Wo einst das Moritztor stand

Jüngstes Stromkastenbild erinnert an das südlichste Haus der Moritzstraße, die einst Galgenstraße hieß

Sandra Westphal an dem neuen Stromkastenbild an der Ecke Moritzstraße Ausfahrt Bleichewiese.

Bad Gandersheim. Wenn wir heute in die Stadt von Süden hereinfahren, ist der erste Eindruck nicht besonders spektakulär. Einst erblickten die Ankömmlinge von weitem das hohe Walmdach des Moritztorturms mit seinen acht erkerartigen Spitzen.

Wann genau das Moritztor erbaut wurde, ist nicht bekannt. Erstmalig urkundlich erwähnt wurde es 1350. Der Name lautete ursprünglich Galgentor, wie auch die Moritzstraße Galgenstraße hieß. Man wählte im Mittelalter gern aussagekräftige Namen. Niemals wäre man auf den Gedanken gekommen, das die Bewohner der Straße daran Anstoß nehmen könnten.

Wenn die Armesünderglocke läutete, strömten die Bürger herbei, um den zum Tode verurteilten bis zur Hinrichtungsstätte auf dem Galgenberg zu begleiten. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte sich der Name Moritztor beziehungsweise Moritzstraße durch.

Die Toranlage war reich geschmückt. Unter anderem zierte ein Steinrelief, die zwei Braunschweiger Löwen, die Toranlage. Heute grüßen die Löwen über dem Eingangsportal des Rathauses die Gäste. Der Torturm stand in der Mitte der Moritzstraße, dort wo heute das bekannte Fotogeschäft seinen Firmensitz hat. Die Anlage reichte bis zum Anwesen des Zahnarztes Pietsch.

Das Stadttor war außergewöhnlich stark befestigt, da die Stadt von Süden besonders gefährdet war. Die Stadtmauer schloss sich rechts und links davon an, was noch heute an dem Straßennamen „An der Stadtmauer“ zu erkennen ist. Ein vorgelagerter Wassergraben und Wälle sollte die Angreifer abwehren. Der Turm wurde gut bewacht.

Auf dem Torturm sowie im Pförtnerhaus wohnte ein Wächter. Die Aufsicht über den Torwärter wurde jährlich wechselnd an einen Bürger übertragen. Meist waren es Ratsherren, die Sorge tragen mussten, dass die Tore sorgfältig verschlossen wurden.

Im Nachmittelalter wurden Häuser zwischen dem Zwinger und dem Torturm errichtet, denn die Landbevölkerung strömte in die Stadt. Der Dreißigjährige Krieg veränderte die Strukturen. Die Bevölkerung hatte abgenommen und viele Häuser standen verwaist da. Niemand wollte mehr zwischen den Toren wohnen. Man riss die Wehranlage ab und ersetzte sie durch einfache Tore, bestehend aus Pfeilern mit Kugelköpfen.

Eine Durchfahrt für Fahrgespanne, die 1842 verbreitert werden musste, und ein Durchlass für Fußgänger. Heute beginnt dort die verkehrsberuhigte Zone. Die Bleichewiese war bis in die 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts Gartenland. Der Name Bleichewiese deutet daraufhin, dass die Eigentümer dort ihre Wäsche zum Bleichen in der Sonne ausbreiteten. Auch wurden die vorhandenen Flächen verpachtet, damit Häuslinge (Tagelöhner und Besitzlose) dort ihre Wäsche trocknen konnten.

Aus dem Protokollbuch der Moritzsträßer Nachbarschaft von 1925 ist zu entnehmen, dass 32 neue Wäschepfähle angeschafft wurden und für das Trocknen einer Kiepe Wäsche 0,10 Reichsmark zu entrichten waren. 1948 wurde die Bleichewiese mit Holzpfosten versehen und mit einem Maschendrahtzaun von 1,50 Meter Höhe sowie Stacheldraht gesichert.

Das Haus auf dem Stromkasten am Beginn der Moritzstraße mit Garten und Litfasssäule stammt aus dem Jahr 1839. Das Haus befand sich im Besitz der Stadt und wurde in den 1990er-Jahren veräußert und umfangreich renoviert. Der angrenzende Garten wurde zur Ausfahrt des Parkplatzes Bleichewiese im Rahmen der Verkehrsberuhigung umgestaltet. Das Haus beherbergt heute ein gut besuchtes Sonnenstudio.
Der KVV bedankt sich bei der Familie Scholz für die Übernahme der Kosten für diesen repräsentativen Stromkasten. Sandra Westphal, Betreiberin des Sonnenstudios steht stellvertretend Pate.

Gegenüber an der Ecke Moritzstraße/An der Stadtmauer wartet noch ein trauriger Stromkasten auf seine Chance. Im städtischen Museum ist eine wunderbare Aufnahme von der Moritzstraße Ende des 19. Jahrhunderts, die diesen Stromkasten schmücken könnte.

Wer mehr über der Geschichte der Moritzsträßer Nachbarschaft erfahren möchte, den laden die Museumsfreunde recht herzlich zu dem Vortrag von Schaffer Peter Dietrich am kommenden Montag, 12. Februar, um 19.30 Uhr ins Biedermeierzimmer bei freiem Eintritt ein.red