Streifen wird entfernt – Kampf geht weiter

Radfahrer-Bürgerinitiative kämpft weiter für Fahrradschutzstreifen / Der alte wird definitiv entfernt

Bad Gandersheim. Das war schon ein beeindruckender Anblick, als sich der Tross von Radfahrern am Sonntag vom Marktplatz in Richtung Heckenbeck in Bewegung setzte. Über 100 von ihnen waren dem Aufruf zu einer Demonstration gefolgt, deren zentrale Forderung der Erhalt des Fahrradschutzstreifens zwischen Heckenbeck und Bad Gandersheim ist. Gleichzeitig stand sie aber auch im Kontext einer bundesweit stattfindenden Kundgebung unter dem Motto „Kiddical mass“, bei der es um mehr Raum und Verkehrssicherheit für Kinder geht.

Lokal bedeutenderer Aspekt war der Fahrradschutzstreifen. Eine Heckenbecker Bürgerinitiative mit Ulli Schäfer an der Spitze setzt sich schon länger dafür ein, die Markierungen des Schutzstreifens gar nicht erst entfernen, sondern statt dessen erneuern zu lassen.

Leider ist der Sachstand ein anderer: Das Pilotprojekt des Landes Niedersachsen, mit solchen Fahrradschutzstreifen Erfahrungen zu sammeln, ist vor Jahren ausgelaufen und gilt als beendet. Da die Schutzstreifen keine gesetzliche Verankerung in der Straßenverkehrsordnung haben, sind sie im Grunde „illegal“. Daher war bereits die maschinelle Entfernung der Markierungen angekündigt, wurde aber bislang immer wieder aufgeschoben. Vielleicht auch wegen der immer massiveren Proteste dagegen.

Trotz des gebündelten Protests: Die Rettung der Schutzstreifen ist wohl unmöglich. Das machte Landrätin Astrid Klinkert-Kittel am Rastplatz vor Heckenbeck deutlich, wo im Rahmen der Pause der Demonstrationsfahrt auch eine Kundgebung stattfand. Es wäre verlogen, Hoffnungen auf einen Erhalt zu machen, sagte die Landrätin. Der Landkreis sei aufgefordert, bis spätestens zum 31. Dezember der Pflicht zur Entfernung der Markierungen nachzukommen und werde dies in Kürze tun müssen.

Die Landrätin, die mit ihrem Mann per Rad an der Demonstrationsfahrt teilgenommen hatte, äußerte volles Verständnis für die Forderung der Initiative. Der Landkreis Northeim habe sich radfreundliche Verkehrspolitik auf die Fahnen geschrieben. In eine solche passe der Schutzstreifen ausgezeichnet. Sie wünsche sich sogar, dass er rot unterlegt und damit noch deutlicher wahrnehmbar ausgeführt werde, wie dies bei Erichsburg bereits der Fall sei.
Schutzstreifen hätten gegenüber extra angelegten Fahrradwegen den großen Vorteil, dass zusätzliche Flächenversiegelungen vermieden werden könnten und nur zehn Prozent der Kosten anfielen. Klinkert-Kittel sah alle Kreisstraßen, die keine zu hohe Verkehrsfrequenz aufweisen, für solche Projekte als geeignet an. Leider müsse jetzt aber dazu erst die gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Das einzige, wofür sie sich jetzt noch nach vergeblichem Kampf für den Erhalt einsetzen könne, sei wenigstens der Beibehalt des Tempolimits auf 70 Stundenkilometer, um dem weiter auf dieser Strecke zu erwartenden Radverkehr etwas mehr Sicherheit zu geben. Darüber werde sie sich mit ihrer Verkehrsbehörde abstimmen.

Auf die Schwierigkeit, solche Gesetzesänderungen in Berlin auf die Rolle zu schieben, wies der ebenfalls mitgefahrene Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne hin. Es reiche nicht, den Bundesverkehrsminister Scheuer oder seinen zuständigen Staatssekretär Ferlemann anzuschreiben, sondern man müsse auch Abgeordnete dazu auf seine Seite bekommen, um am Ende eine Änderung erfolgreich abzustimmen. Da bekomme der Spruch, „ein dickes Brett zu bohren“ für ihn gleich eine ganz andere Bedeutung.

Als jemand, der auch in Berlin die meisten Wege per Rad erledige, sei die Forderung der Initiative leicht nachvollziehbar, bekannte Kühne. Er ermunterte daher die Initiative, jetzt die Flinte nicht ins Korn zu werfen, sondern weiter am Ball und laut vernehmbar zu bleiben. Dann werde es in ein paar Jahren vielleicht einen Erfolg geben.

Dass die Zeit noch nicht reif zu sein scheint, machte Initiativen-Sprecher Ulli Schäfer auch an einer Zahl fest: Während in den Niederlanden rund 33 Prozent der Menschen kurze Strecken bis etwa sieben Kilometer regelmäßig mit dem Rad fahren, sind es in Deutschland erst 15 Prozent. In den Niederlanden sind die außerörtlichen Schutzstreifen aber auch schon gesetzlich verankert und völlig gängig.

In Deutschland hingegen werde der Radfahrerschutz bislang eher propagiert als praktiziert. Immerhin sei festzustellen, dass Radeln mächtig boome, vor allem durch die E-Bikes. Die wiederum würden auch dazu beitragen, dass Radfahrer damit auch deutlich längere Strecken mit dem Rad bewältigen können als ohne Trittunterstützung. Die Entfernung Bad Gandersheim – Heckenbeck werde so zu einer leichten Radstrecke.

Die könne man natürlich auch auf anderen Wegen zurücklegen, spielte Schäfer auf die sogenannte Stadtwegverbindung an. Die Radfahrer aber wollten sich nicht auf Feldwege verdrängen lassen, sondern wie andere Verkehrsteilnehmer auch die komfor-tablere Straße nützen können. Aber mit mehr Sicherheit, insbesondere für Kinder. Dafür seien die Schutzstreifen ein wichtiger Schritt.

Am Rande gab es ein weiteres Argument für einen Nebeneffekt: Durch die Tempobeschränkung sei es nach Angaben des Jagdpächters auf der Strecke zwischen Bad Gandersheim und Heckenbeck zu deutlich weniger Wildunfällen gekommen. Vielleicht lasse sich das auch als Argument für den Beibehalt der Beschränkung auch nach Markierungsentfernung mitnehmen.

Zu guter Letzt gehe es auch ums Klima. Radfahren sei gelebter Klimaschutz. Diesen Beitrag könne man aber nur weiter leisten und noch ausbauen, wenn die Radfahrer besser vor Gefahren geschützt werden. Daher bleibe die Forderung, die Schutzstreifen zu einem Teil der Straßenverkehrsordnung zu machen. Denn, wie lautet der Spruch von Staatssekretär Enak Ferlemann auf seiner Webseite: „Dat geiht nicht, gifft dat nicht“. Das rufen die Protestierenden laut bis nach Berlin.rah