Wer kennt noch das Graswegviertel?

Die Familien Wolter und Breitenstein übernahmen Patenschaft für den Stromkasten Ecke Heinrichstraße/Odastraße

Bad Gandersheim. Wer kennt heute noch die Bezeichnung „Graswegviertel“? Östlich der Stiftskirche lag ein großes Gebiet mit vielen Gärten, durch das ein Grasweg vom Gymnasium in Richtung Grundschule führte. Eigentümer dieser Fläche waren die Stadt, die Neuendorfer Nachbarschaft und die Kirche. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses Gebiet durch Maurermeister Marten beplant, in Parzellen aufgeteilt und die Straßenführung festgelegt.

Die Straßennamen orientieren sich an Persönlichkeiten aus der Gründungszeit des Stiftes. Hier finden wir Oda und Otto sowie Ludolf wieder. Die Straße Grasweg wurde in späterer Zeit in Heinrichstraße umbenannt. Im Oktober 1925 waren die ersten Häuser bezugsfertig. Für einige Bewohner der Innenstadt lagen diese neuen Baugrundstücke erschreckend weit außerhalb der Stadt. Der Baugrund und die Herstellungskosten für ein Haus waren erschwinglich. In diesem Wohngebiet wurden viele Wohnhäuser für Bedienstete von Behörden errichtet. So errichtete die Finanzverwaltung Häuser in der Oda- und Roswithastraße nur für ihre Beschäftigten. Vielleicht waren die Bezüge schon damals so gering wie heute, dass man aus Fürsorgepflicht bezahlbaren Wohnraum für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes schuf.

Auch der Landkreis Gandersheim und die Alte Leipziger Versicherungsgesellschaft a.G. folgte dem Beispiel der Finanzverwaltung. In den 1930er-Jahren wurde das Viertel wesentlich erweitert. Der Reichsarbeitsdienst wurde beim Straßenbau eingesetzt, sodass weitere Häuser im Graswegviertel errichtet werden konnten.

In einem der Häuser wurde von 1933 bis 1945 das Büro für die „Schwarze SS„ eingerichtet. Die Bezeichnung „Schwarze SS“ wurde von der schwarzen SS-Uniform abgeleitet und die Mitglieder gehörten zu den bewaffneten SS-Verbänden. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten viele Häuser den Besatzungsmächten von 1945 bis Mai 1947 überlassen werden. Bei Rückgabe der Häuser mussten die alten Eigentümer feststellen, dass die Besatzer zum Teil große Schäden verursacht hatten und Mobiliar verschenkt hatten.  Durch die Verlängerung der Petristraße entstand die „Beamtenlaufbahn“. Beamte und Angestellte aus dem Grasviertel nutzten diese Straße, um ihre Dienststellen in der Innenstadt zu erreichen. Die Kinder nutzten die noch vorhandenen Baulücken als Spielplatz.

Heute liegt das Wohngebiet in der Mitte der Stadt. Die Bahnlinie nach Hildesheim ist heute zu einem beliebten Wander- und Radweg umgewandelt. Die Roswithastraße gehört zu den vielbefahrenen in der Kernstadt. Das Bild auf dem Stromkasten Ecke Heinrichstraße/Odastraße zeigt einen weiteren Ausschnitt von einer Luftaufnahme von 1938. Ein weiterer Teil dieses Luftbildes kann man auf dem Stromkasten in der Marienstraße Ecke Küchengraben bewundern.

Der Kur – und Verkehrsverein bedankt sich bei Susanne und Heinz - Otto Wolter sowie Ute und Günter Breitenstein für die Übernahme der Patenschaft für diesen Versorgungskasten.red