Weihnachtsbäume – und kein Ende

Wie ein Facebook-Kommentar den Leineverband kurz sprachlos machte

Kleingarten-Uferbereiche an der Gande: Grünschnitt, Ast- oder Baumablagerungen im Uferbereich werden vom Leineverband im Zweifelsfall als Odnungswidrigkeiten an den Landkreis weitergegeben.

Bad Gandersheim. Das Fest der Feste liegt schon ein gutes Stück hinter uns; in den Läden längst kein Thema mehr, da stehen schon seit Jahresbeginn die Osterhasen. Für manchem Weihnachtsbaumbesitzer sind aber anscheinend die Festnachbereitungen immer noch nicht endgültig abgeschlossen – und treiben in den frostigen Mittjanuar-Wochen seltsame Blüten.

An sich ist es ja völlig normal, dass sich ein jeder, der sich einen echten Weihnachtsbaum ins Haus geholt hat, im Vorhinein auch darüber im Klaren sein sollte, wo er mit dem nadelversprühenden Monstrum nach dem Jahreswechsel bleibt. Viele Jahre gab es dafür ein beliebtes Ritual: die Weihnachtsbaumabholung. Meistens am ersten Januarwochenende, in ehrenamtlicher Arbeit vorgenommen durch die örtliche Reservistenkameradschaft gegen eine kleine Spende, die dann später auch noch einem sozialen Zweck zugeführt wurde.

Ein schöner Brauch, der aber wie so manch anderer vor ihm vor Jahren das Zeitliche gesegnet hat, weil das Ehrenamt damit überfordert war beziehungsweise die Kapazitäten der Reservisten zu knapp geworden sind. 2017 gab es nach letztem Zucken endgültig keine Abholung im Januar mehr.

Was zahlreiche Baumeigner nicht mitbekommen und ihre Bäume in unwissender Gewohnheit einfach an die Straße gestellt hatten. Da blieben sie stehen und wurden irgendwann zum Hindernis oder Schandobjekt. Sturheit muss es wohl sein, wenn die Verlassenen (Baumbesitzer) den Verlassen – also den Baum – dann trotzdem einfach auf der Straße ließen. Weg ist weg, dachten sie sich wohl.

Mit der Konsequenz, dass die Allgemeinheit für die Entsorgung aufzukommen hatte, in dem Fall durch den Einsatz der städtischen Bauhofmitarbeiter, die das Entsorgungsgut einsammelten. Um das im Januar 2018 nicht wieder erleben zu müssen, wurde rechtzeitig seitens der Stadt darauf hingewiesen, dass weder die Reservisten noch die Stadt eine Abholung auf die Beine stellen werden. Klare Ansage: Wer Baum kauft, muss Baum auch selbst hinterher (ordnungsgemäß) entsorgen. Und das Problem treibt anscheinend immer noch Bürger um.

Endgültig kurios wird es dann aber, wenn in einem Facebook-Blog eine Kommentatorin einen Lösungsvorschlag postet, der den Betroffenen, in diesem Fall dem Leineverband, kurzzeitig die Sprache verschlug. Denn da stand doch tatsächlich geschrieben (Originalzitat): „Gartenbesitzer an der unteren Gande (ab Hundewiese) dürfen Tannenbäume und andere Sträucher auch direkt am Gandeufer entlang ablegen. Bitte darauf achten, dass nichts in die Gande abrutscht. Der Tipp kam vom Leineverband“.

Nein, kam er ganz gewiss nicht. Der Leineverband in Person seines Geschäftsführers Jens Schatz machte sofort klar: Das ist wie ein Aufruf zur Ordnungswidrigkeit. Weder gibt es einen solchen Tipp des Leineverbandes noch sind dergleichen Ablagerungen entlang von Flussläufen im Uferbereich gestattet. Klare Ansage also: Unbedingt zu unterlassen!

Schatz hatte sich mit dem Gebietszuständigen beim Leineverband für den Gandelauf, Würfel, den Eintrag angeschaut und war fassungslos: „Das stimmt so in keinster Weise“, so sein Kommentar. Das Ablegen auch von Grünschnitt – wie Weihnachtsbäumen, und da ist es auch egal, ob am Stück oder zerkleinert, gilt als illegale Abfallentsorgung und würde vom Landkreis Northeim entsprechend verfolgt und geahndet. Mit bis zu fünfstelligen Ordnungsgeldern, je nach Schwere des Vergehens.

Geschäftsführer Schatz konnte aus den regelmäßigen Begehungen der Flussläufe berichten, dass seine Mitarbeiter derartige Verstöße immer wieder feststellen müssten. Die werden aber nicht durch den Leineverband verfolgt, wenn es sich um den Uferbereich handelt. Nur, wenn das Fundgut im Flusslauf liegt, geht der Leineverband gegen die Verursacher selbst vor.

Der in dem Facebook-Beitrag erwähnte Abschnitt der Gande sei im Übrigen besonders oft von Verstößen betroffen. Was sich schon daraus ergibt, dass zahlreiche Kleingartenparzellen hier an die Gande – und den die sogenannte „Gandeinsel“ umfließenden Mühlengraben – angrenzen. Dort entsteht viel Strauch- und Baumschnitt, der nicht selten mal schnell im Uferbereich abgelagert wird.

Für den Leineverband ein höchst kritischer Umstand, da wir aufgrund der häufiger werdenden Hochwasserereignisse alle wissen sollten, wie bedeutsam ein guter Abflussquerschnitt für die Flussläufe ist. Den mit Weihnachtsbäumen, Ästen, Strauchschnitt und anderem von hohem Wasser mitgerissenem Schwemmgut zu erschweren oder an Hindernissen zu Stauwällen werden zu lassen, kann bis hin zur Strafbarkeit gereichen, wenn als Folge solcher Vorkommnisse zum Beispiel hohe Schäden durch Überflutungen entstehen.

Deshalb bittet der Leineverband ausdrücklich davon abzusehen, solch unsinnigen Aufrufen oder „Hinweisen“ womöglich zu folgen. Die nächsten Begehungen stehen ja auch schon bald an.

Und das Weihnachtsbaum-Dilemma?

Groß dürfte die Zahl derer, die in einer Landkommune wie Bad Gandersheim überhaupt ein solches haben, nicht sein. Die meisten Häuser verfügen über einen Garten, der Entsorgungsmöglichkeiten auf eigenem Grund (Kompost) bietet. Wo das in der Kernstadt vielleicht nicht der Fall ist, sind gewiss „Grüne Tonnen“ vorhanden, in die der Baum kleingeschnippelt verschwindet. Und wer partout gar nichts dergleichen nutzen kann, muss dann eben die offiziellen Entsorger am Ort – zwei davon gibt es an der Neuen Straße – in Anspruch nehmen. Dort können die Bäume – gegen Gebühr – abgegeben werden. Na, dann doch lieber in die Tonne.

Für alle, die den „guten alten Zeiten“ hinterherhängen, gibt es aber vielleicht doch noch ein klein wenig Hoffnung. In den ersten Januartagen hatten sich einige Aktivisten des Wrescheröder Jugendzentrums „Phoenix“ mit dem Thema befasst und waren schon drauf und dran, eine Sammelaktion in der Kernstadt auf die Beine zu stellen (Wrescherode hat eine eigene für sein Osterfeuer). Die Spontanität wurde aber schnell behördlich ausgebremst: Baumsammeln ist hohe Entsorgerkunst, da kann nicht einfach mal jeder daher kommen und das wollen!

Als Knackpunkt erwiesen sich eben genau die Entsorgungsvorschriften. Baumsammeln ohne Osterfeuer macht an sich schon keinen Sinn, denn dann dürfen die Alttannen nicht mal einfach so irgendwo zwischengelagert werden. Also muss zuerst klar sein, dass es ein Osterfeuer gibt. Das muss für den vorgesehenen Platz genehmigt werden, dann kann es eine Genehmigung zur Ablagerung des Brenngutes geben, für dessen Behandlung zum Feuermachen bekanntermaßen weitere Vorschriften gelten.

„Diese vielen Fragen und Klippen waren in der Kürze der Zeit dieses Jahres nicht mehr zu klären“, so Pfarrer Thomas Ehgart vom „Phoenix“. Für das kommende Jahr aber wolle man die Idee vertiefen, und mit dem entsprechenden Vorlauf wird es dann – mit einem neuen Träger – ab 2019 vielleicht wieder sowohl Baumsammeln als auch ein Gandersheimer Osterfeuer geben. Wäre doch mal was. Dann muss es Weihnachten 2018 doch nicht ein Plastikbäumchen werden...rah