„Viele Medaillen haben viele Seiten“

Schulleiter Killian Müller zu Mobbing am Gymnasium / Vorfälle sollen wechselseitig gewesen sein

Anfang Oktober wurden in Bad Gandersheim Gerüchte verbreitete, die auf einen Amoklauf einer Schülerin des Roswitha-Gymnasiums hindeuteten. Die Situation konnte glücklicherweise schnell entschärft werden und es stellte sich heraus, dass keine Gefahr bestand. Trotz dessen ist durch diesen Vorfall bewusst geworden, dass es in der Klasse der Betroffenen nicht harmonisch zuzugehen scheint.

Bad Gandersheim. Zur Erinnerung: Angeblich habe die Betroffene eine Todesliste veröffentlicht in sozialen Medien, die darauf hindeutete, dass verschiedenen Personen geschadet werden soll. Schulleiter Killian Müller hatte die Situation gemeinsam mit der Polizei schnell entschärfen können. Die Schülerin hatte daraufhin um einen Schulwechsel gebeten. Die Gerüchte hörten jedoch nicht auf und wurden bis zur Oberschule getragen, wodurch ein Polizeieinsatz ausgelöst wurde. Nur dadurch ist die Öffentlichkeit darauf aufmerksam geworden – die Gefahr eines Amoklaufs bestand aber zu keiner Zeit. Jedoch blieb die Frage offen, wie es zu diesem schwerwiegenden Gerücht kommen konnte.

Das GK erfuhr aus verschiedenen Quellen, dass die betroffene Schülerin seit längerer Zeit von ihren Mitschülern gemobbt worden sei. Dies ging so weit, dass das Gerücht über die Todesliste verbreitet wurde.Nach der Definition von „Mobbing“ sei es keines gewesen.

Das GK fragte bei Killian Müller nach, ob es vorab Anzeichen oder nachweislich Mobbing gegeben hat und wie die Schule in solchen Fällen reagiert. Müller gab dazu an, dass es nach der Definition von „Mobbing“ keines gewesen sei: „Ich würde eher von ‘Vorfällen’ sprechen“.

Die Definition von Mobbing (laut Wikipedia) lautet übrigens: „Mobbing oder Mobben (in Englisch üblicherweise Bullying) als soziologischer Begriff, beschreibt psychische Gewalt, die durch das wiederholte und regelmäßige, vorwiegend seelische Schikanieren, Quälen und Verletzen eines einzelnen Menschen durch eine beliebige Art von Gruppe oder Einzelperson definiert ist. Zu den typisch menschenverachtenden Mobbinghandlungen gehören unter anderem Demütigungen, Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen, Zuweisung sinnloser Aufgaben und anderweitiger Machtmissbrauch, Gewaltandrohung, soziale Exklusion oder eine fortgesetzte, unangemessene Kritik an einer natürlichen Person oder ihrem Tun, die einer Tyrannei beziehungsweise einem unmenschlich-rücksichtslosen Umgang gleichkommt“. Da es nach einer solchen Definition kein Mobbing gegeben haben soll, würde dies bedeuten, dass auch keine der aufgezählten Handlungen so stattgefunden haben.

Müller konnte aber bestätigen, dass es verschiedene „Vorfälle“ in der Klasse gegeben hat. Das Mobbing Interventions Team (MIT) hat von diesen Streitigkeiten Kenntnis gehabt und habe dementsprechend gehandelt. „Es hat ein klärendes Gespräch stattgefunden und es wurden alle Parteien gehört. Das ist der normale Vorgang“, erklärt Müller. Üblich sei dabei, dass das MIT auch selbstständig nachfragt, wie es den Betroffenen geht. Zum letzten Stand hätten die Beteiligten angegeben, dass alles gut ist. „Die Vorfälle waren nicht einseitig, sondern wechselseitig. Eine Medaille hat immer zwei Seiten und hier haben viele Medaillen viele Seiten. Man muss sich auch immer die anderen Darstellungen anhören“, sagt Müller.

Weiterhin wies Müller darauf hin, dass natürlich nicht nur das Team des MIT zur Aufklärung solcher Fälle beiträgt. „Alle Lehrer sind dazu im Stande, Mobbing zu erkennen. Dann kommen sie zu mir und melden das. Die Streitigkeiten sollten dann direkt geklärt oder an das MIT weitergegeben werden. Auf jeden Fall sollten sie immer angesprochen werden“, so Müller. Teilweise seien es aber auch nur „Sticheleien“ unter Jugendlichen.
Genau ein solches klärendes Gespräch habe es auch in diesem Fall gegeben. „Natürlich gibt es auch ein Dunkelfeld, da teilweise nicht alles zur Sprache gebracht wird. Das war hier aber nicht der Fall“, sagt Müller.

Auf die Frage, ob sich auch Lehrer falsch verhalten und in verschiedenen Situation nicht richtig handeln, antwortet Müller: „Lehrer sind auch nur Menschen. Sie verhalten sich auch nicht immer richtig. Wenn ich aber von bestimmten Situationen Kenntnis erhalte, würde ich auch zwischen Schülern und Lehrern vermitteln. Auch Eltern haben sich schon bei mir gemeldet und bestimmte Vorfälle zur Sprache gebracht. Wenn sich die Beteiligten ausgesprochen hatten, gab es danach auch keinen Streit mehr“.
Ein Vorgehen bei Mobbingfällen wäre, den Schüler oder die Schülerin aus der Klasse zu holen. „In diesem Fall ist es leider so, dass die Betroffene die Schule verlassen hat. Das hätte ich gerne verhindert und die Vorfälle lieber geklärt. Es bestand nicht nur eine einseitige Schuld“, gab Müller an. Da es verschiedene Seiten gebe, sei das genau Bild schwer klar zu bekommen, fügt Müller hinzu.

Dem GK ist bekannt, dass seitens der Betroffenen eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Gymnasium eingereicht worden ist, die eine detaillierte Beschreibung der „Vorfälle“ beinhaltet. Die „Seite der Medaille“ der betroffenen Schülerin lässt erahnen, dass es vielleicht doch nicht nur „Sticheleien“ oder „Vorfälle“ gewesen sind. Auch Nachfrage bestätigt Müller, dass er von dieser Beschwerde Kenntnis hat. Bevor er zu dieser etwas sagen kann, müsse er sie zunächst selber bewerten und beantworten.hei