Verkehr im Wandel: Sind Car-Sharing und Fahrgemeinschaftsmodelle die Zukunft?

Studenten aus Salzgitter haben beide Bereiche auf ihre Chancen für Bad Gandersheim untersucht: Das sind ihre Vorschläge

Bad Gandersheim. 2020 wird für die deutsche Autoindustrie (und vermutlich weltweit) ein Jahr großer Umbrüche. Das mindestens erwartete jüngst „Der Spiegel“ in einem Bericht, und nach den Ausläufern des Dieselskandals im gerade abgelaufenen Jahr ist ja kaum noch etwas, wie es vorher war. Die klare Tendenz geht in Richtung E-Mobilität. Ob das der richtige Weg ist, muss sich allerdings auch erst noch erweisen. Parallel zu den technischen Veränderungen hat aber die Debatte um den Klimaschutz auch andere Einstellungen bei den Menschen bewirkt.

Dazu gehört die Frage, wie man den Individualverkehr bündeln und damit die Masse an Fahrzeugen auf der Straße verringern kann. Aber auch die, ob man sich heute selbst noch ein Kraftfahrzeug kaufen muss, oder es nicht bereits bessere und vielleicht kostengünstigere Varianten gäbe. Car-Sharing zum Beispiel – und das am besten noch mit E-Mobilität.

Die Frage wird keineswegs nur in großen Städten diskutiert, sondern ist genauso gut auf dem Lande aufgehoben. Dort vielleicht mit einigen zusätzlichen oder anderen Schwerpunkte, wie dem Aspekt, aus einem Dorf heraus zur nächsten Stadt hin eine bessere Mobilität erreichen zu können. Konkret haben sich mit dieser Fragestellung bereits mindestens Heckenbeck und Gehrenrode so befasst, dass sie bekanntlich nach Antragsstellung den Zuschlag für ein E-Mobilprojekt als Car- Sharing bekommen haben. Auch Studenten der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter haben diese Fragen aufgegriffen und bearbeitet, in ihrem Falle auf das gesamte Stadtgebiet bezogen.

Alexander Schellenberg und Hendrik Dehl stellten ihre Ergebnisse im Dezember bei der Halbtagsveranstaltung im Rathaus vor. Überlegungen zum Car-Sharing Zunächst erläuterten die beiden Studenten die zwei Grundmodelle, die es für Car- Sharing gibt. Das eine geht davon aus, dass für das geteilte Fahrzeug (oder die Fahrzeugflotte) feste Standplätze vorgeben sind, an denen der Pkw abgeholt und später wieder abgestellt wird. Im anderen Fall spricht man von „free floating“.

In dem Fall muss sich der Nutzer – zum Beispiel per App – erst nach dem ihm nächstabgestellten Fahrzeug umschauen. Wo er es dann innerhalb eines vereinbarten Nutzungsgebietes wieder abstellt, ist nicht an einen festen Platz gebunden, sondern wird mit den Nutzungsdaten durch die App an die Zentralvermittlung weitergeben. Car-Sharing wird in Deutschland insgesamt immerhin schon von rund 2,5 Millionen Nutzern praktiziert, es gibt aktuell rund 190 Anbieter in 740 Standorten in der Bundesrepublik. Solange es sich um größere Städte handelt, findet man dort auch das free-floating-Modell.

Auf dem Lande und in kleinen Städten ist umgekehrt das standortbasierte Modell verbreiteter. Erst recht natürlich, wenn E-Fahrzeuge zum Einsatz kommen, da diese an Ladesäulen zurückgebracht werden müssen. Eine der zentralen Fragen, die Nutzer bei der Überlegung haben, ist selbstverständlich die nach den Kosten. Die Studenten ermittelten im Vergleich, dass auf der Basis bestehender Nutzungsgebühren jeder Kraftfahrer, der jährlich weniger als 10.000 Kilometer fährt, von einem Car-Sharing profitieren würde. Bei etwa 5000 Jahreskilometern läge die Einsparung zu einem eigenen Fahrzeug bei 900 bis 1500 Euro jährlich – je nach Fahrzeugklasse. Nicht minder wichtig ist aber auch, dass Car-Sharing für Kommunen einen Mehrwert bedeuten kann. Das war ja auch einer der Ansatzpunkte für die Untersuchung der Studenten, die Beurteilung speziell mit Blick auf Bedürfnisse und Entwicklung Bad Gandersheims vorzunehmen. Vorteile, die sich dabei zeigen, sind zum Beispiel, dass aufgrund der Nutzung eines Fahrzeuges durch mehrere Personen weniger Parkflächen gebraucht werden, sich die Zahl der Fahrzeuge in Innenstädten verringern lässt, weniger Schadstoffausstoß die Folge ist, nicht zuletzt wegen der moderneren Fahrzeuge.

Die Studenten zeigten dies auch anhand zweier konkreter Beispiele aus Hessen und Baden- Württemberg. Noch untertourige Akzeptanz Um herauszufinden, ob es Chancen für Bad Gandersheim gäbe, auch hier durch Car-Sharing solche Effekte zu erreichen, gingen die Studenten auf die Straße und fragten Bürger, um zu erfahren, welcher Fahrzeugtyp favorisiert würde und zu welchen Preisen man sich eine Teilnahme am Car-Sharing vorstellen könnte.

Mit 64 Befragten ist natürlich kein wirklich repräsentatives Bild zu erlangen, selbst wenn die Altersspanne von 18 bis 73 Jahren reichte und alle einen Führerschein hatten. Aber Tendenzen sind erkennbar. Die Frage, ob Car-Sharing für die Befragten gegebenenfalls denkbar sei, wurde von einem Drittel mit Ja beantwortet. Nicht überraschend war für die Studenten, dass viele sich den Abschied vom eigenen Auto nur schwer vorstellen könnten, es komfortabler finden oder sich als darauf angewiesen sehen. Bei der Fahrzeugauswahl überwog nur etwas mehr als die Hälfte, die noch ein konventionelles Fahrzeug befürworten würde. Knapp die Hälfte setzt in dem Fall auf EMobilität. Wer für das konventionelle Fahrzeug stimmte, hatte eher bei der aus seiner Sicht noch zu geringen Reichweite von E-Fahrzeugen Bedenken, ansonsten hätte die Zustimmung für E-Mobilität wohl sogar überwogen. Bei der Preisgestaltung standen drei Modelle zur Auswahl: Etwa 15 Prozent der Befragten wären für eine monatliche Grundgebühr und dadurch etwas geringere konkrete Nutzungsgebühren. 45 Prozent votierten für die Abrechnung über die reine Nutzungszeitdauer und 40 Prozent für eine an die gefahrene Kilometerzahl geknüpfte Gebühr. Die klare Mehrheit ist also dafür, nach dem tatsächlichen „Verbrauch“ zu bezahlen.

Sieht man einmal davon ab, dass derzeit das Interesse an einem Car-Sharing in Bad Gandersheim noch eher geringer ausgeprägt ist, würde also am ehesten ein Modell mit einem konventionellen Fahrzeug und konkreten Verbrauchsgebühren Interessenten finden. Trotzdem sieht der Vorschlag der Studenten anders aus: Sie würden ein Modellprojekt mit einer Flotte von zehn Elektroautos starten, die an fünf Standorten in Bad Gandersheim verteilt werden könnten. Diese wären die Parkplätze am Finanzamt und der Bleichewiese, der Stiftsfreiheit, dem Domänenhof und am Hagenmühlenweg. Pro Stellplatz zwei Fahrzeuge, und für diese würde auch die entsprechende Ladestruktur erstellt.

Pilotprojekte vor Ort Bevor ein solches Projekt in Bad Gandersheim startet, werden Heckenbeck und Gehrenrode vermutlich längst praktische Erfahrungen beisteuern können. In Gehrenrode ist das Car-Sharing mit einem E-Auto recht weit gediehen und wird 2020 wohl Tages-Realität sein. Zudem über die Vereinslösung in einer Form, die es auch ermöglicht, dem Dorf und seinen Bewohnern eine neue Mobilität zu bringen, denn natürlich können sich auch Fahrgemeinschaften mit dem Pkw auf den Weg in die Stadt oder zu anderen Zielen machen. Thema Fahrgemeinschaften Fahrgemeinschaften als Alternative zum reinen öffentlichen Nahverkehr waren dann auch ein weiterer Aspekt, dem die Studenten aus Salzgitter Aufmerksamkeit schenkten. Vier grundlegende Modell wurden dabei betrachtet: die Mitfahrerbank, der Bürgerbus, Mitfahrerparkplätze und Mitfahrer-Apps.

Die Mitfahrerbank ist in der Region bereits bekannt: Sie wurde vor zwei Jahren im Zuge des Oasenspiels in Heckenbeck an den Ortsausgängen erstellt. Dort stehen zwei, auf denen sich niederlassen kann, wer gegebenenfalls nach Kreiensen oder Bad Gandersheim mitgenommen werden möchte. Das von den Studenten vorgestellte Modell geht aber noch ein Stück weiter: Es greift auch die FahrerInnen mit ein, die bereit wären, Mitfahrer mitzunehmen. Die FahrerInnen würden über ein Portal registriert und per Aufkleber an der Windschutzscheibe für die Mitfahrwilligen erkennbar sein.

Das Konzept ist ebenso so einfach, wie leicht umsetzbar. Es hat allerdings den gravierenden Nachteil, dass es schwierig ist, zuverlässige Mitnahmegelegenheiten zu bekommen und dann nutzen zu können, wenn man sie braucht. Darum liegt in vielen Kommunen eher ein Augenmerk auf dem Modell der Bürgerbusse. Das zeichnet sich zum einen durch eher kleine Fahrzeuge aus, also Busse mit bis zu acht Sitzplätzen, wird von ehrenamtlichen Fahrern bewegt und fährt nach Plan, womit die Verlässlichkeit hergestellt wird. Trotz der ehrenamtlichen Arbeit der Fahrer sind die meisten bereits laufenden Bürgerbusmodelle für die tragenden Kommunen dennoch deutliche Zuschussgeschäfte. Es müssen also Mittel für den Betrieb im Stadtetat dafür frei sein. Zudem bedarf es einer Abstimmung mit dem bestehenden öffentlichen Nahverkehr, um sich nicht Konkurrenz zu machen, sondern sinnvolle Ergänzung zu werden. Modell drei sind die Mitfahrerparkplätze.

Diese gibt es heute schon zum Beispiel an Autobahnauffahrten, wo sich dann Fahrgemeinschaften für den längeren Weg zur Arbeit bilden. Denkbar wäre das auch als überregionales Modell, so die Studenten, um aus dem Umland zum Beispiel Fahrten nach Bad Gandersheim zu bündeln. Zum Beispiel zum Besuch der Domfestspiele oder der Landesgartenschau. Vorabsprachen ließen sich über eine Internet- Plattform zusammenführen, wer wann fahren würde und wieviele Mitfahrer mitnehmen könnte. Einen Schritt weiter noch geht die Mitfahrer-App. Sie bietet allen an Mitfahrgelegenheiten Interessierten direkte Möglichkeit, passende Fahrgelegenheiten zu suchen und zu finden. Es gibt bereits solche App-Lösungen, die recht gut funktionieren. Vorteil gegenüber allen anderen Lösungen ist die deutlich individuellere Absprache.

Soweit die Vorschläge der Studenten zum Thema Fahrgemeinschaften. Eine Bewertung, welches Modell für Bad Gandersheim das vielleicht aussichtsreichste wäre, nahmen sie nicht vor. Herausgestellt wurden nur die jeweils modellspezifischen Vor- und Nachteile. Es läge nun also im Ermessen der Kommune, selbst herauszufinden, ob eines dieser Modelle in Bad Gandersheim realisierbar und für die Bedürfnisbefriedigung effizient wäre. Am ehesten zu verorten wäre nach Vorarbeiten ein solches Anliegen wohl im Stadtentwicklungsausschuss.rah