Stolpersteine sollen auch hier die Erinnerung wachhalten

Projekt in Bad Gandersheim zu verfolgten jüdischen Familien / Ausstellung in Klosterkirche Brunshausen geplant

Bad Gandersheim/Brunshausen. Neun Stolpersteine sollen an die Schicksale von zwei Familien erinnern, die bis zur Verfolgung durch die Nationalsozialisten ihren Lebensmittelpunkt in Bad Gandersheim gehabt haben. Die Verlegung ist für November geplant. Die Initiatoren wollen auch eine Ausstellung über das jüdische Leben in der Roswithastadt ausrichten. Sie soll deutlich machen, warum die Stolpersteine verlegt werden.

„Das ist ein Teil der Heimatgeschichte und es gehört dazu, dass man über seine Heimat Bescheid weiß“, erläutert Marlene Brandt, die zur Gründung einer Initiativgruppe eingeladen hatte. Es gehe um Chronistenpflicht. „Einfach Löcher füllen und Gedächtnislücken auffrischen“, beschreibt sie ein wichtiges Anliegen. Es könne manchmal auch wehtun, wenn man merke, „dass war nebenan oder sogar in meinem Haus“. Herausgefunden werden solle auch, wieso Menschen, die ein ordentliches Leben geführt hätten plötzlich bereit gewesen seien, in einem solchen System mitzumachen, erklärt die 70-Jährige.

Während des ersten Treffens im Oktober hätten die vorwiegend aus Bad Gandersheim stammenden Bürger großes Interesse bekundet, ein Projekt „Stolpersteine in Bad Gandersheim“ mitzugestalten. Die bundesweite Initiative existiert seit 1995 und bemüht sich, mit ihren Aktionen an all die Menschen zu erinnern, die infolge des Nationalsozialismus verfolgt, eingesperrt und umgebracht wurden, weil ihnen die Nationalsozialisten das Recht auf ein selbstbestimmtes, glückliches Leben genommen hatten. Mittlerweile gebe es europaweit 70.000 Steine und Schwellen, sogar in Australien und Argentinien seien Stolpersteine verlegt werden, berichtet Brandt.

Das Interesse von Brandt an dem Thema ergibt sich auch aus ihrem früheren Beruf als Geschichtslehrerin am Gymnasium in Dassel. 1989 hatte sie an einem durch die Volkshochschule angebotenen Kurs über jüdische Menschen in Bad Gandersheim teilgenommen, den die damalige Museumsleiterin Anne-Kathrin Race leitete. „Daraus hat sich auch die Geschichtswerkstatt entwickelt“, erklärt sie.

Nach Abschluss des Berufslebens hatte Brandt mehr Zeit, sich genauer darum zu kümmern und eine Menge geforscht. Ihr sei es wichtig gewesen, genügend Fakten zusammenzutragen, um dann das Projekt starten und es verantworten zu können.

Zu den Teilnehmern der Initiativgruppe zählt auch der ehemalige stellvertretende Schulleiter des Gymnasiums in Dassel, Thomas Gelück, der ebenfalls in der Domstadt lebt. „Ich wollte wissen, was in der damaligen Zeit hier los war“, beschreibt er seine Motivation. Wichtig sei es, „dass man sich an die verfolgten Gandersheimer Bürger erinnert und überhaupt Informationen über diese Familien bekommt“, sagt der 68-Jährige. Es sollen keine Schuldzuweisungen gegeben und kein schlechtes Gewissen erzeugt werden.

Für ihre Arbeit in Bad Gandersheim haben die Organisatoren auch Kooperationspartner gesucht und gefunden. So erläutert Brandt, dass sie in einem Kurs am Roswitha-Gymnasium über die Thematik spricht.

An der Oberschule gibt es eine Projektarbeit, die „grob orientiert“ am Außenlager Brunshausen sei und sich in diesem Jahr mit dem Thema Verfolgung befasse. „Da passten die Stolpersteine ganz gut rein“, so die Initiatorin. Es sei toll, wie interessiert die Kinder seien. Jüngere Schüler würden generell unbefangener mit dem Thema umgehen, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Die Projektarbeit soll nicht auf dieses Jahr begrenzt bleiben. Generell sei es wichtig, dass Kinder und Jugendliche einbezogen werden, „weil das diejenigen sind, die das Wissen weitertragen“.

Bevor es zum Verlegen der Steine vor den früheren Wohnstätten der Familien Bendix und Rosenbaum komme, werde der Rat um eine Stellungnahme gebeten, da die Stolpersteine im öffentlichen Raum verlegt werden, benennt Brandt das weitere Vorgehen. Im Vorfeld der Aktion soll eine Ausstellung ausgerichtet werden, die über den Grund für die Steine informiert und den Lebensweg der Familien darstellt. „Wir holen den Sachverstand vom Portal zur Geschichte und wollen die Ausstellung auch dort auf der Empore in der Klosterkirche Brunshausen ausrichten“, kündigt Gelück an.art