele von diesen tragen ähnliche Marken im Kirchenschiff. Einige wenige sind im Zuge der Sanierungen aufwändig entsalzt worden und haben keine Ausblühungen, wie aufmerksamen Besuchern in der Kirche auffallen dürfte. Die Gedenkplatte, zudem an einem tiefen Punkt im Gebäude, gehörte nicht dazu.

Dergleichen Ausblühungen können nur oberflächlich vorsichtig entfernt werden. So geschieht es nach Angaben des Kirchenvorstandes auch mit der Gedenkplatte und dem Fußboden in der Krypta.

Die Kerzenbeleuchtung dort wird vor allem für die wöchentlich stattfindenden Taizé-Andachten verwendet – wobei sorgsam darauf geachtet wird, nirgendwo Wachs auf Boden oder Wände kommen zu lassen.

Die Kirchengemeinde verwende zusammen mit der Landeskirche Braunschweig viel Geld und Zeit dafür, die Kunstschätze des Bauwerkes zu erhalten und bewahren. Was ohne Sachverstand und Mithilfe des Portals zur Geschichte kaum möglich wäre. Dem PzG nun auch noch daraus den Vorwurf zu machen, es kümmere sich nicht, sieht der Kirchenvorstand als falsch und verletzend an.

Die Problematik der Ausblühungen wird wohl auch weiter bleiben. Die Klimaveränderungen mit häufigeren Starkregen und erhöhtem Grundwasserstand zeigen ihre Auswirkungen in Bad Gandersheim wie anderswo. Einige Maßnahmen wie eine bessere Regenwasserableitung vom Dach, Mauerarbeiten an der Nordseite und Putzarbeiten im Inneren sind bereits ergriffen worden. Zur Zeit wird außerdem ein Klimagutachten für die Kirche erstellt.

Es passiert also tatsächlich eine Menge, um dem beklagten Effekt entgegenzuwirken. Da die Feuchtigkeit aber flächig durch den Boden nach oben steigt, wird es wohl nie eine vollkommene Lösung dafür geben.rah