Windkraft: Vorrangflächen und Ausschlüsse

Ausweisung von Flächen soll im Zuge der Überarbeitung des Regionalen Raumordnungsprogrammes umgesetzt werden

Die Windkraftanlagen im Stadtgebiet Bad Gandersheim oberhalb Dannhausens stehen in einem Vorranggebiet, dass die Stadt dafür ausgewiesen hat. Nun sollen landkreisweit solche Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung ausgewiesen werden.

Bad Gandersheim. Der Umbau der deutschen Energieversorgung geht weiter. Nach wie vor ist dabei bestehende Absicht, noch zahllose neue Windkraftanlagen zu errichten, und das nicht nur „offshore“, also vor den Küsten, sondern auch im gesamten Land und dort an praktisch jeder denkbaren und rechtlich möglichen Stelle. Gegen die dadurch drohende „Verspargelung“ wird aber vielfach nicht nur durch lokale Initiativen angegangen, sondern auch über das Planungsrecht. Und da ist im Landkreis Northeim – und damit auch für das Gebiet der Stadt Bad Gandersheim – gerade wieder Bewegung in die Sache gekommen.

Einer der konkreten Auslöser war die Überarbeitung des Regionalen Raumordnungsprogrammes (RROP). Der Regionalverband Großraum Braunschweig ist verpflichtet, für sein Verbandsgebiet ein Regionales Raumordnungsprogramm (RROP) zu erstellen. Regionale Raumordnungspläne sollen gemäß Niedersächsischem Raumordnungsgesetz mindestens alle zehn Jahre in ihrer Gesamtheit auf Aktualität überprüft werden, und das war für das Jahr 2018 nun wieder anzustoßen.

Der Landkreis Northeim ist nun seinerseits durch das Landesraumordnungsprogramm verpflichtet, geeignete Standorte für die Windenergiegewinnung zu sichern und unter Berücksichtigung der sogenannten „Repowering“-Möglichkeiten (Aufstockung älterer Anlagen durch moderne) im RROP als Vorranggebiete oder Eignungsgebiete festzulegen.

Dabei stehen dem Landkreis zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Verfügung: Er kann Vorrang- oder Eignungsgebiete mit oder ohne eine Ausschlusswirkung ausweisen. Mit einer Ausschlusswirkung bedeutet vereinfacht, dass die Errichtung von Windanlagen nur innerhalb ausgewiesener Vorranggebiete möglich wäre.

In Vorbereitung der Kreistagssitzung im Dezember war der Landkreis davon ausgegangen, in Hinblick auf die Sicherstellung einer einheitlichen Planung nur Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung ausweisen zu wollen. Das entspräche einer sogenannten planerischen Steuerung auf Konzentrationsflächen. Für diesen Weg ist rechtlich festgelegt, dass dem „Plan ein schlüssiges gesamträumiges Planungskonzept“ zugrunde liegen muss. Die Abwägung aller Belange muss also alle Flächen mit in Betracht gezogen haben.

Zudem muss ein weiteres Spannungsverhältnis berücksichtigt werden: das zwischen der gemeindlichen Flächennutzungsplanung und der überstrichenen Raumplanung. Die Kommunen – so auch die Stadt Bad Gandersheim –  pochen weiterhin auf ihrer lokalen Planungshoheit.

Da es mit einer flächendeckenden Ausschlusswirkung – auch bei der Behandlung bereits bestehender Flächen und deren zukünftiger Einordnung – diverse Probleme gab, tauchte die Frage auf, ob als Option die Ausweisung in Teilen des Landkreises nicht doch auch ohne Ausschlusswirkung erfolgen könne. Dazu richtete der  Landkreis eine Frage zur Rechtsbewertung an das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz.

Dessen Antwort fiel eindeutig aus: Nach Rechtsauffassung des Ministeriums gehe die Option nicht, es müsse eine einheitliche Lösung geben. Hingewiesen wird weiter darauf, dass eine Ausschlusswirkung nur möglich sei, wenn der Windenergienutzung im Übrigen durch planerisch ausgewiesene Flächen substanziell Raum verschafft werde. Den beiden Hauptaspekten bei der Bewertung gerecht zu werden, sei mit einer Planung, die nur in Teilbereichen der Fläche eine Ausschlusswirkung erzielen wolle, nicht zu leisten.

Dem Kreistag im Dezember wurde folglich eine Beschlussvorlage vorgelegt, die über den konkreten Weg der Steuerung des Windenergieausbaus im Zuge der Neuaufstellung des RROP für das Landkreisgebiet entscheiden sollte. Im seit 2006 gültigen RROP sind für das Kreisgebiet noch keine Eignungs- oder Vorrangflächen ausgewiesen (von kommunalen Entscheidungen wie in Bad Gandersheim einmal abgesehen, wo das zum Beispiel am Heber oberhalb Dannhausens der Fall ist).

Nach der Rechtsauskunft des Landes favorisierte der Landkreis die Ausweisung von Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung. Laut Kreistagsvorlagen hatten sich zehn Städte und Gemeinden des Kreisgebietes für diese Variante ausgesprochen, eine Stadt wünschte die Gebietsausweisung ohne Ausschlusswirkung.
 Im Falle der Ausweisung von Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung ist für eine Gerichtsfestigkeit eine saubere, nachvollziehbare Untersuchung des gesamten Planungsraumes, eine einheitliche Abschichtung der Kriterien zum Ausschluss von Flächen nach sogenannten „harten“ und „weichen Tabuzonen“ (siehe rechts) sowie eine Abwägung der verbleibenden Potenzialflächen und Bereitstellung substanziellen Raumes für die Windenergie vorzunehmen.
Nach Aussonderung der Tabuzonen verbleiben sogenannte Potenzialzonen, die für die Platzierung der Vorranggebiete in Betracht kommen. In einem dritten Arbeitsschritt werden sie zu konkurrierenden Nutzungen oder Nutzungsansprüchen in Beziehung gesetzt. Am Ende ist eine nachvollziehbare Abwägungsentscheidung zu treffen, wo und warum dort Vorranggebiete ausgewiesen werden.

Zudem muss der Landkreis dabei noch eine Quote berücksichtigen, die zur Bemessung herangezogen wird, ob tatsächlich „substanziell“ Raum für Windenergie bereitgestellt worden ist. Zwei einschlägige Urteile legen dazu unterschiedliche Werte zugrunde: Das VGH München urteilte 2013, dass weniger als ein Prozent der überplanten Fläche für Windenergie als nicht ausreichend anzusehen seien. Demhingegen sah das Oberverwaltungsgericht Lüneburg dies schon bei 0,21 Prozent als ausreichend. Letztlich ausschlaggebend wird eine nachvollziehbare Begründung für die Ausweisungen der Vorranggebiete  sein.
Bestandteil des im Kreistag im Dezember dann schließlich gefassten Beschlusses ist auch der Abschluss einer sogenannten Kooperationsvereinbarung zwischen den Städten und Gemeinden und dem Landkreis. Gegenstand dieser Vereinbarung soll die Unterstützung der Städte und Gemeinde durch den Landkreis bei der Ausweisung der Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung sein.

Bei den Vorabstimmungen haben die Städte und Gemeinden schon deutlich gemacht, dass sie eine Mindestabstandsregelung von 1.000 Metern zu Siedlungsgebieten wünschen und die Berücksichtigung bestehender Flächennutzungspläne ihnen sehr wichtig ist. Zwar kann dies in der Kooperation nicht festgeschrieben werden, soll aber bei der Planung entsprechende Berücksichtigung finden.

Ebenso sei eine verbindliche Übernahme bereits in Kommunen ausgewiesener Vorrangflächen  nicht zulässig, da alle Flächennutzungspläne im Einzelfall auf die Rechtssicherheit ihrer Bestandteile geprüft werden müssen. Zudem müssen die Vorrangflächen allen Anforderungen laut RROP entsprechen. Nur dann ist eine komplette Übernahme möglich.rah