Was hat die Mehrwertsteuersenkung bei lokalen Unternehmen bewirkt?

Ab dem 1. Januar ist die coronabedingte Maßnahme ausgelaufen: Nun gelten wieder die früheren 19 und sieben Prozent

Angela Lampe hätte auf die Mehrwertsteuersenkung auch verzichten können.
Gitta Wiese-Günther von der Buchhandlung Pieper.
Michael Schreiber sieht positive und negative Aspekte der Steuersenkung.

Bad Gandersheim. Ab 1. Juli 2020 wurde die Mehrwertsteuer gesenkt, um Bürger und Unternehmen in der Corona-Krise zu entlasten. Bis zum 1. Januar 2021 war der Regelsteuersatz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte Steuersatz von 7 auf 5 Prozent gesenkt. Nun, nachdem die Maßnahme ausgelaufen ist, stellt sich die Frage, ob sie als Erfolg oder Misserfolg zu verbuchen ist. Das Gandersheimer Kreisblatt hat lokale Unternehmen befragt, inwiefern die Steuersenkung einen positiven Effekt für ihren Betrieb bewirkt hat.

„Wir hätten lieber auf die Mehrwertsteuersenkung verzichtet“, sagt Angela Lampe, vom Bad Gandersheimer Unternehmen Radio Lampe. Der Aufwand, den sie hätte betreiben müssen, um die Steuersenkung in den Verkaufspreisen ihrer Artikel einzukalkulieren und auszuweisen, übersteige deutlich den Nutzen.
Es sei zwar richtig, dass bei größeren Elektrogeräten die Steuersenkung für den Kunden deutlicher zu Buche schlägt, als beim Einkauf von beispielsweise Lebensmitteln, die Kunden selbst hätten die Senkung jedoch nicht als Kaufanreiz gesehen. „Bei mir hat keiner gesagt, dass er jetzt die Waschmaschine kaufen will, weil er drei Prozent spart“, bekräftigte Lampe ihren Eindruck. Dabei habe es andere Kaufanreize gegeben, die mehr Wirkung zeigten und für sie keinen Aufwand in der Buchführung verursachten. „Der Sommer ist eigentlich immer ‘Saure-Gurken-Zeit’“, erklärte sie. Weil die Menschen in diesem Jahr aber nicht in den Urlaub fahren konnten und damit mehr Zeit und Geld zu Verfügung hatten, investierten sie es vor Ort.

Durch diese Tatsache habe man deutlich mehr absetzen können, als durch die Senkung der Mehrwertsteuer. Zudem punkte ihr Unternehmen mit Service und nicht nur dem bloßen Verkauf von Produkten, wie es bei einigen Internetportalen der Fall sei. Die Steuerersparnis spiele in diesem Fall keine Rolle.

Michael Schreiber, Inhaber des Malerbetriebs Schreiber, beantwortete die Frage, ob er die Steuersenkung für sinnvoll erachtete, mit einem „Jein“. Er habe ganz konkrete Anfragen wegen der Mehrwertsteuersenkung erhalten. Da seine Auftragsbücher aber bereits für mehrere Monate gut gefüllt sind, ergab sich ein kleines Folgeproblem: „Kriegen wir das bis zum Jahresende noch hin?“, war daraufhin die häufigste Frage. Auch wenn man im Juli Schreiber den Auftrag übermitteln wollte, so konnte er nicht garantieren, ihn auch im Zeitraum der Steuersenkung bearbeiten zu können. Für die Senkung sei nämlich nicht der Zeitpunkt der Auftragserteilung, sondern der der Ausführung und Rechnungsstellung entscheidend.

Wenn jemand durch die Ersparnis der drei Prozent die Idee hatte, zum Beispiel seine Fassade machen zu lassen, sei es grundlegend positiv. Wenn jedoch der Terminkalender keine Möglichkeit bietet, die Fassade auch noch im Jahr 2020 zu bearbeiten, kann man die Chance nicht wahrnehmen.

Zudem war es ein bisschen „stressig“, das Malerprogramm mit den Steueränderungen zu befüllen und nun wieder auf den ursprünglichen Stand zurückzusetzen. Auch der Umstand, dass zum Teil wegen Corona und zum Teil wegen der Mehrwertsteuersenkung die Auftragsbearbeitung länger dauerte, war für Schreiber mitunter unerfreulich, weil Kunden längere Wartezeiten in Kauf nehmen mussten.

„Bei mir war die Mehrwertsteuersenkung eigentlich nicht spürbar“, berichtete Gitta Wiese-Günther, Inhaberin der Buchhandlung Pieper. Den wesentlichen Aufwand, die Anpassung der durch die Mehrwertsteuersenkung veränderten Preise, habe das Buchfindungsprogramm automatisch eingepflegt.
Zudem beliefen sich die Einsparungen nur auf Centbeträge. Die zwei Prozent – auf Bücher entfällt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, beziehungsweise fünf nach der Senkung – erzeugt laut Wiese-Günther keinen zusätzlichen Kaufanreiz. Lediglich beim Umzug in ihr neues Geschäft in der Burgstraße habe sie von der Senkung profitieren können, weil der Einkauf etwa der Möblierung günstiger war.

Sie könne sich vorstellen, dass bei Unternehmen, die zum Beispiel große Elektrogeräte verkauften, ein Kundenzuwachs erfolgte, da dort die Vergünstigung stärker zu Buche schlage. Ansonsten glaube sie nicht, dass die Mehrwertsteuersenkung den Konsum merklich angeheizt habe. Viel mehr sei spürbar gewesen, dass die Menschen nicht in den Urlaub hätten fahren können. Zum einen könne das eingesparte Geld vor Ort ausgegeben werden und zum anderen seien die Personen auch länger daheim, weshalb automatisch mehr Kaufkraft in Bad Gandersheim verblieben sei.kw